Betreff
Zusammenfassung der IAB-Bilanz Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende – Strukturen – Prozesse – Wirkungen, Bielefeld 2013
Vorlage
SzA/094/2015
Art
Beschlussvorlage - AB

Der Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten nimmt die vom Referat für Soziales, Jugend und Kultur im Rahmen der Armutsdiskussion vorgelegte Zusammenfassung der IAB-Bilanz Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende, Strukturen – Prozesse – Wirkungen, Bielefeld 2013 zur Kenntnis.


Im Rahmen der Armutsdiskussion wurde von Referat IV/Stab-Planung eine Zusammenfassung der 379 Seiten umfassenden Bilanz des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende, Strukturen - Prozesse – Wirkungen, Bielefeld 2013 erstellt, die dem Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten hiermit zur Kenntnis gegeben wird und der Beschlussvorlage als Anlage (PDF, 27 Seiten) beigefügt ist.

 

Die Zusammenfassung gliedert sich nach einer Vorbemerkung in Anlehnung an die IAB-Bilanz Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende in folgende Abschnitte:

 

1.     Struktur, Dynamik und materielle Lage der Leistungsberechtigten

a)  Strukturdaten zu Bedarfsgemeinschaften und Leistungsberechtigten 2012

b)  Entwicklung des Bestandes in den Jahren 2005 bis 2011

c)  Entwicklung und Ursachen von Zu- und Abgängen in der Grundsicherung

d)  Die materielle Lage der Leistungsberechtigten

 

2.     Aktivierung und Betreuung

a)  Konzessionsbereitschaft und Aktivierungsansätze

b)  Sanktionen und ihre Folgen

c)    Beratung und Vermittlung in der Praxis

d)   Aktivierung und Lebensbewältigung

 

3.    Instrumente und ihre Wirkungen

a)   Maßnahmen zur Verbesserun der Eingliederungschancen

b)   Beschäftigungsförderung auf dem ersten Arbeitsmarkt

c)    Beschäftigung schaffende Maßnahmen

d)   Maßnahme-Sequenzen im SGB II

 

4.    Personen mit spezifischen Problemlagen am Arbeitsmarkt

a)   Jugendliche und junge Erwachsene im SGB II

b)   Frauen im SGB II

c)    Ältere Personen im SGB II

d)   Berufliche Rehabilitanden und Schwerbehinderte im SGB II

 

5.    Wie veränderte das SGB II den Arbeitsmarkt?

a)   Arbeitsmarktentwicklung 2009 bis 2012

b)   (Reform-)Effekte auf dem Arbeitsmarkt

c)    Atypische Beschäftigung und Niedriglohnbeschäftigung

d)   Übergänge in Beschäftigung

 

6.    Abschließendes Fazit durch das IAB

 

 

Abgesehen von zahlreichen Details in der Zusammenfassung bestehen die wichtigen Inhalte und Erkenntnisse in folgenden vier Punkten:

 

1.    Wenngleich die Wirkungen der vom Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung vom 09.02.2010 vor dem Hintergrund eines aus Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot nach Art.20 Abs.1 GG abgeleiteten Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eingeforderten und vom Gesetzgeber 2011 durch eine Neuberechnung der Regelsätze, die Bindung der Fortschreibung der Regelsätze an die Preis- und Lohnentwicklung und die Einführung eines Bildungs- und Teilhabepakets beschlossenen Neuregelung des SGB II bei der IAB-Studie weitgehend unberücksichtigt blieben, da das verwendete Datenmaterial nur bis maximal Mitte 2012 reicht, dürfte sich die materielle Lage von SGB-II- und SGB-XII-Empfänger/innen seit der Neuregelung 2011 verbessert haben, wie dies bereits auf Seite 26 der in der Stadt Fürth vom Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten in der Sitzung am 13.02.2014 behandelten Fortschreibung des örtlichen Armutsberichtes für die Jahre 2011 und 2012 festgestellt wurde. Dieser Trend hat sich 2013 und 2014 fortgesetzt, da der monatliche Eckregelsatz im Jahr 2013 von 374 € auf 382 € (+2,14 %) und im Jahr 2014 auf 391 € (+2,36 %) erhöht wurde. Wäre der monatliche Eckregelsatz weiterhin nach den Rentenanpassungen fortgeschrieben worden, hätten die Anpassungen im Jahr 2013 nur 0,25 % und im Jahr 2014 nur 1,67 % betragen. Außerdem wurden in der Stadt Fürth zum 01.07.2014 die Mietobergrenzen erhöht, die gegenüber der letzten Anhebung zum 01.04.2006 beispielsweise für einen Ein-Personen-Haushalt von 300 € auf 348 € im Monat (+16,1 %) und für einen Zwei-Personen-Haushalt von 365 € auf 431 € im Monat (+18,1 %) stiegen.

 

Trotz der verfassungskonformen Ausgestaltung der Leistungen und der damit eingetretenen Verbesserungen dürfte es aber bei den Befunden des IAB geblieben sein, dass partielle Versorgungsdefizite bei der Winterbekleidung, durch feuchte Böden und Wände und durch Verzug bei der Zahlung der Miete auftreten, es den Leistungsberechtigten nur in relativ geringem Umfang gelingt, einen festen Betrag im Monat zu sparen und Rücklagen für Ersatzbeschaffungen  zu bilden, und sich außerdem ein größerer Teil der Kinder im SGB II keine einwöchige Urlaubsreise im Jahr leisten kann. Die Aussagen des IAB zur Lebenslage von Kindern und Familien sind schon deshalb von Relevanz, weil Kinder, und darunter vor allem Kinder von Alleinerziehenden, im Vergleich zur Gesamtheit und zu anderen Altersgruppen überproportional stark Leistungen nach dem SGB II beziehen.

 

2.    Während sich bei dem im SGB II seit 2005 vorgegebenen Ziel der Existenzsicherung durch die vom  Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung vom 09,02.2010 und die  2011 vom Gesetzgeber vollzogene  Neuregelung durchaus Verbesserungen abzeichnen, sind die Erkenntnisse des IAB in Bezug auf das gesetzliche Ziel, die Bedürftigkeit durch Vermittlung in Arbeit zu überwinden, eher ernüchternd, weil erwerbsfähige SGB-II-Empfänger/innen zu etwa 70 % mindestens ein Vermittlungshemmnis (z.B. fehlender Schul- und Berufsabschluss, mangelnde Sprachkenntnisse, gesundheitliche Beeinträchtigungen Alter, unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten) aufweisen und sich die Erwerbsformen seit 1991 erheblich verändert haben.

 

Verfügten 1991 von 37,056 Millionen Erwerbstätigen noch 71,5 % über die Standarderwerbsformen selbstständiger Arbeitgeber (4,4 %) und unbefristete Beschäftigung mit mehr als 31 Wochenstunden (67,1 %), waren 2011 von 39,869 Millionen Erwerbstätigen nur noch 57,7 % in den Standarderwerbsformen selbstständiger Arbeitgeber (4,7 %) und unbefristete Beschäftigung mit mehr als 31 Wochenstunden (52,9 %) tätig. Gleichzeitig war der Anteil atypischer Erwerbsformen wie Teilzeitbeschäftigung mit weniger als 31 Wochenstunden, geringfügige Beschäftigung, befristete Beschäftigung mit mehr als 31 Wochenstunden, Leiharbeit mit mehr als 31 Wochenstunden und Ein-Personen-Selbstständige von 21,5 % im Jahr 1991 auf 29,7 % im Jahr 2011 gestiegen (vgl. auch die als Anlage beigefügte Zusammenfassung, S.24f.).

 

Vor diesem Hintergrund liegt die Chance für SGB-II-Empfänger/innen, einen Arbeitsplatz zu finden, ohne Vermittlungshemmnisse lediglich bei 23,4 % und reduziert sich mit jedem Vermittlungshemmnis um die Hälfte bis sie bei vier und mehr Vermittlungshemmnissen gegen Null tendiert. Außerdem führen die weit verbreitenden Vermittlungshemmnisse dazu, dass für SGB-II-Empfänger/innen überproportional nur atypische Beschäftigungen in Frage kommen, die entweder instabil (befristet) oder nicht bedarfsdeckend sind (geringfügige Beschäftigung), womit wiederum das Problem des ergänzenden Leistungsbezugs bei Erwerbstätigkeit zusammenhängt, von dem knapp 30 % aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im SGB II betroffen waren.

 

Zur Verbesserung der Chancen auf eine Arbeitsmarktintegration sah das SGB II von Anfang an eine Reihe von Eingliederungsmaßnahmen vor (z.B. Vermittlungsgutscheine, Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber, Arbeitsgelegenheiten nach der Mehraufwandsvariante unter den Voraussetzungen der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses sowie Arbeitsgelegenheiten nach der Entgeltvariante auch in erwerbswirtschaftlichen Beschäftigungsfeldern), die vom IAB auf ihre Wirksamkeit untersucht wurden. Dabei stellte das IAB fest, dass vor allem betriebliche Maßnahmen und vollqualifizierende Ausbildungsverhältnisse zu einer dauerhaften Integration in den Arbeitsmarkt führten, wie sie in den Arbeitsmarkt- und Eingliederungsprogrammen des Jobcenter Fürth/Stadt seit 2011 im Rahmen der begrenzten Eingliederungsmittel des Bundes auch schwerpunktmäßig befürwortet und praktiziert wurden.

 

3.    Durch die Beschreibung des IAB im Abschnitt über die Arbeitsmarktentwicklung 2009 bis 2012, dass  die Langzeitarbeitslosigkeit von 1,72 Millionen Personen im Jahr 2007 auf jeweils etwa 1 Million Personen in den Jahren 2010 bis 2012 zurückging, dieser Rückgang aber weniger auf einen Abbau des Bestandes an Langzeitarbeitslosen zurückzuführen, sondern ein Ergebnis rückläufiger Zugänge an Langzeitarbeitslosen war, wird auch deutlich,  dass die Arbeitsmarktreformen wohl in erster Linie im Bereich des SGB III Beschäftigungswirkungen entfalteten, weil sich Arbeitslose dort seit der Reform sofort nach Eingang einer Kündigung bei den Arbeitsagenturen melden müssen, die Leistungsdauer des Arbeitslosengeldes I in der Regel auf ein Jahr begrenzt ist und anschließend bei Bedürftigkeit die Überweisung in den Rechtskreis des SGB II oder bei Nichtbedürftigkeit wegen zu hoher Einkommen und Vermögen der Verweis auf die Privatvorsorge erfolgt. Außerdem stehen die nach Kündigungen im SGB III auftauchenden Arbeitslosen aufgrund ihrer vorangegangenen Erwerbstätigkeit viel näher am Arbeitsmarkt als Langzeitarbeitslose nach dem SGB II, was die Vermittlung erleichtert.

 

Da der Anteil der Arbeitslosen im SGB II an allen Arbeitslosen im Jahr 2009 erstmals seit Einführung der Grundsicherung im Jahr 2005 gesunken war, aber durch die konjunkturelle Erholung in den Jahren 2011 und 2012 wieder auf knapp 70 Prozent aller Arbeitslosen stieg, erklärt das IAB in der Studie Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende auch, dass der steigende Anteil eher arbeitsmarktferner Personen an den Arbeitslosen andeutet, dass es in Zukunft noch schwieriger werden dürfte, die Profile der Arbeitslosen mit den Anforderungen der Betriebe in Einklang zu bringen, und vor allem die Gruppe der Langzeitarbeitslosen die größten Probleme bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt habe. Insofern stellen die drei Anträge des Jobcenters Fürth/Stadt auf Fördermittel aus Bundes- und Landesprogrammen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit wichtige Schritte dar, um die Eingliederungschancen von Langzeitarbeitslosen auch vor Ort zu erhöhen.

 

4.    Während zur Bekämpfung der bestehenden und nicht unerheblichen Langzeitarbeitslosigkeit durch Förderprogramme des Bundes und der Länder seit 2014 Maßnahmen initiiert wurden, spielen allgemeine und spezifische Maßnahmen zur prophylaktischen Reduzierung der Arbeitsmarkt- und Existenzsicherungsrisiken für die demografisch nachrückende Generation der Kinder in der öffentlichen Diskussion noch keine größere Rolle, wobei der Trend, dass die Anforderungen des Arbeitsmarktes seit den 1980er Jahren permanent gestiegen sind und in Zukunft durch die Wissens- und Informationsgesellschaft noch weiter steigen werden, eigentlich nicht zu übersehen ist.

 

 Entgegengewirkt kann den in Zukunft weiter steigenden Anforderungen des Arbeitsmarktes nur durch eine Anhebung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus, weil nicht oder zu gering qualifizierte Kinder in Zukunft ebenso schwer eine existenzsichernde Arbeit oder Erwerbstätigkeit finden werden, wie dies bereits heute bei nicht oder zu gering qualifizierten Erwachsenen aller Altersgruppen der Fall ist.

 

 Mit dem Projekt TANDEM gibt es zwar in der Stadt Fürth einen Ansatz, die Arbeitsmarkt- und Existenzsicherungsrisiken auch prophylaktisch für die nachrückende Generation der Kinder zu reduzieren. Hier sollte aber einmal über zusätzliche und alle relevanten Bereiche umfassende Maßnahmen, Abstimmungs- und Organisationsschritte nachgedacht werden, da wir in der Stadt Fürth nicht nur 42  Familien und 81 Kinder haben, die aktuell von TANDEM betreut werden, sondern Ende 2014 insgesamt 2.678 unter 15-Jährige hatten, die im SGB II festhingen und zu rund 70 % in Haushalten lebten, wo die Erwachsenen nicht oder zu gering qualifiziert waren und deshalb Probleme hatten, existenzsichernde oder überhaupt Arbeit zu finden. Außerdem müssten sich auch Bund und Länder noch viel stärker mit Fragen der prophylaktischen Reduzierung der Arbeitsmarkt- und Existenzsicherungsrisiken für die demografisch nachrückende Generation der Kinder befassen, ihre Politik entsprechend ausrichten und vielleicht auch begleitende flächendeckende Förder- und Unterstützungsprogramme auflegen, da Maßnahmen zur prophylaktischen Reduzierung der Arbeitsmarkt- und Existenzsicherungsrisiken für die demografisch nachrückende Generation der Kinder nicht nur einzelne Kommunen, sondern die gesamte Bundesrepublik Deutschland betreffen.

 

Zahlreiche weitere Details zu den Strukturen, Prozessen und Wirkungen des SGB II können der als Anlage beigefügten Zusammenfassung der IAB-Bilanz Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende (PDF, 27 Seiten) entnommen werden.

 

Zur Beschlussfassung wird vorgeschlagen, die Zusammenfassung zur Kenntnis zu nehmen.


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

x

nein

 

ja

Gesamtkosten

     

 

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

x

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag:

 


Zusammenfassung der IAB-Bilanz Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende, Strukturen – Prozesse – Wirkungen, Bielefeld 2013 durch Ref.IV/Stab-Pl (PDF, 27 Seiten)