Betreff
Erlass einer Zweckentfremdungssatzung gem. Art 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG)
Vorlage
SpA/236/2013
Art
Beschlussvorlage - AB

Um einem weiteren Verlust von preiswerten Bestandswohnungen bzw. dem Wohnungsleerstand entgegenzuwirken, soll der Erlass einer Zweckentfremdungssatzung näher geprüft werden.

 


 

Zweckentfremdungsverbot gem. ZwEWG:

Gem. Art. 1 und 2 ZwEWG können Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit

-       ausreichendem Wohnraum

-       zu angemessenen Bedingungen

-       besonders gefährdet

ist (Gemeinden mit Wohnraummangel), durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens 5 Jahren bestimmen, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf (Zweckentfremdung).

 

Zusätzliche Voraussetzung hierfür ist gem. Art. 1, dass die Gemeinde diesem Wohnraummangel nicht mit anderen zumutbaren Mitteln in angemessener Zeit begegnen kann. Diese Formulierung stellt die Subsidiarität der Norm klar heraus: Voraussetzung für den Satzungserlass ist neben den anderen Tatbestandsvoraussetzungen (Bedarf, Erforderlichkeit, Angemessenheit) damit, dass die Kommune das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium erfolglos ausgeschöpft hat. „Wegen des Eingriffs in das (Wohn-)Eigentum durch eine Genehmigungspflicht kann eine solche (‚Satzung‘; Anm. d. Verf.) nur das letzte Mittel zur Beseitigung des Wohnraummangels sein. Zuvor müssen die betroffenen Gemeinden versuchen, diesen mit anderen, wirtschaftlich und zeitlich vertretbaren Maßnahmen abzuhelfen. Dies können sowohl Maßnahmen sein, um der Verringerung des Wohnraumbestandes, als auch der Verschlechterung der Wohnraumbilanz durch eine erhöhte Nachfrage aufgrund starken Zuzugs o. ä. entgegen zu wirken. Derartige Maßnahmen können z. B. die Ausweisung von Wohngebieten im Bebauungsplanverfahren, die Wohnraumförderung oder Einheimischenmodelle sein.“ (Bayer. Landtag, Drucksache 15/8369 vom 19.06.2007 zum Gesetzentwurf über das ZwEWG)

 

Der Zweck der Ermächtigung ergibt sich unmittelbar und deutlich aus der Ermächtigungsnorm selbst: Gewährleistet werden soll lediglich der Bestandsschutz von Wohnraum, mit dem Ziel einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen im Interesse der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Normalsituation.

 

Ausdrücklich ausgenommen vom Zweckentfremdungsverbot ist Wohnraum, der nach dem 31. Mai 1990 unter wesentlichem Bauaufwand aus Räumen geschaffen wurde, die anderen als Wohnzwecken dienten:

Dies betrifft somit u. a. nahezu das gesamte W.O. Darby-Areal, das ehem. Uvex-Gebäude an der Fichtenstraße, das Areal des alten Flugplatzes Atzenhof sowie als weiteren Schwerpunkt die umgenutzten ehem. Quelle-Gebäude.

 

Eine Zweckentfremdung i. S. d. ZwEWG liegt insbesondere vor, wenn der Wohnraum

1.         überwiegend für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird,

2.         baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,

3.         nicht nur vorübergehend gewerblich oder gewerblich veranlasst für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird,

4.         länger als drei Monate leer steht oder

5.         beseitigt wird.

 

Hierbei ist zu beachten, dass bereits genehmigungsfrei herbeigeführte oder genehmigte Zweckentfremdungen nicht dem Zweckentfremdungsverbot unterliegen. Ebenso wenig kann über das Zweckentfremdungsverbot die Aufwertung (Umbau et c) bzw. die Aufteilung in Wohneigentum unterbunden werden.

 

Die Genehmigung zur Zweckentfremdung ist gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 ZwEWG zu erteilen, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des Wohnraums überwiegen:

Vorrangig öffentliche Belange für eine Zweckentfremdung werden z. B. in engem Rahmen gegeben sein, wenn Wohnraum zur Versorgung der Bevölkerung mit Einrichtungen der Daseinsvorsorge (z. B. für  Ausbildungs-, Betreuungs- oder gesundheitliche Zwecke, ärztliche Betreuung, …) verwendet werden sollen, die gerade an dieser Stelle dringend benötigt werden  und für die andere Räume nicht zur Verfügung stehen oder nicht zeitgerecht geschaffen werden können.

Überwiegend schutzschutzwürdige private Interessen können insbesondere bei nicht mehr erhaltenswürdigem Wohnraum oder bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz vorliegen.

 

Nach Abs. 2 kann die Genehmigung im Übrigen erteilt werden, wenn dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraums durch Ausgleichsmaßnahmen in verlässlicher und angemessener Weise Rechnung getragen wird; dies kann entweder durch Bereitstellung von Ersatzwohnraum oder durch eine Ausgleichszahlung geschehen.

 

Hinsichtlich der Begrifflichkeiten „Bereitstellung von Ersatzwohnraum“ und „Ausgleichszahlung“ ist anzumerken:

Die Bereitstellung von Ersatzwohnraum ist nur gegeben, wenn durch den Verursacher der Zweckentfremdung neuer Wohnraum zeitnah und in unmittelbarem Zusammenhang geschaffen wird; die Schaffung von Ersatzwohnraum aus dem Bestand oder „auf Vorrat“ ist nicht möglich. Der Ersatzwohnraum muss sowohl hinsichtlich der Größe als auch des Standards vergleichbar sein.

Durch Ausgleichszahlungen soll ein Ausgleich für den Verlust von Wohnraum geschaffen werden, vor diesem Hintergrund sind die Ausgleichszahlungen zweckgebunden für die Schaffung neuen Wohnraums einzusetzen.

 

 

Situation in Fürth:

 

Fürth weist seit Jahren eine stark wachsende Einwohnerzahl auf, die sich vorrangig im städtischen Innenbereichen durch (Neu-)Besiedlung ehemals gewerblicher oder militärische Nutzflächen niederschlägt.

 

Neben der sehr umfangreichen Neubautätigkeit besteht seit Jahren die Tendenz Nichtwohngebäude (zumeist Gewerbe) in Wohnraum umzuwandeln. Eine Umwandlung von Wohnraum in umgekehrter Richtung, hin zu anderen Nutzungen (z. B. gewerbliche Einheiten) spielt in der gegenwärtigen Lage nur eine sehr untergeordnete Rolle, da Wohnen derzeit die wirtschaftlich lukrativere Nutzung darstellt.

 

Auf diese Weise ist eine erhebliche Anzahl zusätzlicher Wohnungen entstanden, die vom Wohnungsmarkt aufgrund der gegenwärtigen Rahmenbedingungen (hohe Zuzugsraten und günstige Finanzierungsmöglichkeit) sehr rasch aufgenommen werden. Neu entstehende Wohnungen bedienen dabei überwiegend jedoch die oberen Segmente der Wohnraumnachfrage.

 

Hinsichtlich des Fürther Wohnungsbestandes wurden im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2011 folgende Zahlen (im Vergleich mit Nachbarstädten) ermittelt, eine weitere Differenzierung hinsichtlich des betroffenen Wohnungsbestands existiert h. E. nicht:

 

 

Stadt Fürth

Stadt Nürnberg

Stadt Erlangen

Insgesamt

61.323

 

271.737

 

62.161

 

von Eigentümern bewohnt

20.355

33,2 %

78.592

28,9 %

19.281

31,0 %

zu Wohnzwecken vermietet

38.606

63,0 %

184.138

67,8 %

41.321

66,5 %

Ferien- oder Freizeitwohnung

126

0,2 %

677

0,2 %

167

0,3 %

leerstehend

2.236

3,6 %

8.330

3,1 %

1.392

2,2 %

 

Zur Sicherstellung eines funktionierenden Wohnungsmarkts wird allgemein ein gewisser Leerstand an Wohnungen für erforderlich gehalten. Nach aktuellen Veröffentlichungen des Bundesinstituts für Bau- Stadt- und Raumforschung (BBSR) zufolge ergibt sich normalerweise ein Anteil von leerstehenden Wohnungen aus Umzügen und Baumaßnahmen im Bestand. In der Literatur wird die Fluktuationsreserve üblicherweise mit 3 % angegeben.

Die Fluktuationsreserve ist erforderlich, um überhaupt Entwicklungen und Anpassungen im Wohnungsmarkt zu ermöglichen.

 

Das OVG Lüneburg äußert sich in seinem Urteil vom 13.03.2003 (Az. 8 K 4496/99) hinsichtlich einer Mangellage am Wohnungsmarkt wie folgt: „Eine Mangellage am Wohnungsmarkt ist dann allenfalls deutlich erkennbar beseitigt, wenn mindestens 3% - 4% aller Wohnungen leer stehen, und der Wohnungsleerstand auf alle Marktsegmente annährend gleichmäßig verteilt ist.“ Anders ausgedrückt: Bei einem gleichmäßig verteilten Leerstand von 3 – 4% ist ein Wohnungs- markt erst funktionstüchtig und frei von Mangellagen.

 

Die Modernisierungserfordernisse selbst liegen nach den vorliegenden Angaben in Fürth (beurteilt nach der Wohnungsausstattung mit Bad, Dusche, WC, Heizung) in etwa auf dem Niveau der Nachbarstädte:

 

Wohnungsausstattung nach Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2011:

 

Sanitärausstattung

Stadt Fürth

Stadt

Nürnberg

Stadt

Erlangen

Insgesamt

61.323

 

271.737

 

62.161

 

Badewanne/Dusche und WC vorhanden

60.400

98,5 %

267.300

98,4 %

60.723

97,9 %

Badewanne/Dusche und WC nicht vorhanden

321

0,5 %

1.174

0,4 %

1.173

1,9 %

Badewanne/Dusche vorhanden, WC nicht vorhanden

214

0,3 %

383

0,1 %

120

0,2 %

Badewanne/Dusche nicht vorhanden, WC vorhanden

388

0,6 %

2.860

1,1 %

145

0,2 %

 

 

Heizung

Stadt Fürth

Stadt

Nürnberg

Stadt

Erlangen

Insgesamt

61.323

 

271.737

 

62.161

 

Einzel- oder Mehr- raumöfen (auch Nachtspeicherheizung)

3.721

6,1 %

26.719

9,8 %

3.095

5 %

Keine Heizung

362

0,6 %

225

0,1 %

108

0,2 %

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach den für den örtlichen Wohnungsmarkt verfügbaren Informationen und Kenntnissen ist als problematisch im Sinne des ZwEWG allenfalls der beschriebene Leerstand zu bezeichnen. Die für Fürth – im Vergleich zu den Nachbarstädten (Erlangen, Nürnberg) leicht erhöhten Werte – lassen sich h. E. durch die Vielzahl der Umbau- und Modernisierungsaktivitäten erklären, die i. d. R. eine leerstehende Immobilie voraussetzen.

 

 

Nachdem die Zahl der Umwandlungen von Wohnraum in Gewerberaum derzeit keine beachtenswerte Höhe erreicht und die weiterhin erforderlichen Modernisierungstätigkeiten - auch im Rahmen energetischer Sanierungen – nicht erschwert werden sollten, haben die vergleichbaren bayerischen Großstädte insbesondere in der Metropolregion – mit Ausnahme der Landeshauptstadt München –  bisher davon abgesehen, eine Satzung nach ZwEWG zu erlassen.

 

Nachdem die für Fürth verfügbaren Daten im Mittel für den Wohnungsmarkt eher wenig spektakuläre Merkmale aufweisen und auch die durchschnittliche Leerstandsquote nicht auffällig erscheint, ist es dennoch möglich, dass in bestimmten Wohnungsteilmärkten deutliche Abweichungen von diesen Daten vorliegen. Indiz dafür ist, dass häufig eine Unterversorgung für bestimmte Bevölkerungsgruppen beklagt wird, die sich insbesondere auch durch die steigende Zahl der im Sozialamt als wohnungssuchend vorgemerkten Personen ausdrückt.

 

Eine zunehmende Verknappung im Segment der preiswerten Wohnungen ist dabei sicherlich auch Folge der sich öffnenden Schere zwischen den verfügbaren Haushaltseinkommen und den insgesamt steigenden Ausgaben für das Wohnen allgemein, der durch kommunale Maßnahmen kaum beeinflussbar ist.

 

Um einem weiteren Verlust von preiswerten Bestandswohnungen bzw. dem Wohnungsleerstand entgegenzuwirken, soll daher der Erlass einer Zweckentfremdungssatzung näher geprüft werden.

 

Diese nähere Prüfung sollte nach Auffassung der Verwaltung insbesondere die rechtliche Seite, der mit der Satzung verbundenen Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter sowie die verfahrens- und verwaltungsmäßigen Konsequenzen umfassen.

 

 

Hinweis: Zur Information über den Regelungsumfang und die Inhalte einer solchen Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum liegt die Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München bei.

 


 

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

 

nein

 

ja

Gesamtkosten

     

 

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

 

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag:

 


Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG)

Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum