Betreff
Vorlage zum Antrag der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 19.06.2020 - Grundsatzbeschluss Konzept für Gemüseanbauflächen
Vorlage
OA/0413/2020
Art
Beschlussvorlage - AB

Alt. 1:

Der Umweltausschuss empfiehlt von der Erstellung eines agrarstrukturellen Konzepts abzusehen.

 

oder

 

Alt. 2:

Der Umweltausschuss beauftragt die Verwaltung in Abstimmung mit dem Bayer. Bauernverband Überlegungen zur Erstellung eines agrarstrukturellen Konzepts vorzubereiten (insb. Zielsetzung, Struktur, Vorgehen, Akteure, Kostenschätzung, vergaberechtliche Prüfung) und diese dem Bau- und Werksausschuss zur Entscheidung vorzulegen.

 


Der Umweltausschuss regte in der Sitzung am 26.06.2020 an, dass der Bayer. Bauernverband in einer der nächsten Sitzungen die Möglichkeit eines agrarstrukturellen Gesamtkonzepts vorstellen solle. Leider verzögerte sich die Vorstellung u.a. aufgrund terminlicher und pandemiebedingter Hindernisse bis zur heutigen Sitzung.

Inhaltlich wird auf den Vortrag des Geschäftsführers der Geschäftsstelle Nürnberg des Bayer. Bauernverband, Herrn Loy, in der Sitzung verwiesen.

 

Stellungnahme der Verwaltung:

Stadtplanungsamt (SpA)

Ein agrarstrukturelles Konzept, wie es z.B. die Stadt Nürnberg hat erarbeiten lassen, entwickelt aus sich heraus keinerlei rechtliche Verbindlichkeit. Daher ist es also durchaus möglich, dass einem einmal aufgestellten Konzept widersprechende Baugesuche von Antragstellern mit rechtlichen Mitteln durchgesetzt werden, etwa weil im Konzept vorgesehene Entwicklungspotenziale zur Neige gehen oder weil Antragsteller ihre Interessen als nicht hinreichend berücksichtigt empfinden. Will man sich auf ein solches Instrument verlassen, besteht also die Gefahr, dass von objektiven fachlichen Kriterien abweichend Zugeständnisse gemacht werden, um zumindest für eine gewisse Zeit die Akzeptanz möglichst aller Beteiligter zu gewährleisten. In anderen Großstädten Bayerns hat sich die Bauernschaft dagegen schon einseitig aus dem gemeinsamen Erarbeitungsprozess zurückgezogen oder damit gedroht, um die Gemeinden davon abzuhalten vom Bundesgesetzgeber vorgesehene rechtliche Instrumente zur Schaffung von Bauland einzusetzen, die von Landwirtinnen/Landwirten vornehmlich aus wirtschaftlichen Erwägungen abgelehnt werden.

 

Der jahrelange Erarbeitungsprozess zu einem agrarstrukturellen Konzept kann sicher als Plattform für einen intensiven Austausch mit einer sehr wichtigen und einflussreichen Eigentümer- und Nutzergruppe des planungsrechtlichen Außenbereichs dienen. Je nach Ausgestaltung und Teilnahmebereitschaft können dadurch wichtige Informationen ausgetauscht werden. Auf diese Weise kann ein solches Konzept durchaus relevante Daten liefern, die nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB im Rahmen der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen sind, sofern von den Befragten einigermaßen detaillierte, nachvollziehbare Informationen und Betriebsdaten gegenüber der Stadt offengelegt werden. Allerdings sind sehr allgemeine oder aus anderen Gründen nicht nachprüfbare Aussagen für die Planung nur schwer verwertbar.

 

Bezogen auf den bereits gestarteten Teilflächennutzungsplan zur Steuerung von Gewächshäusern ist ferner zu berücksichtigen, dass ausreichend fundierte Ergebnisse aus dem Konzept vermutlich erst in eineinhalb bis zwei Jahren vorliegen werden. Da der Teilflächennutzungsplan allerdings aus rechtlichen Erwägungen möglichst innerhalb von etwa zwei Jahren beschlossen sein sollte, kann im Planungsprozess nicht auf diese Ergebnisse gewartet werden. Obwohl die aus dem Konzept zu erwartenden Erkenntnisse grundsätzlich auch für andere städtebauliche Planungen, die den Außenbereich betreffen, interessant sein können, sind dessen Aussagen natürlich nur solange verwertbar, wie diese noch als aktuell angesehen werden können. 

 

Überdies entwirft ein agrarstrukturelles Konzept naturgemäß kein vollständiges Bild aller den Außenbereich betreffenden Belange, da nicht alle Nutzergruppen und Eigentümer angesprochen werden. Dies kann unter Umständen zu einer gewissermaßen „verzerrten Wahrnehmung“ führen, wenn im Verlaufe einer stadtplanerischen Abwägung sehr ausführlich und sorgfältig aufbereitete Belange möglicherweise gewichtiger erscheinen, als andere weniger aufwändig ermittelte und präsentierte Aspekte.

 

Sind für städtebauliche Planungen vertiefende Informationen in Form von Gutachten, Kartierungen, Konzepten usw. erforderlich, werden i.d.R. Ingenieurbüros o.ä. gegen Bezahlung damit beauftragt, unabhängige Untersuchungen durchzuführen. Dass Interessenvertretungen dafür mit öffentlichen Mitteln bezahlt werden, zumindest auch die Belange ihres Verbandes zu vertreten, ist dagegen unüblich. Wenngleich der Bayerische Bauernverband aus seiner historischen Entwicklung begründet, anders als die Bauernverbände anderer Bundesländer oder auf Bundesebene, in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasst ist, ist auch er dennoch in erster Linie eine Interessenvertretung der Landwirtinnen/Landwirten. Zudem sind allgemeine Aussagen zu den Belangen der Landwirtschaft, wenn auch in meist deutlich reduzierter Form, üblicherweise Gegenstand von, für die Stadt kostenlosen, Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange in förmlichen Bauleitplanverfahren. Durch die Öffentlichkeit (z.B. Eigentümer/innen, Landwirtinnen/Landwirten) werden darüber hinaus teilweise sogar sehr auf den individuellen Einzelfall bezogene Stellungnahmen vorgebracht. Dies trifft natürlich auch auf den in Aufstellung befindlichen Teilflächennutzungsplan zur Steuerung von Gewächshausanlagen zu.

 

Abschließend ist im Hinblick auf die zu erwartende finanzielle Größenordnung ein in Einklang mit dem Vergaberecht stehender Auftrag grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben, sodass eine Direktvergabe hier vermutlich ausscheidet.

 

Bei einer Entscheidung sollten die oben angesprochenen Punkte sehr sorgfältig durchdacht werden. Immerhin wird die Erarbeitung für die Verwaltung mit einem erheblichen zeitlichen und personellen Aufwand verbunden sein, der nur dann als gerechtfertigt angesehen werden kann, wenn das Ergebnis auch einen dementsprechend hohen praktischen Nutzen entfaltet.

 

Amt für Umwelt, Ordnung und Verbraucherschutz (OA)

Ein agrarstrukturelles Konzept kann viele Gesichtspunkte betrachten und positive Effekte auf die künftige Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe, die Stadtentwicklung und auch die Umwelt bieten. Aus dem Blickwinkel der Umweltbehörde ist vor allem der letztgenannte Aspekt relevant.

 

Es wird erwartet, dass die landwirtschaftliche Entwicklung weiter Richtung Gewächshausanbau gehen wird. Aus umweltrechtlicher Sicht wäre die Aufstellung eines solchen Konzeptes daher unter folgenden Aspekten zu begrüßen:

 

  • Artenschutz: Landwirtschaftliche Nutzflächen können für viele Arten einen Lebensraum bieten. Mit dem ungeregelten Verlust der bewässerten Gemüseanbauflächen und freigehaltenen Abständen zu diesen geht essentieller Lebensraum für zahlreiche streng geschützte und im Rückgang begriffene Arten (z.B. Kiebitz) unwiderruflich verloren. Der Erhalt der gesamten lokalen Population von bodenbrütenden Arten hängt direkt von unversiegelten Flächen in diesem Bereich ab.

Kommen artenschutzrelevante Arten wie der Kiebitz im Bereich von geplanten Bauvorhaben vor, führt mangelhafte Vorplanung (z.B. fehlende vorhandene Ausgleichsflächen, verspätete Vermeidungsmaßnahmen) oftmals zu Verzögerungen und nicht unerheblichen Kostensteigerungen. Durch die Berücksichtigung des Artenschutzes bei einer gezielten Festlegung von Ausschluss- und Konzentrationsflächen für den Gewächshausanbau können diese Probleme möglichst weitgehend vermieden oder vermindert werden.

  • Landschaftsschutz: Bei der Ausweisung von Ausschluss- und Konzentrationsflächen könnten landschaftsprägende Sichtachsen, Abstände zu besonders schützenswerten Naturbestandteilen (z.B. Landschaftsschutzgebiete, Biotopflächen) einbezogen werden.
  • Gewässerschutz: Das Grundwasser ist besonders unter intensiv bewirtschaftete Ackerflächen mit hohen Nitratwerten belastet (z.B. im Knoblauchsland). Daher kann die Berücksichtigung dieses Aspekts z.B. durch die von Flächen in Nitrat-Hotspots aus der intensiven Bodennutzung durch Bau von Gewächshäusern positive Effekte haben. Auch der hohe Wasserverbrauch bei Freilandbewässerung entfällt in Gewächshäusern, welche oft mit reiner Regenwassernutzung und Kreislaufführung auskommen können. Diese Effekte könnten bei einem solchen Konzept zu berücksichtigt werden.

 

Ein solches Konzept bietet allerdings nur dann einen substanziellen Mehrwert für die Umweltbehörde, wenn die Ergebnisse rechtsverbindlich umgesetzt werden können (z.B. im FNP). Sollten die Festlegungen jedoch juristisch angreifbar sein (z.B. Einklagbarkeit einer Bebauung in Ausschlussflächen), rät das OA aufgrund des hohen personellen, finanziellen und organisatorischen Aufwands von einem (unverbindlichen) Konzept ab.

 

Amt für Wirtschaft und Stadtentwicklung (AWS)

Aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet kann ein agrarstrukturelles Konzept positive Auswirkungen auf den Fortbestand der Höfe und die gesamte Stadtentwicklung haben. Dabei teilt man die Auffassung, dass der Mehrwert nur durch die Rechtsverbindlichkeit erlangt werden kann.

 

Um einen Überblick über den Istzustand und die künftigen Entwicklungen zu erlangen, müsste der Konzepterarbeitung eine Bestandsaufnahme unter Einbeziehung aller privilegierten Außenbereichsnutzungen vorgeschalten werden.

Seitens der Wirtschaftsförderung bestand bisher kaum Kontakt zu hiesigen Landwirten. Dies hat zur Folge, dass nur wenige Betriebe in den regelmäßigen Unternehmensbefragungen von AWS in der Vergangenheit beteiligt wurden und somit keine Daten zum Flächenbedarf oder Betriebsnachfolgen vorliegen.

 

Die große Nachfrage an regionalen Erzeugnissen und Bauland für Gewächshäuser lässt darauf schließen, dass die Betriebe in den kommenden Jahren einen enormen Erweiterungsbedarf haben könnten.

 

Durch jede nichtlandwirtschaftliche Nutzung geht landwirtschaftliche Nutzfläche verloren, die aber benötigt wird, um weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur regionalen Versorgung und Wertschöpfung zu leisten und Arbeitsplätze im Stadtgebiet zu sichern.

 

Die Konkurrenz um Grund und Boden wächst und die Flächeninanspruchnahme für siedlungs- und landwirtschaftsfremde Zwecke nimmt zu. Eine der negativen Folgen sind steigende Pachtpreise, welche die Betriebe in ihrer Entwicklung behindern.

 

Neubauprojekte sollten so konzipiert werden, dass der Flächenausgleich vor Ort erbracht werden kann. Die Verlagerung von Ausgleichsflächen oder Artenschutz auf landwirtschaftliche Nutzflächen entzieht den Landwirten ihre Existenzgrundlage.

 

Aus einem agrarstrukturellen Konzept im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt erhofft man sich ein Instrument für nachhaltiges Bodenmanagement.

 

Fazit der Verwaltung:

Insbesondere weil einem agrarstrukturellen Gutachten die rechtliche Verbindlichkeit fehlt, scheint der Verwaltung der geschätzte personelle und finanzielle Aufwand in einem ungünstigen Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen zu stehen. Daher empfiehlt die Verwaltung von dem Projekt abzusehen.

 


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

 

nein

x

ja

Gesamtkosten

unbekannt

x

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

x

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag:

 


Auswirkungen ökol. Zukunftsfähigkeit