Betreff
Blau-grüne Stadtentwicklung (Schwammstadt) - Maßnahmenvorschlag des Baureferats
Vorlage
SpA/1029/2022
Aktenzeichen
V-61-JS
Art
Beschlussvorlage - AL

Der Vortrag der Referentin dient zur Kenntnis.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, die konzeptionellen Grundlagen für die blau-grüne Stadtentwicklung fortzuführen und um die nachfolgend aufgeführten Punkte zu erweitern.

 

Folgende Maßnahmen sind soweit möglich kurzfristig umzusetzen (Sofortmaßnahmen) und dem BWA nach Prüfung bzw. Aufstellung zur Beschlussfassung vorzulegen:

(a) Überprüfung laufende Bauleitplanverfahren in Bezug auf die Berücksichtigung des Schwammstadtprinzips, 

(b) Aufstellung einer Freiflächengestaltungssatzung, inkl. Dachbegrünungen und

(c) Prüfung von zur Entsiegelung geeigneter Plätze und Bereiche.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, die Maßnahmenliste unter 4. sukzessive umzusetzen.


Im Integrierten Klimaschutzkonzept der Stadt Fürth wird die Maßnahme 3.12 „Fürth als Schwammstadt“ geführt. Das Baureferat hat daraus in Abstimmung mit Ref. III/OA den Handlungsauftrag insbesondere für die Ämter des Baureferats konkretisiert, mögliche Handlungsfelder und Maßnahmen geprüft und legt diese nun dem BWA und Stadtrat vor.

 

1.    Inhaltliche Einführung

 

Definition Schwammstadt

 

Der ursprüngliche Zweck von Regenwassersystemen bestand in der schnellen Ableitung der Niederschlagsabflüsse aus den Siedlungsgebieten. Sinnbildlich dafür sind Begriffe wie Niederschlagswasserbeseitigung und Regenentwässerung oder -entsorgung.  Durch die hohe Flächenversiegelung und die gezielte Ableitung von Niederschlagswasser mit ihrer punktuellen Einleitung in Gewässer kommt es durch den Klimawandel mit den langen Trockenwetterphasen begünstigt vermehrt zu lokalen Starkregenereignissen. Das Kanalnetz und die Kläranlage ist hierfür nicht ausgelegt und kann dafür auch nicht ausgelegt werden. Zusätzlich belasten urbane Hitzeinseln die Bevölkerung.

 

Ein modernes nachhaltiges Regenwassermanagement versucht sich auch begrifflich von dieser bisherigen Praxis abzusetzen. Begriffe wie Schwammstadt, wassersensible Stadtentwicklung, Stormwater Management, Best Management Practies, Substainable Urban Drainage (SUDs), Low Impact Development (LID), Water Sensitive Urban Design (WSUD) und BlueGreenSolution zielen alle auf den zentralen Oberbegriff des nachhaltiges Regenwassermanagements ab. Die Bestandteile des nachhaltigen Regenwassermanagements sind sowohl zentral als auch dezentrale oder naturnahe Regenwasserbewirtschaftungskonzepte. Das Regenwasser wird nicht vorrangig über Kanalsysteme abgeleitet, sondern vor Ort zurückgehalten, genutzt, verdunstet, versickert oder wenn überhaupt nötig gedrosselt und behandelt abgeleitet.  Durch die Kombination mit einer nachhaltigen Stadt- und Freiraumplanung kann die nachhaltige, sogenannte blau-grüne Stadtentwicklung erreicht werden. Eine Begrünung von Oberflächen (Dächern, Fassaden, Straßenzügen) fördert die Verdunstungskühlung und wirkt der Entstehung von Hitzeinseln entgegen. Über diese Anpassungsstrategie wird außerdem das Regenwasser zu großen Teilen in der Stadt zurückgehalten und nicht über Kanäle abgeführt. Die Schaffung von vielen kleinen Speicherräumen im Straßenraum und auf Dachflächen führt zur verzögerten und gedrosselten Ableitung eines Teils des Niederschlags und erhöht über die Bepflanzung zeitgleich die Verdunstung, um so das Stadtklima zu verbessern. Die Kanalisation und Kläranlage wird so entlastet.

 

Blau-grüne Stadtentwicklung

 

Nachhaltiges Regenwassermanagement ist so ein wesentlicher Bestandteil von Strategien zur Anpassung an den Klimawandel. Um durchschlagende Wirkung zu erzielen, wird darüber hinaus eine ganzheitliche Strategie in der Stadtentwicklung, Stadtplanung und Freiraumplanung benötigt.

 

So ist beispielsweise eine entsprechende städtebauliche Grundordnung im Quartier nötig, um optimale Regenwasserbewirtschaftung zu ermöglichen. Beispiele finden sich unter anderem in der als Anlage angefügten Broschüre auf den Seiten 30 ff., wobei auch zahlreiche weitere genannt werden können. In Deutschland sind in den vergangenen 20 Jahren bereits zahlreiche Quartiere entstanden, die derartige Lösungsansätze berücksichtigt haben. Ein frühes Beispiel ist das zur EXPO 2000 in Hannover realisierte Quartier Kronsberg, das mit 3000 Wohneinheiten städtebauliches Gewicht hat und dennoch das anfallende Regenwasser vor Ort vollständig versickert. Erreicht wird dies dort und in anderen Beispielen über offene Gräben in Verbindung mit Mulden und Rigolen, die über eine daraufhin orientierte Straßen- und Freiraumplanung ermöglicht werden.

 

Aber auch jenseits von ganzen Quartieren sind im Rahmen von Einzelbaumaßnahmen (Straßensanierungen, Platzgestaltungen, einzelne Bauvorhaben) Bausteine anzuwenden, die als Beiträge zur blau-grünen Stadtentwicklung dienen.

 

 

2.    Analytische und konzeptionelle Grundlagen

Grundlage für derartige Ansätze ist das Wissen über die entscheidenden Parameter. Dazu zählt neben der Regenintensität zuvorderst die Bodenbeschaffenheit hinsichtlich der Versickerungsfähigkeit sowie das Wissen über die Geländemodellierung und daraus resultierende Abflüsse bei (Stark-)Regen. Teilweise liegen Daten vor, teilweise sind diese noch zu erstellen. So verfügt die Stadtentwässerung Fürth über eine Vielzahl an Regenmessern im Stadtgebiet. Durch die längeren Zeitreihen dieser Regenmesser können Veränderungen innerhalb der Stadt Fürth ermittelt werden.

 

Notwendige weitere Grundlagen:

Weiterhin kann das Umsetzungspotenzial dezentraler Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen in einem Bestandsgebiet mittels Geodaten in verschiedenen Karten dargestellt werden:

Regenwasserbewirtschaftungsartenkarte

 

Die „Regenwasserbewirtschaftungsartenkarte“ charakterisiert die naturräumlichen Voraussetzungen für eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung. Abhängig von geologischer, morphologischer, topographischer und bodenkundlicher Ausgangssituation wird die günstigste Bewirtschaftungsart vorgeschlagen. Diese reichen von der einfachen Flächenversickerung bis zu vernetzten und kombinierten Versickerungssystemen mit Grundwasserbewirtschaftung.

Karte des Abkopplungspotenzials

Zur Erstellung dieser Karte werden die Siedlungsstrukturen analysiert und hinsichtlich ihrer Potenziale zur Platzierung der Bewirtschaftungsmaßnahmen bewertet. Die Darstellung des Abkopplungspotenzials erfolgt in Prozent der vom Kanal abgeschlossenen Fläche.

Starkregenrisikomanagement / Starkregengefahrenkarte (bereits beschlossen mit Beschluss des Finanz- und Verwaltungsausschuss vom 25.10.2022)

 

Aufgrund der voranschreitenden Klimaerwärmung ist mit einer Zunahme extremer Niederschlagsereignisse zu rechnen.  Bei Starkregenereignissen handelt es sich um lokal begrenzte Regenereignisse mit großer Niederschlagsmenge und hoher Intensität. Sie sind meist von sehr geringer räumlicher Ausdehnung und kurzer Dauer (konvektive Niederschlagsereignisse) und stellen daher ein nur schwer zu kalkulierendes Überschwemmungsrisiko dar. Bedingt durch die hohen Niederschlagsintensitäten fließen große Anteile des Niederschlags oberirdisch ab und nutzen Wege, Straßen und Einschnitte im Gelände als Abflusswege. Aufgrund der zeitlich und räumlich hoch variablen Niederschlagsverteilung können potenziell alle Regionen von Starkregen betroffen sein.

 

Eine Starkregengefahrenkarte enthält Informationen zur Überflutungsausdehnung, Überflutungstiefe und zu Fließwegen und -geschwindigkeiten bei Starkregenereignissen. Sie soll die Lokalisierung von Bereichen des Stadtgebietes ermöglichen, in denen starkregenbedingte Überflutungen mit höherer Wahrscheinlichkeit auftreten werden. Durch ein Starkregenmanagement kann städtisches Handeln entsprechend ausgerichtet werden, z. B. für eine konkrete hochwasserangepasste Bauleitplanung, den Schutz vulnerabler Infrastrukturen (Krankenhäuser, Kindergärten, etc.), aber auch eine Sensibilisierung der Bürgerschaft kann gezielt stattfinden. Aus der Gefahrenkarte bzw. mit Hilfe des Starkregenrisikomanagements werden konkrete Maßnahmen erarbeitet, die auf eine wassersensible Stadtentwicklung Fürths zur Schwammstadt abzielen und dadurch präventiv wirken.

Ziel und Nutzen eines Starkregenrisikomanagements (u.a.):

·         Anpassung von Aktionen und Planungen

o    Bauliche Eingriffe und Anpassungen von Infrastrukturen

§  individueller Objektschutz

§  direkte Information Betroffener

o     Berücksichtigung ggf. über Hinweise/ Beratung bei Planungs-/ Genehmigungsverfahren (Bauleitplanung, Bauanträge)

o     und Einsatzpläne für Katastrophenschutz entwickeln und vorbereiten

 

 

3.    Bisherige Tätigkeiten der Verwaltung im Bereich der blau-grünen Stadtentwicklung

Auch ohne die Bezeichnung „Schwammstadt“ oder die Verwendung anderer Begriffe aus dieser Vorlage sind einzelne Aspekte der blau-grünen Stadtentwicklung bereits in vielen Fällen im Verwaltungshandeln verankert. Die Planung und Herstellung von Straßenbäumen, die Beratung von Bauherrn zu Gründächern, die Festsetzung von Dachbegrünung oder freizuhaltenden Flächen in Bebauungsplänen – zahlreiche Beispiele verdeutlichen, dass die Stadt Fürth bereits fachlich Lösungen berücksichtigt und umsetzt. Nichts desto trotz ist angesichts der sich zuspitzenden Klimasituation eine strategisch ausgerichtete Vorgehensweise in allen Bereichen der Stadtverwaltung notwendig, um den Belangen der Klimaanpassung Rechnung zu tragen. Das bedeutet für die Ämter des Baureferats (sowie auch Ämter anderer Referate) konkret die regelmäßige und grundsätzliche Berücksichtigung entsprechender technischer Konzepte sowie qualitativer Aspekte in Planungs- und Vergabeverfahren. Geeignete Maßnahmen sind im Folgenden zusammengestellt und sollen über den Beschluss durch den Stadtrat in die Umsetzung gelangen.

 

 

4.    Maßnahmen der blau-grünen Stadtentwicklung

Aufbauend auf den unter 1. dargestellten Aspekten der Schwammstadt werden im folgenden verschiedene Maßnahmen vorgestellt, die im Sinne der blau-grünen Stadtentwicklung einen Mehrwert für die Stadt Fürth bieten und vor dem Hintergrund der Klimaanpassung eine Notwendigkeit erhalten.

a.    Entsiegelungsmaßnahmen bei derzeit versiegelten Flächen

                                          i.    Entsiegelung öffentlicher und städtischer Flächen

1.    Straßenraum, städtische Plätze, Gehwege - z.B. über das Stockholmer Modell (Stadtplanungsamt und Tiefbauamt)

2.    Schulhöfe (GWF und Grünflächenamt)

                                         ii.    Entsiegelung privater Flächen

1.    Private Umbauten im Bestand (Förderprogramm, Amt für Umwelt, Ordnung und Verbraucherschutz)

2.    Forcierung niedriger Versiegelung bei privaten Bauvorhaben im Baugenehmigungsverfahren, auch mittels Satzungen (Bebauungspläne, Freiflächengestaltungssatzung, etc.); (Beratung Stadtplanungsamt, Genehmigung Bauaufsicht Fürth, Aufstellung der Satzungen im Baureferat)

 

b.    Versiegelungsarme Neuplanungen

                                          i.    Straßen, Wege, Plätze - z.B. über das Stockholmer Modell (Stadtplanungsamt, Tiefbauamt) – Entwicklung eines Standards

                                         ii.    Neubaugebiete, neu erschlossene Stadtbereiche (z.B. über Bebauungsplanung) (Stadtplanungsamt)

                                        iii.    Screening laufender Bebauungspläne in Aufstellung (Stadtplanungsamt mit Amt für Umwelt, Ordnung und Verbraucherschutz, Stadtentwässerung Fürth, Tiefbauamt) Untersuchung von in Aufstellung befindliche Bebauungspläne hinsichtlich den Festsetzungsmöglichkeiten bezüglich der Thematik Schwammstadt i.V.m. Starkregengefahren- /Regenwasserbewirtschaftungskarte

1.    Regenwassernutzung (Ableitung in Baumscheiben o.ä., Trennsystem mit Vorteilen)

 

c.     Wasserwirtschaft

                                          i.    Änderung der Kanalnetzregelung (von statisch zu dynamisch) (SteF)

                                         ii.    Nutzung von Kanälen

1.    Entwässerungskanäle der SteF

2.    Einsatz von Oberflächenwasserkanälen als Speicher für Pflanzenbewässerung

3.    Dezentrale Versickerung (Rigolen o.ä.)

 

d.    Dach- und Fassadenbegrünung

                                          i.    Öffentliche Gebäude (Regelung über Freiflächengestaltungssatzung, Gebäudewirtschaft Fürth)

                                         ii.    Private Gebäude - Regelung über Freiflächengestaltungssatzung (Stadtplanungsamt und Bauaufsicht) ggf. ergänzendes Förderprogramm (Amt für Umwelt, Ordnung und Verbraucherschutz)

 

e.    Vergabeverfahren, Wettbewerbe o.ä.

                                          i.    Städtische Baumaßnahmen (Hoch- oder Tiefbau) inkl. der entsprechenden Vergabe- und Wettbewerbsverfahren (Gebäudewirtschaft Fürth, Tiefbauamt)

                                         ii.    Städtebauliche und freiraumplanerische Wettbewerbe (Stadtplanungsamt, Grünflächenamt)

                                        iii.    Verkauf von Grundstücken über Konzeptvergabe (Liegenschaftsamt)

Einen Schwerpunkt bilden aus Sicht der Verwaltung die versiegelungsarmen städtischen Neuplanungen, die Regelung versiegelungsarmer privater Bauvorhaben sowie die wassersensible Bauleitplanung. Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, sämtliche laufenden Bebauungsplanverfahren mit Ausnahme vordringlicher Schulbaumaßnahmen einem Screening durch eine interdisziplinäre Projektgruppe innerhalb der Verwaltung zu unterziehen. Dieser sollen Vertreter aus Stadtplanungsamt, Klimaschutz, Tiefbauamt, Grünflächenamt, GWF und SteF angehören.

 


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

 

nein

X

ja

Gesamtkosten

Projektabhängig

 

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

X

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag: