Betreff
HKA Fürth, Erweiterung um eine 4. Reinigungsstufe
Vorlage
StEF/0187/2022
Art
Beschlussvorlage - STEF

Der Bau- und Werkausschuss nimmt Kenntnis und stimmt der grundsätzlichen Absichtserklärung für den Bau einer 4. Reinigungsstufe, vorbehaltlich einer Förderung, zu.


Kläranlage Fürth - Vierte Reinigungsstufe - Erläuterungsbericht

Anlass:

 

In den Oberflächengewässern und teilweise sogar im Grund- und Trinkwasser werden seit Jahren – auch aufgrund verfeinerter Analysetechniken – zunehmend sogenannte Mikroverunreinigungen nachgewiesen. Dabei handelt es sich um sogenannte anthropogene Spurenstoffe wie Arzneimittelrückstände, Pflanzenschutzmittel, Biozide oder spezifische Industriechemikalien wie per- und polyfluorierte Verbindungen.

Da die meisten Mikroverunreinigungen künstlich hergestellt sind und in der Natur nicht vorkommen, gelingt es den an der Abwasserreinigung beteiligten Mikroorganismen oftmals nicht oder nur eingeschränkt, die Substanzen adäquat abzubauen oder zu eliminieren.

Die Stoffe sind teilweise auch krebserregend und haben beträchtliche Folgen für unsere Gesundheit und die aquatische Umwelt, insbesondere die Reproduktionsbiologie.

FAKTENCHECK CHEMIKALIEN:

  • In der Literatur beschrieben: ca. 85 Millionen verschiedene Chemikalien
  • In Europa auf dem Markt: (Europ. Inventory of Commercial Chemical Substances)

ca. 100.000 verschiedene Chemikalien

  • davon Produktionsvolumen > 1.000 t/a: ca. 5000 verschiedene Chemikalien
  • Arzneimittelverbrauch in Deutschland: ca. 30.000 t/p.a.

Die EU-einheitliche Regelung zur Beurteilung der Gewässergüte beurteilt den Chemischen Zustand in gut oder schlecht. Dabei sind insbesondere Prioritäre bzw. prioritär gefährliche Stoffe nach WRRL Art. 16, Anhang X, d.h. „Stoffe, die ein erhebliches Risiko für bzw. durch die aquatische Umwelt darstellen“ ausschlaggebend.

Die RiLi 2008/105/EG sieht Umweltqualitätsnormen, d.h. Grenzwerte für 33 prioritäre Stoffe vor. In Deutschland erfolgt die Umsetzung in Anlage 7 der Oberflächengewässerverordnung.

Zur Bewertung des ökologischen Zustands werden Flussgebietsspezifische Schadstoffe (nach WRRL Anhang VIII) ebenfalls in der Oberflächengewässerverordnung definiert. Das sind derzeit 162 Stoffe.

 

 

Spurenstoffstrategie Bayern:

 

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat eine „Spurenstoffstrategie Bayern“ entwickelt und zunächst eine Stoffflussmodellierung der Belastung bayerischen Gewässer durchgeführt. Ziel war das Erfassen der Belastungssituation von Mikroverunreinigungen und die Ermittlung des Handlungsbedarfs für kommunale Kläranlagen

Über das Stoffflussmodell wurden in Bayern 90 Kläranlagen identifiziert, die mit einer Vierten Reinigungsstufe ausgestattet werden sollen. Investitionsbedarf für 90 KA: ca . 700 Mio.

Die Relevanzkriterien dabei sind: Ausbaugröße, Klarwasseranteil und Wasserversorgung.

Als Schwerpunktregionen wurden die Ballungsräume Nürnberg, Augsburg, München, das Main Einzugsgebiet und das Bodenseeeinzugsgebiet ermittelt.

Die Anlagen der 4 ARGE-Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach sind dabei unter den „Top 13“.

 

 

Ziele:

 

Das definierte Reinigungsziel (entsprechend AbwAG Entwurf) ist dabei:

• Eliminationsleistung mindestens 80 %

• 6 Indikatorstoffe (ausgewählt aus: Carbamazepin, Clarithromycin, Diclofenac, Hydrochlorothiazid, Irbesartan, Metoprolol, Sulfamethoxazol, Benzotriazol und 4/5 Methylbenzotriazol)

Förderung/Finanzierung:

Zunächst sind Pilotförderungen, später dann eine Regelförderung vorgesehen.

Nach wie vor ist die Finanzierung nicht klar geregelt. Der BDEW hatte Überlegungen der derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen kritisiert, die Kosten für die Spurenstoffentfernung über die Abwasserabgabe zu finanzieren; in einer neuen Studie aus dem Herbst 2021 wird ein Fondsmodell nach Verursacherprinzip vorgeschlagen; in der Schweiz ist dies bereits etabliert. Auf europäischer Ebene ist eine Umweltqualitätsnorm UQN für das ubiquitäre Diclofenac vorgesehen, nach derzeitigen Berechnungen müssten die Hersteller 23% in einen solchen Fonds einspeisen.

Eine Verrechnung mit dem AbwAG (Abwasserabgabegesetz) ist unklar, vorstellbar ist eine Anreizwirkung über AbwAG über eine Novelle des Bundes, wie folgt:

• Spurenstoffabgabe (ca. 1,20 € pro Einwohner) und

• Verrechnung der Investition mit gesamter Abgabe aus 3 Jahren

Eine Neufassung könnte sich jedoch hinziehen.

Ein wesentlicher Kostenfaktor sind bei großen Kläranlagen insbesondere die laufenden Betriebskosten. Die Pilotanlage in Weißenburg (Ozon-Verfahren + Biofilter) hat zu einem Strommehrverbrauch von 23 % geführt. Insgesamt ergaben sich dort jährliche Mehrkosten pro Einwohner von ca. 18 Euro. Demgegenüber würde die Befreiung von der vom BMU zuletzt angestrebten Spurenstoffabgabe bei Nachrüstung einer 4.Reinigungsstufe lediglich eine Einsparung von ca. 1,20 Euro bewirken. Dies reicht nach Ansicht der Kommunalen Spitzenverbände als Anreiz nicht aus, dass die Kommunen derartige Zusatzkosten für Investition und Betrieb auf sich nehmen.

In Bayern ist zunächst vorgesehen, ab 2022 Vorhaben im Rahmen der RZWas auf der Grundlage von Einzelvereinbarungen mit umsetzungswilligen Kläranlagenbetreibern zu fördern. Für eine entsprechende Planung unter Berücksichtigung der verfügbaren Haushaltsmittel sind Zeit- und Kostenpläne zu den angestrebten Ausbaumaßnahmen erforderlich. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der Dringlichkeit im Hinblick auf die Kriterien der Ausbaurelevanz werden die Förderreihenfolge und sonstige Förderkriterien festzulegen sein.

Als Voraussetzung für die Förderfähigkeit ist die Machbarkeit im Einzelfall durch den Antragsteller plausibel darzulegen. Entsprechende Anforderungen wurden durch das LfU zusammengestellt. Die Eliminationsleistung soll in Übereinstimmung mit dem Referentenentwurf für eine AbwAG-Novelle min. 80 % betragen. Die relevanten Indikatorstoffe sind o.g. aufgeführt.

Die Gebührenfähigkeit für die zusätzlichen Kosten einer 4. Reinigungsstufe ist gegeben, wenn für das Vorhaben ein Stadtratsbeschluss als politische Willensbildung und eine Bewertung als sinnvolle Gewässerschutzmaßnahme durch das WWA vorliegt.

Ein Konzept für die weitere Konkretisierung/Priorisierung der Förderkandidaten und -bedingungen wird derzeit erarbeitet

 

 

Vorgehensweise in der Region Nürnberg:

 

Beim StMUV sind ab diesem Jahr Finanzmittel für die 4. Reinigungsstufe von 6 Mio €/Jahr vorhanden, welche jedoch für die Errichtung von 13 Anlagen bayernweit von den Vertretern der Städte als deutlich zu niedrig angesehen werden. Weiterhin verdeutlichen die vier ARGE-Entwässerungsbetriebe (ARBEITSGEMEINSCHAFT GEWÄSSERSCHUTZ OBERE REGNITZ), dass sie für die nächsten Schritte die Berechnungsgrundlagen der Förderhöhe sowie eine Zusage, dass die Pilotförderungen nicht schlechter gestellt als die Regelförderungen benötigen.

Herr Fitzthum (WWA Nürnberg) stellt in diesem Zusammenhang die zwingende Notwendigkeit dieser Einrichtungen dar, die sich unter anderem auch aus der Wassergewinnung im Bereich der Pegnitz/Regnitzgründe ergibt. Die Grundlage für eine Förderung solle entweder vom Bund über eine Anerkennung der Betriebskosten bei der Verrechnung mit der Abwasserabgabe (dort hat der maximal über drei Jahre verteilbare Ansatz von Investitionskosten bisher wenig Anreizwirkung für Investitionen in eine 4. Reinigungsstufe) oder über ein Programm im Rahmen der RZWas geschaffen werden.

Insgesamt wird festgestellt, dass die Finanzierung der Maßnahme im Moment der größte Unsicherheitsfaktor ist und hier eine klare Aussage seitens der Politik erfolgen muss, die unter anderem auch beinhalten muss, dass man bei Wahl der Förderung im Hinblick auf ggf. andere Kompensationsmöglichkeiten nicht schlechter gestellt wird. Die vier Städte werden im nächsten Schritt für ihre Anlagen ermitteln, in welchem Zeitraum eine 4. Reinigungsstufe nachgerüstet werden kann und mit welchem finanziellen Aufwand dies verbunden ist. Es ist vorgesehen, diese Zusammenstellung über die ARGE dem WWA-N zur Weiterleitung an das Ministerium zu übermitteln. Das WWA wird dann Erkundigungen beim StMUV einholen und in einer gesonderten Sitzung im April/Mai vortragen.

 

 

Kosten:

 

Für die Kläranlage Fürth werden nach grober Schätzung Kosten in Höhe von ca. 16 Mio.EUR veranschlagt.

 

 

 

 

 

Verfahrenstechnik:

 

Verfahrenstechnisch ist vorgesehen, das biologisch gereinigte Abwasser aus den Nachklärbecken über eine Feinstsiebung zunächst einer Ozonung zuzuführen und dann über ein nachgeschaltetes Adsorptionsverfahren, d.h. über einen biologisch aktivierten Aktivkohlefilter (BAK) zu führen. Eine derartige Anlage wurde bereits im Rahmen eines Pilotprojektes in Weißenburg gebaut und es liegen positive Betriebsergebnisse vor.

 

 

Zeitschiene:

 

Die Umsetzung der Maßnahme ist von einer grundsätzlichen Absichtserklärung des Stadtrats und von einer entsprechenden Förderung abhängig. Realistisch wäre dies frühestens ab 2026 machbar.

 

 

Fazit:

 

Der Bau- und Werkausschuss nimmt Kenntnis und stimmt der grundsätzlichen Absichtserklärung für den Bau einer 4. Reinigungsstufe, vorbehaltlich einer Förderung, zu.

 


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

 

nein

X

ja

Gesamtkosten

16.000.000,00 €

X

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

 

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag:

 


-Ausführungen IB Resch und Partner (wird nachgereicht)

-Kostenschätzung (wird nachgereicht)