Betreff
Weitere Schritte der "Fairtrade-Stadt" Fürth
Vorlage
OA/194/2016
Aktenzeichen
III/OA/U
Art
Beschlussvorlage - AB

1.    Die Verwaltung wird beauftragt, die Titelerneuerung der Stadt Fürth als „Fairtrade-Stadt“ im Jahr 2018 anzustreben.

 

2.    Neben der hierzu erforderlichen Beibehaltung des Status quo ist auch die Erfüllung weitergehender Ziele zu verfolgen, soweit rechtlich, personell und finanziell leistbar. Als weitergehende Ziele sind denkbar

 

·      Verstärkte Implementierung des Fairtrade-Gedankens in der Verwaltung, insbes. auch im Beschaffungswesen, bei städt. Veranstaltungen oder beim Wochenmarkt.

 

·      Verstärkung und offensivere Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit, z.B. durch Internetauftritt, Stadtzeitung, Flyer, Teilnahme an Messen und Veranstaltungen, etc.

 

·      Ausbau der Kontaktpflege zu den bestehenden Kooperationspartnern und Gewinnung weiterer Partner, z.B. Schulen (Stichwort „Fairtrade-Schule“), Vision Fürth (insbes. wegen Veranstaltungen), Vereine, Kirchen, etc.

 

3.    Die Dienststellen der Stadtverwaltung und die Beteiligungen der Stadt Fürth sind aufgerufen, bei der Verwirklichung dieser Ziele aktiv mitzuarbeiten.

 

4.    Die Anstrengungen der Verwaltung sind jährlich in einem Fairtrade-Bericht zu dokumentieren, der jeweils zum Ende eines Kalenderjahres (erstmals im Dezember 2016) dem Umweltausschuss zur Kenntnis gegeben wird.

 


Die Stadt Fürth wurde am 11.02.2016 in einer Festveranstaltung im Grüner Brauhaus als „Fairtrade-Stadt“ ausgezeichnet. Diese Auszeichnung konnte nur erreicht werden durch eine intensive Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und einer Vielzahl von Kooperationspartnern sowie ehrenamtlich tätigen Personen. Die Stadt Fürth ist die 21. Kommune in der Metropolregion und die 396. in Deutschland, welche dieses immer begehrter werdende Siegel erhalten hat. Mit der offiziellen Urkundenübergabe fiel gleichzeitig der Startschuss, in zwei Jahren die Kriterien für die anzustrebende Titelerneuerung zu erfüllen. Das OA wurde beauftragt, insoweit die städtischen Aktivitäten zu koordinieren und die Kontakte zu den außerhalb der Verwaltung stehenden Kooperationspartnern zu pflegen.

 

 

Um was es geht:

 

Unter fairem Handel (engl. fair trade) wird ein kontrollierter Handel bezeichnet, bei dem den Erzeugern für die gehandelten Produkte festgelegte Mindestlöhne bezahlt werden und somit ein verlässliches Einkommen ermöglicht wird. Damit soll, im Besonderen unter Einhaltung umweltrelevanter Kriterien und gerechten Sozialstandards, eine langfristige und partnerschaftliche Beziehung zwischen Erzeugern und Händlern aufgebaut werden.

 

Die ersten Fair Trade Organisationen gründeten sich in den 1940iger Jahren in Nordamerika und entstanden im kirchlichen Umfeld. Die Produkte kamen zu Beginn fast ausschließlich aus dem Handwerk, das von aus Jute hergestellten Produkten bis zu Stickarbeiten reichte. Diese ersten Schritte im fairen Handel waren aber eher im Wohltätigkeitsbereich angesiedelt und hatten noch nicht die welthandelspolitische Dimension wie heute. Der erste Fair Trade Shop wurde 1958 in den USA eröffnet.

Die europäische Fairhandelsbewegung wurde in den 1960iger Jahre gebildet. Im Folgenden entwickelten sich Ideale des Fairen Handels, wonach der Preis mit den tatsächlichen Kosten direkt verbunden sein muss und wonach alle Hersteller Anspruch auf fairen und gleichen Zugang zu den Weltmärkten haben müssen. 1968 hat die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) den Slogan „trade not aid“ (dt.: „Handel statt Hilfe“) anerkannt und die Betonung auf die Etablierung der Fairhandelsbeziehungen mit den Entwicklungsländern gelegt.

 

In den 1970er Jahren eröffneten auch in Deutschland erste Läden, welche Produkte anboten, die in „unterentwickelten Regionen“ hergestellt wurden. Die Mehrheit der angebotenen Produkte stammte anfangs auch weiterhin aus dem Handwerk. Erst 1973 dann wurde der erste fair gehandelte Kaffee in den Niederlanden und auch in Deutschland verkauft.

 

 

Die vier internationalen Dach- und Fachorganisationen des fairen Handels FLO, IFAT, News! und EFTA – als informeller Arbeitskreis FINE agierend – einigten sich 2001 auf folgende Definitionen des Fairen Handels:

„Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzenten und Arbeiter, leistet der Faire Handel einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung.“

 

Im Einzelnen:

 

-        Fairer Handel bedeutet Strategien zu schaffen, die Linderung von Armut bringt und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung für wirtschaftlich Benachteiligte beiträgt. Er soll Chancen für die Produzenten/Hersteller schaffen, die vom bestehenden Handelssystem an den „Rand“ gedrängt worden sind.

-        Fairer Handel soll die Produzenten unabhängiger machen und sie befähigen, sich auf dem Markt zu behaupten. Er bedeutet transparente Geschäftsführung und kommerzielle Beziehungen, die fair und respektvoll mit Handelspartner umgehen.

-        Fairer Handel will, dass die Zahlung eines fairen Preises für ein erzeugtes Produkt im Dialog zwischen den Handelspartnern festgelegt werden soll und unabhängig von den Schwankungen der Weltmarktpreise die Produktionskosten decken, die Existenz der Produzenten sichern, sozial gerecht sein und eine umweltverträgliche Produktion ermöglichen.

-        Fairer Handel macht möglich, dass Vorfinanzierungen oder Prämien gewährt werden, damit die Bauern oder Arbeiter gemeinschaftliche Projekte zur langfristigen Verbesserung ihrer Situation umsetzen können.

-        Fairer Handel hebt besonders die sozial verträglichen Arbeitsbedingungen hervor. Das Arbeitsumfeld muss sicher und gesundheitsverträglich sein, die Ausbeutung von Menschen, also Kinder- und Sklavenarbeit, ist verboten, Frauen werden für ihren Beitrag im Herstellungsprozess angemessen bezahlt und innerhalb ihrer Organisation gestärkt. Gewerkschaftsfreiheit muss gegeben sein.

 

 

Zu den traditionell fair gehandelten Produkten zählen noch immer Erzeugnisse aus der Landwirtschaft, wie zum Beispiel Kaffee, Tee, Bananen, getrocknetes Obst, Schokolade, Kakao, Honig, Nüsse, Öle, Reis und Wein. Das Angebot fairer Produkte weitet sich zunehmend aus, inzwischen können beispielsweise auch fair gehandelte Kosmetika, Blumen, Textilien, Bälle oder sogar Gold erworben werden.

 

Um einen Eindruck der Ausdehnung von Fairem Handel zu bekommen, ist es hilfreich, sich einige Zahlen und Fakten der ‚Erfolgsgeschichte’ des Fairen Handels vor Augen zu führen: Der weltweite Absatz von gekennzeichneten Fair Trade Produkten wurde für 2005 auf 1,1 Mrd. € geschätzt. Am Jahresende 2005 gab es 510 Produzentenorganisationen aus mehr als 50 Ländern, die über eine Million Produzenten repräsentieren; damit waren – zusammen mit ihren Familien – über 5 Million Menschen allein auf der Produzentenseite in das System des fairen Handels integriert.

Das Wachstum des fairen Handels von 1999 bis 2005 wird in der folgenden Tabelle illustriert (neuere Zahlen konnten nicht recherchiert werden, jedoch ist  - insbes. durch die zunehmende Beteiligung von Supermarktketten im fairen Handel - von einem weiter anhaltenden, starken Wachstum auszugehen).

 

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Vergleich des Volumens aller verkaufter Fair Trade Produkte im Ländervergleich, in Millionen Euro (Quelle: Max Havelaar, 2006/FLO).

 

 

Fair gehandelte Produkte gibt es mittlerweile an 79.000 Verkaufsstellen in Europa, von denen 55.000 Supermärkte sind. In Europa sind über 2.800 Weltläden und 200 Organisationen, die fair gehandelte Produkte importieren.

 

Fairtrade ist somit nicht nur ein bewährtes und hervorragendes Beispiel für den Nachhaltigkeitsgedanken auch im Sinne der Agenda21 „Global Denken - lokal Handeln!“, dem fairtrade-Gedanken kommt zunehmend auch eine besondere wirtschaftliche Bedeutung zu.

 

 

Fairer Handel in Fürth

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Die Stadt Fürth war bereits seit einiger Zeit bestrebt, Fairtrade-Stadt zu werden und so wurde nach Beschluss des Stadtrates vom 27.06.2012 unter Federführung des Bürgermeister-und Presseamtes eine Steuerungsgruppe ins Leben gerufen.

Seit 2012 arbeitete diese Steuerungsgruppe, zu deren Teilnehmerkreis Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Gastronomie, Vereinen und Gesellschaft zählten, in akribischer Kleinarbeit, umfangreichen Diskussionen und unermüdlicher Überzeugungsarbeit auf dieses Ziel hin.

 

Für die Größe der Stadt Fürth hieß das zu erreichende Ziel, dass u.a. aktuell 37 Einzelhändler und 24 Gastronomen im Stadtgebiet faire Artikel in ihrem Sortiment anbieten müssen. Ende 2015 dann waren alle Voraussetzungen erfüllt und es konnte der Antrag auf Zertifizierung als Fairtrade-Stadt gestellt werden.

 

Seit dem 11.02.2016 nun ist die Stadt Fürth zertifiziert und darf sich Fairtrade-Stadt Fürth nennen. In einem feierlichen Akt wurde die Stadt als 21. Kommune in der Metropolregion und 396. in Deutschland vom Vorstand der Entwicklungshilfeorganisation Transfair e.V. ausgezeichnet.

 

Mit dieser Zertifizierung ist für die Stadt Fürth auch der Auftrag verbunden, das Thema fairtrade in die Gesellschaft zu tragen und den fairtrade-Gedanken auch in der Verwaltung weitergehend zu verankern.

Das Amt für Umwelt, Ordnung und Verbraucherschutz wurde beauftragt, sich innerhalb der Verwaltung der Angelegenheiten der Fairtrade-Stadt Fürth federführend anzunehmen und alle weiteren Maßnahmen zu koordinieren.

 

Nachhaltigkeit ist vielschichtig

 

Fairtrade in einer Stadt geht deutlich über die unmittelbaren Handlungsmöglichkeiten einer Kommune hinaus, jedoch können auch in der Stadtverwaltung selbst in den verschiedensten Bereichen die Ziele des fairen Handels umgesetzt werden.

 

Neben der Titelerneuerung 2018 (also dem Halten des Status quo bei der Zielerfüllung) ist das vorrangige Ziel, den fairtrade-Gedanken in der gesamten Stadtverwaltung zu implementieren. Eine große Bedeutung kommt insoweit dem Beschaffungswesen zu. Kommunen sind heute bedeutende Abnehmer der verschiedensten Produktgruppen, von Büromöbeln über Bürobedarf bis hin zu Berufsbekleidung, weiteren Arbeitsmitteln (z.B. Baumaterialien) oder auch IT. Es muss daher geprüft werden, in wie weit das Beschaffungswesen der Stadt Fürth an den Kriterien von Nachhaltigkeit und des fairen Handels ausgerichtet werden kann, um nicht die sozialen und ökologischen Missstände in den Wertschöpfungsketten vieler Produkte weiter zu befördern.

 

Das Thema Beschaffung umfasst auch „Randbereiche“ wie z.B. die „Bewirtung“ bei Sitzungen, Seminaren oder Besprechungen in der Stadtverwaltung. Es sollte selbstverständlich sein, dass – sofern bei solchen Anlässen Getränke gereicht werden – fair gehandelter Kaffee, Tee oder Säfte zum Ausschank kommen. Der Stadt Fürth kommt hierbei eine Vorreiterrolle zu: Eine konsequente Verwendung von fairtrade-Getränken im eigenen Haus schafft eine verbesserte Argumentationsgrundlage bei der Gewinnung weiterer Gastronomiebetriebe für den fairen Handel.

 

Weiterhin soll geprüft werden, ob und ggf. inwieweit fairtrade-Produkte bei städtischen Veranstaltungen (z.B. auch bei Kirchweihen) oder auf dem Wochenmarkt angeboten werden können, sei es auf freiwilliger Basis oder gar durch entsprechende rechtliche Vorgaben der Stadt Fürth. In diesem Zusammenhang darf bereits darauf hingewiesen werden, dass beim diesjährigen Stadtwaldfest am 04.09.2016 fair gehandelter Kaffee ausgeschenkt wird.

 

Durch eine geeignete Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Fürth soll nicht nur offensiv über die städtischen fairtrade-Bemühungen informiert, sondern vor allem auch aktiv für den fairtrade-Gedanken geworben werden. Wichtiger Baustein ist dabei das für die Stadt Fürth personalisierte fairtrade-Logo, welches neben dem Namen der Stadt auch mit Rathaus, Stadttheater und Kirche St. Michael markante Gebäude der Stadt als stilisierte Silhouette zeigen. In Abstimmung mit dem Bürgermeister- und Presseamt der Stadt muss geklärt werden, wie dieses Logo auf städtischen Publikationen oder auch im Schriftverkehr der Stadt Fürth zum Einsatz kommen kann. Weitere Bausteine werden ein Internetauftritt, Veröffentlichungen in der Stadtzeitung, die Erstellung von Informationsflyern oder evtl. auch die Mitwirkung bei Veranstaltungen oder Messen sein.

 

Fairtrade ist keine Angelegenheit, welche die Stadtverwaltung alleine stemmen kann. Die Stadt Fürth ist daher weiterhin darauf angewiesen, dass eine Vielzahl von Organisationen und ehrenamtlich Tätigen sich ebenfalls dieses Themas annehmen und aktiv an der Umsetzung der Ziele mitwirken. Neben der Kontaktpflege zu den bereits in den Prozess integrierten Kooperationspartnern ist die Gewinnung weiterer Partner von besonderer Bedeutung, um weitere Gesellschaftsbereiche für das Thema zu sensibilisieren. Als potentielle neue Kooperationspartner sind denkbar:

 

·         Vision Fürth als Ansprechpartner für Veranstaltungen in der Stadt Fürth mit vielen weiteren Verbindungen zur Wirtschaft und zur Gastronomie,

·         Schulen (Ziel ist dabei, möglichst eine große Fürther Schule als „fairtrade-Schule“ zu gewinnen),

·         Kirchen und kirchliche Einrichtungen,

·         Gewerbe (insbes. Handel, Gastronomie und Kinos),

·         weitere Vereine und Verbände.

 

Dieser Prozess wird begleitet und mitgestaltet durch eine Steuerungsgruppe. Mit dem Eine-Welt-Laden Fürth wurde die konstituierende Sitzung der Steuerungsgruppe bereits vorbesprochen; die Terminfindung für diese Sitzung, welche noch vor der Sommerpause stattfinden soll, läuft derzeit. Die Sitzungen werden jeweils nach Bedarf einberufen, angestrebt sind jedoch mindestens zwei Treffen im Jahr. Aufgabenbezogen ist auch die Einberufung von Arbeitsgruppen denkbar, zu welchen weitere Mitglieder, z.B. auch entsprechende Fachleute der Stadtverwaltung, hinzugezogen werden können.

 

Der Fortgang des fairtrade-Prozesses in der Stadt Fürth soll durch einen jährlichen fairtrade-Bericht dokumentiert werden, welcher jeweils zum Jahresende den politischen Entscheidungsgremien vorgelegt wird. Durch dieses transparente Berichtswesen sollen die Tätigkeit der Steuerungsgruppe dargestellt sowie ein umfassender Überblick über den Stand der Zielerreichung für die Titelerneuerung und die weitergehenden Ziele und deren Umsetzung gegeben werden. Den politischen Entscheidungsträgern wird damit eine wichtige Datenbasis für das Projektcontrolling und die Projektsteuerung an die Hand gegeben.

 

Fairtrade ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, welche auch innerhalb einer Stadtverwaltung die verschiedensten Bereiche anspricht. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung weiterer Ziele wird daher sein, die weitreichende Bedeutung der Angelegenheit anzunehmen und diesen Prozess auch aktiv und konstruktiv begleiten zu wollen, sei es durch (themenbezogene) Mitwirkung weiterer Dienststellen und ggf. auch städt. Beteiligungen in der Steuerungsgruppe oder ggf. auch die Umsetzung weiterer „fairtrade-Ziele“. Der Umweltausschuss ruft daher alle Dienststellen und städtische Beteiligungen auf, aktiv bei der Verwirklichung der Ziele mitzuarbeiten.

 


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

 

nein

X

ja

Gesamtkosten

     

 

nein

X

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

 

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag: