Der Bau- und Werkausschuss nimmt Kenntnis und stimmt der grundsätzlichen Absichtserklärung für den Bau einer 4. Reinigungsstufe, vorbehaltlich einer Förderung, zu.
Kläranlage Fürth -
Vierte Reinigungsstufe - Erläuterungsbericht
Anlass:
In den Oberflächengewässern und teilweise sogar im Grund- und Trinkwasser werden seit Jahren – auch aufgrund verfeinerter Analysetechniken – zunehmend sogenannte Mikroverunreinigungen nachgewiesen. Dabei handelt es sich um sogenannte anthropogene Spurenstoffe wie Arzneimittelrückstände, Pflanzenschutzmittel, Biozide oder spezifische Industriechemikalien wie per- und polyfluorierte Verbindungen.
Da die meisten
Mikroverunreinigungen künstlich hergestellt sind und in der Natur nicht
vorkommen, gelingt es den an der Abwasserreinigung beteiligten Mikroorganismen
oftmals nicht oder nur eingeschränkt, die Substanzen adäquat abzubauen oder zu
eliminieren.
Die Stoffe sind teilweise auch
krebserregend und haben beträchtliche Folgen für unsere Gesundheit und die
aquatische Umwelt, insbesondere die Reproduktionsbiologie.
FAKTENCHECK CHEMIKALIEN:
- In
der Literatur beschrieben: ca. 85 Millionen verschiedene Chemikalien
- In
Europa auf dem Markt: (Europ. Inventory of Commercial Chemical Substances)
ca. 100.000 verschiedene Chemikalien
- davon
Produktionsvolumen > 1.000 t/a: ca. 5000 verschiedene Chemikalien
- Arzneimittelverbrauch
in Deutschland: ca. 30.000 t/p.a.
Die EU-einheitliche Regelung zur
Beurteilung der Gewässergüte beurteilt den Chemischen Zustand in gut oder
schlecht. Dabei sind insbesondere Prioritäre bzw. prioritär gefährliche Stoffe
nach WRRL Art. 16, Anhang X, d.h. „Stoffe, die ein erhebliches Risiko für bzw.
durch die aquatische Umwelt darstellen“ ausschlaggebend.
Die RiLi 2008/105/EG sieht
Umweltqualitätsnormen, d.h. Grenzwerte für 33 prioritäre Stoffe vor. In
Deutschland erfolgt die Umsetzung in Anlage 7 der
Oberflächengewässerverordnung.
Zur Bewertung des ökologischen
Zustands werden Flussgebietsspezifische Schadstoffe (nach WRRL Anhang VIII)
ebenfalls in der Oberflächengewässerverordnung definiert. Das sind derzeit 162
Stoffe.
Spurenstoffstrategie Bayern:
Das Bayerische Staatsministerium
für Umwelt und Verbraucherschutz hat eine „Spurenstoffstrategie Bayern“
entwickelt und zunächst eine Stoffflussmodellierung der Belastung bayerischen
Gewässer durchgeführt. Ziel war das Erfassen der Belastungssituation von
Mikroverunreinigungen und die Ermittlung des Handlungsbedarfs für kommunale
Kläranlagen
Über das Stoffflussmodell wurden in
Bayern 90 Kläranlagen identifiziert, die mit einer Vierten Reinigungsstufe
ausgestattet werden sollen. Investitionsbedarf für 90 KA: ca . 700 Mio.
Die Relevanzkriterien dabei sind:
Ausbaugröße, Klarwasseranteil und Wasserversorgung.
Als Schwerpunktregionen wurden die
Ballungsräume Nürnberg, Augsburg, München, das Main Einzugsgebiet und das
Bodenseeeinzugsgebiet ermittelt.
Die Anlagen der 4 ARGE-Städte
Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach sind dabei unter den „Top 13“.
Ziele:
Das definierte Reinigungsziel
(entsprechend AbwAG Entwurf) ist dabei:
• Eliminationsleistung mindestens 80 %
• 6 Indikatorstoffe (ausgewählt aus: Carbamazepin, Clarithromycin,
Diclofenac, Hydrochlorothiazid, Irbesartan, Metoprolol, Sulfamethoxazol,
Benzotriazol und 4/5 Methylbenzotriazol)
Förderung/Finanzierung:
Zunächst sind Pilotförderungen,
später dann eine Regelförderung vorgesehen.
Nach wie vor ist die Finanzierung
nicht klar geregelt. Der BDEW hatte Überlegungen der derzeit laufenden
Koalitionsverhandlungen kritisiert, die Kosten für die Spurenstoffentfernung
über die Abwasserabgabe zu finanzieren; in einer neuen Studie aus dem Herbst
2021 wird ein Fondsmodell nach Verursacherprinzip vorgeschlagen; in der Schweiz
ist dies bereits etabliert. Auf europäischer Ebene ist eine Umweltqualitätsnorm
UQN für das ubiquitäre Diclofenac vorgesehen, nach derzeitigen Berechnungen
müssten die Hersteller 23% in einen solchen Fonds einspeisen.
Eine Verrechnung mit dem AbwAG
(Abwasserabgabegesetz) ist unklar, vorstellbar ist eine Anreizwirkung über
AbwAG über eine Novelle des Bundes, wie folgt:
• Spurenstoffabgabe (ca. 1,20 € pro
Einwohner) und
• Verrechnung der Investition mit
gesamter Abgabe aus 3 Jahren
Eine Neufassung könnte sich jedoch
hinziehen.
Ein wesentlicher Kostenfaktor sind
bei großen Kläranlagen insbesondere die laufenden Betriebskosten. Die
Pilotanlage in Weißenburg (Ozon-Verfahren + Biofilter) hat zu einem
Strommehrverbrauch von 23 % geführt. Insgesamt ergaben sich dort jährliche
Mehrkosten pro Einwohner von ca. 18 Euro. Demgegenüber würde die Befreiung von
der vom BMU zuletzt angestrebten Spurenstoffabgabe bei Nachrüstung einer
4.Reinigungsstufe lediglich eine Einsparung von ca. 1,20 Euro bewirken. Dies
reicht nach Ansicht der Kommunalen Spitzenverbände als Anreiz nicht aus, dass
die Kommunen derartige Zusatzkosten für Investition und Betrieb auf sich
nehmen.
In Bayern ist zunächst vorgesehen,
ab 2022 Vorhaben im Rahmen der RZWas auf der Grundlage von Einzelvereinbarungen
mit umsetzungswilligen Kläranlagenbetreibern zu fördern. Für eine entsprechende
Planung unter Berücksichtigung der verfügbaren Haushaltsmittel sind Zeit- und
Kostenpläne zu den angestrebten Ausbaumaßnahmen erforderlich. Auf dieser
Grundlage und unter Berücksichtigung der Dringlichkeit im Hinblick auf die
Kriterien der Ausbaurelevanz werden die Förderreihenfolge und sonstige
Förderkriterien festzulegen sein.
Als Voraussetzung für die
Förderfähigkeit ist die Machbarkeit im Einzelfall durch den Antragsteller
plausibel darzulegen. Entsprechende Anforderungen wurden durch das LfU
zusammengestellt. Die Eliminationsleistung soll in Übereinstimmung mit dem
Referentenentwurf für eine AbwAG-Novelle min. 80 % betragen. Die relevanten
Indikatorstoffe sind o.g. aufgeführt.
Die Gebührenfähigkeit für die
zusätzlichen Kosten einer 4. Reinigungsstufe ist gegeben, wenn für das Vorhaben
ein Stadtratsbeschluss als politische Willensbildung und eine Bewertung als
sinnvolle Gewässerschutzmaßnahme durch das WWA vorliegt.
Ein Konzept für die weitere
Konkretisierung/Priorisierung der Förderkandidaten und -bedingungen wird derzeit
erarbeitet
Vorgehensweise in der Region Nürnberg:
Beim StMUV sind ab diesem Jahr Finanzmittel für die 4. Reinigungsstufe von 6 Mio €/Jahr vorhanden, welche jedoch für die Errichtung von 13 Anlagen bayernweit von den Vertretern der Städte als deutlich zu niedrig angesehen werden. Weiterhin verdeutlichen die vier ARGE-Entwässerungsbetriebe (ARBEITSGEMEINSCHAFT GEWÄSSERSCHUTZ OBERE REGNITZ), dass sie für die nächsten Schritte die Berechnungsgrundlagen der Förderhöhe sowie eine Zusage, dass die Pilotförderungen nicht schlechter gestellt als die Regelförderungen benötigen.
Herr Fitzthum (WWA Nürnberg) stellt
in diesem Zusammenhang die zwingende Notwendigkeit dieser Einrichtungen dar,
die sich unter anderem auch aus der Wassergewinnung im Bereich der Pegnitz/Regnitzgründe
ergibt. Die Grundlage für eine Förderung solle entweder vom Bund über eine
Anerkennung der Betriebskosten bei der Verrechnung mit der Abwasserabgabe (dort
hat der maximal über drei Jahre verteilbare Ansatz von Investitionskosten
bisher wenig Anreizwirkung für Investitionen in eine 4. Reinigungsstufe) oder
über ein Programm im Rahmen der RZWas geschaffen werden.
Insgesamt wird festgestellt, dass
die Finanzierung der Maßnahme im Moment der größte Unsicherheitsfaktor ist und
hier eine klare Aussage seitens der Politik erfolgen muss, die unter anderem
auch beinhalten muss, dass man bei Wahl der Förderung im Hinblick auf ggf.
andere Kompensationsmöglichkeiten nicht schlechter gestellt wird. Die vier
Städte werden im nächsten Schritt für ihre Anlagen ermitteln, in welchem
Zeitraum eine 4. Reinigungsstufe nachgerüstet werden kann und mit welchem
finanziellen Aufwand dies verbunden ist. Es ist vorgesehen, diese
Zusammenstellung über die ARGE dem WWA-N zur Weiterleitung an das Ministerium
zu übermitteln. Das WWA wird dann Erkundigungen beim StMUV einholen und in
einer gesonderten Sitzung im April/Mai vortragen.
Kosten:
Für die Kläranlage Fürth werden nach grober Schätzung Kosten in Höhe von ca. 16 Mio.EUR veranschlagt.
Verfahrenstechnik:
Verfahrenstechnisch ist vorgesehen, das biologisch gereinigte Abwasser aus den Nachklärbecken über eine Feinstsiebung zunächst einer Ozonung zuzuführen und dann über ein nachgeschaltetes Adsorptionsverfahren, d.h. über einen biologisch aktivierten Aktivkohlefilter (BAK) zu führen. Eine derartige Anlage wurde bereits im Rahmen eines Pilotprojektes in Weißenburg gebaut und es liegen positive Betriebsergebnisse vor.
Zeitschiene:
Die Umsetzung der Maßnahme ist von einer grundsätzlichen Absichtserklärung des Stadtrats und von einer entsprechenden Förderung abhängig. Realistisch wäre dies frühestens ab 2026 machbar.
Fazit:
Der Bau- und Werkausschuss nimmt Kenntnis und stimmt der grundsätzlichen Absichtserklärung für den Bau einer 4. Reinigungsstufe, vorbehaltlich einer Förderung, zu.
Finanzierung:
Finanzielle
Auswirkungen |
jährliche
Folgelasten |
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nein |
X |
ja |
Gesamtkosten |
16.000.000,00 € € |
X |
nein |
|
ja |
€ |
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Veranschlagung
im Haushalt |
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nein |
|
ja |
Hst.
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Budget-Nr. |
im |
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Vwhh |
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Vmhh |
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wenn
nein, Deckungsvorschlag: |
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-Ausführungen IB Resch und Partner (wird nachgereicht)
-Kostenschätzung (wird nachgereicht)