Betreff
Starkregenrisikomanagement für die Stadt Fürth
Vorlage
OA/0545/2022
Aktenzeichen
III/OA/U-ZUF
Art
Beschlussvorlage - SB
Untergeordnete Vorlage(n)

Der Umweltausschuss empfiehlt / der Finanz- und Verwaltungsausschuss beschließt die Verwaltung mit der Beantragung von Fördermitteln für ein Starkregenrisikomanagement in der Stadt Fürth zu beauftragen.

Vorbehaltlich der Gewährung der Fördermittel werden zur Durchführung des Vorhabens überplanmäßige Mittel von max. 400.000 € zur Verfügung gestellt und die Verwaltung mit der Ausschreibung der Leistungen beauftragt.

 


0.    Vorbemerkung

Die deutschlandweiten Extremwetterereignisse der letzten Jahre haben auf drastische Weise gezeigt, welche katastrophalen Auswirkungen Starkregenereignisse auch hierzulande haben können. Diese Extremereignisse sind eine Gefahr für Menschenleben, verursachen aber auch immense finanzielle Schäden. Laut neuester Studien[1] haben die Extremwetterereignisse der vergangenen Jahre und insbesondere die Hochwasserkatastrophe von 2021 in Deutschland Schäden in Höhe von insgesamt 80 Milliarden Euro verursacht, darunter natürlich auch Schäden an Gebäuden und Infrastruktur. Allein die Folgekosten der Sturzfluten und Überschwemmungen im Juli 2021 summieren sich auf mehr als 40 Milliarden Euro, private Haushalte waren in Höhe von 14 Milliarden Euro betroffen, das Bauwesen mit 6,9 Mrd., Verkehrsinfrastrukturen mit 6,8 Mrd. und Industrie und Gewerbe mit 5,0 Mrd. Euro.

 

  1. Hintergrund

 

Um für einen solchen Extremfall auch in Fürth vorzusorgen ist eine dementsprechende Vorbereitung im öffentlichen sowie im privaten Raum zwingend notwendig. Eine hochwasserangepasste Planung und Umsetzung bzw. Maßnahmen für eine wassersensible Stadtentwicklung bei neuen Baugebietsentwicklungen in der Stadt Fürth werden bereits verstärkt im Planungsprozess berücksichtigt, wie z.B. im Neubaugebiet Dambach-West/Reichsbodenfeld. Maßnahmen sind ebenfalls im Bestand notwendig – z.B. bei bebauten Gebieten oder landwirtschaftlich genutzten Flächen. Das im Dezember 2021 beschlossene Integrierte Klimaschutzkonzept der Stadt Fürth greift diese Herausforderung ebenfalls in der Sofortmaßnahme „3.13. Erarbeitung von Starkregengefahrenkarten“ auf. Eine Umsetzung der Maßnahme im Sinne eines Starkregenrisikomanagements, unter der Voraussetzung der Bewilligung entsprechender Fördermittel, ist nun Gegenstand der vorliegenden Ausführungen.

 

Bereits im Vorfeld konnte sich eine verwaltungsinterne Umsetzungsgruppe, u.a. mit Vertretungen aus Amt für Umwelt, Ordnung und Verbraucherschutz (OA), Tiefbauamt (TfA), Amt für Brand- und Katastrophenschutz (ABK), Stadtplanungsamt (SpA), Stadtentwässerung (StEF), etc., zu diesem Thema austauschen. Informationen wurden geteilt und aktuelle Maßnahmen, Kenntnisse und Entwicklungen abgeglichen, z.B. zu zurückliegenden Ereignissen in Atzenhof, dem nun anstehenden Sturzflutmanagement im Einzugsgebiet der Farrnbach, derzeitige Vermessungen des Kanalnetzes sowie die verfügbaren Geodaten bei der Stadt. Selbstverständlich können diese Erkenntnisse für die Erarbeitung eins Starkregenrisikomanagements herangezogen werden.

 

Viele Kommunen gehen beim Thema Sturzflut/Starkregen bereits mit gutem Beispiel voran: In Baden-Württemberg bieten ein Leitfaden sowie die Plattform „Regina Stark“[2] umfangreiche Hilfestellungen für Kommunen, um das Starkregenrisikomanagement dort zu verankern. Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln veröffentlichen umfassende Informationen für Bürger*innen zum Thema Starkregen und Sturzfluten inkl. einer Starkregengefahrenkarte[3]. Auch die Fürther Nachbarkommunen befinden sich derzeit in ähnlichen Abwägungsprozessen zur Einführung eines Starkregenrisikomanagements und beabsichtigen dementsprechend ihre Vorsorgemaßnahmen auszubauen. Die Landesebene intensiviert ebenfalls die Bestrebungen, das Thema Starkregengefahrenmanagement im kommunalen Bereich zu verankern. So wird derzeit für Bayern eine „Hinweiskarte Oberflächenabfluss und Sturzflut“ (HiOS) erarbeitet, die den Kommunen als erste grobe Gefahreneinschätzung dienen kann. Das bis Ende 2021 laufende „Sonderprogramm Sturzflutmanagement“ (RZWas 2019) wurde verlängert. Erkenntnisse aus diesem Sonderprogramm werden als Hilfestellungen für bayerische Kommunen im Rahmen eines Muster-Leistungsverzeichnisses sowie Kompakt-Informationen für den derzeitigen Prozess zur Verfügung gestellt.

 

Neben der Vorsorge für Starkregenereignisse sollten auch weiterhin Bestrebungen im Rahmen naturnaher Entwässerungskonzepte (Mulden-, Rigolensysteme usw.) unter gewöhnlichen Bemessungsniederschlägen bereits dem vorsorgenden Hochwasserschutz und einem nachhaltigen Umgang mit Regenwasser Rechnung getragen werden. Auf die Broschüre mit Praxisbeispielen des StMUV von 2020 „Wassersensible Siedlungsentwicklung -Empfehlungen für ein zukunftsfähiges und klimaangepasstes Regenwassermanagement in Bayern“ wird verwiesen.

 

2.    Begriffe und Bedeutung

Aufgrund der voranschreitenden Klimaerwärmung ist mit einer Zunahme extremer Niederschlagsereignisse zu rechnen. Bei Starkregenereignissen handelt es sich um lokal begrenzte Regenereignisse mit großer Niederschlagsmenge und hoher Intensität. Sie sind meist von sehr geringer räumlicher Ausdehnung und kurzer Dauer (konvektive Niederschlagsereignisse) und stellen daher ein nur schwer zu kalkulierendes Überschwemmungsrisiko dar. Die Gefahrenkarten enthalten Informationen zur Überflutungsausdehnung, Überflutungstiefe und zu Fließwegen und -geschwindigkeiten.

 

Aufgrund der zeitlich und räumlich hoch variablen Niederschlagsverteilung können potenziell alle Regionen von Starkregen betroffen sein. Bedingt durch die hohen Niederschlagsintensitäten fließen große Anteile des Niederschlags oberirdisch ab und nutzen Wege, Straßen und Einschnitte im Gelände als Abflusswege. Von Überflutungen können auch Grundstückseigentümer*innen betroffen sein, die nicht in der Nähe eines Gewässers wohnen. Gefahren durch Starkregen stellen eine große Herausforderung vor allem für Kommunen, aber auch für Eigentümer*innen von öffentlichen und privaten Gebäuden oder Betreiber von Infrastrukturanlagen dar. Eine Kommune muss Ihre Bürger*innen nicht nur in akuten Gefahrensituationen Hilfe bieten; auch präventive Maßnahmen zur Vorbeugung gilt es im Blick zu behalten und nach dem „Vorsorgeprinzip“ zu handeln. Eine Starkregengefahrenkarte inkl. eines entsprechenden Risikomanagements ermöglicht es, vorbeugenden Maßnahme – z.B. hinsichtlich einer wassersensiblen Siedlungsentwicklung - zielgerichtet anzugehen.

 

3.    Mehrwert

Eine Starkregengefahrenkarte soll die Lokalisierung von Bereichen des Stadtgebietes ermöglichen, in denen starkregenbedingte Überflutungen mit höherer Wahrscheinlichkeit auftreten werden. Durch ein Starkregenmanagement kann städtisches Handeln entsprechend ausgerichtet werden, z.B. für den Schutz vulnerabler Infrastrukturen (Krankenhäuser, Kindergärten, etc.); eine hochwasserangepasste Bauleitplanung aber auch eine Sensibilisierung der Bürgerschaft kann dadurch gezielt stattfinden.

 

Ziel und Nutzen eines Starkregenrisikomanagements:

·         Risiko- und Gefahrenvorsorge

o    Potenzielle Überflutungsgefährdungen darstellen und dabei natürliche Gefahren und geographische Gegebenheiten richtig einordnen

o    Potenzielle Schäden abschätzen und bewerten

o    Schäden für Mensch, Umwelt und Infrastruktur durch geeignete Vorsorgemaßnahmen vermeiden oder verringern

o    Fähigkeiten im Umgang mit den Folgen des Klimawandels stärken

o    Sensibilisierung der kommunalen Vertretungen, des Katastrophenschutzes und der privaten Grundstückseigentümer*innen

·         Anpassung von Aktionen und Planungen

o     Bauliche Eingriffe und Anpassungen von Infrastrukturen

§  individueller Objektschutz

§  direkte Information Betroffener

o     Berücksichtigung ggf. über Hinweise/ Beratung bei Planungs-/ Genehmigungsverfahren (Bauleitplanung, Bauanträge)

o     Ortssteckbriefe und Einsatzpläne für Katastrophenschutz entwickeln und vorbereiten

 

 

4.    Kostenabschätzung und Finanzierungsvorschlag 

Die geschätzten Gesamtkosten für die Erstellung einer Starkregengefahrenkarte für die Stadt Fürth inkl. eines Risikomanagements belaufen sich auf circa 250.000 bis 400.000 Euro. Zur Co-Finanzierung wird eine Förderung durch Landesmittel angestrebt. Das Vorhaben soll vorbehaltlich der Bereitstellung der Fördermittel durchgeführt werden. Die Förderung Wasserwirtschaftlicher Vorhaben (sh. Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben - RZWas 2021) beinhaltet die entsprechende Bezuschussung eines Sturzflut- bzw. Starkregenrisikomanagements. Die mögliche Förderung beläuft auf 75 % der Gesamtkosten des Vorhabens, höchstens jedoch 150.000 Euro (Deckelung).

 

5.    Voraussichtlicher Zeitplan

Nach den erforderlichen Gremienbeschlüssen können die entsprechenden Unterlagen beim Fördermittelgeber eingereicht werden. Die Bewilligung der Mittel kann sich über einige Monate erstrecken. Dennoch wird der Start des Vergabeverfahrens möglichst noch zum Ende des Jahres beabsichtigt. Die Durchführung des Starkregenrisikomanagements wird dann bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen und demnach voraussichtlich Ende 2024/ Anfang 2025 abgeschlossen sein. Die organisatorische Betreuung des Vorhabens liegt beim Amt für Umwelt, Ordnung und Verbraucherschutz. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der betroffenen Ämter ist sowohl bei der inhaltlichen Erarbeitung als auch bei der Umsetzung notwendig.

 

 

6.    Inhalte eines Starkregenrisikomanagements

Das Starkregenrisikomanagement soll das gesamte Stadtgebiet betrachten und angrenzende Anschlussgebiete benachbarter Kommunen berücksichtigen, die für eine Abflussakkumulation relevant sind.

 

Das Starkregenrisikomanagement soll bestenfalls folgende Schritte umfassen:

  1. Bestandsanalyse

o  Welche Gefahren sind von vergangenen Ereignissen bereits bekannt?

  1. Gefahrenermittlung

o  Was kann bei verschiedenen Niederschlagszenarien wo passieren?

  1. Gefahren- und Risikobeurteilung

o  Was darf wo nicht passieren bzw. was darf wo nicht zugelassen werden?

  1. Konzeptionelle Maßnahmenentwicklung

o  Welche Maßnahmen sollen von wem umgesetzt werden?

  1. Integrale Strategie

o  Wie wirken sich diese Maßnahmen auf die Risikosituation aus?

  1. Beteiligung und Öffentlichkeitsarbeit

o  Wie und an wen kommuniziere ich, um auf den Extremfall vorbereitet zu sein?

Die Bestandsanalyse dient dazu, bereits bekanntes Wissen über Gefahren und vergangene Ereignisse zu erheben, sammeln und aufzubereiten. Auf dieser Basis und mit der weitergehenden Analyse lokaler Gegebenheiten soll eine Ersteinschätzung zu Gefahren und Gefahrenstellen erfolgen. Gegenstand der Bestandsanalyse ist z. B. eine historische Analyse, die Analyse der Örtlichkeit sowie eine topografische Analyse. Obig genannte Kenntnisse, beispielsweise zum Sturzflutmanagement der Farrnbach oder auch der Vermessung des Kanalnetzes, werden in der Analyse berücksichtigt.

 

Die Gefahrenermittlung (auch Gefährdungsanalyse) umfasst durch Starkregen verursachte Überschwemmungen an Gewässern sowie die Überflutungen durch wild abfließendes Wasser bzw. Außengebietswasser einschließlich der damit einhergehenden Erosionsgefahr. Beide Szenarien sind als getrennte Lastfälle zu betrachten, aber im Einzugsgebiet der vorhandenen Gewässer auch auf die Möglichkeit einer kombinierten Wirkung hin zu beurteilen.

 

Ein weiterer Schritt ist die Gefahren- und Risikobeurteilung. Das Risiko ergibt sich aus der Kombination eines möglichen Schadens und der entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeit. Auf Basis der Gefahrenermittlung mit verschiedenen Szenarien (Eintrittswahrscheinlichkeiten) ist eine Risikobeurteilung durch die Verknüpfung mit einer vereinfachten Ermittlung des Schadenspotentials durchzuführen. Die Risikoanalyse ist jeweils für Hochwasser an Fließgewässern sowie für wild abfließendes Wasser, sowie ihrer möglichen Kombination zu ermitteln. Die Risikoanalyse wird für den öffentlichen Raum, öffentliche Infrastrukturen und kommunale Einrichtungen durchgeführt (kommunale Verantwortung). Das Konzept muss jedoch auch die privaten und gewerblichen Akteure – vor allem durch Informationsvorsorge - in die Lage versetzen, ihr individuelles Risiko einschätzen und geeignete Maßnahmen auf Grundlage des Handlungskonzepts ableiten zu können.

 

Bei der Maßnahmenentwicklung sind ortsspezifische und individuelle Maßnahmen aufbauend auf der Gefahren- und Risikobeurteilung unter Beteiligung aller relevanten Akteure zu entwickeln. Die Maßnahmen sollen nach den definierten Schutzzielen für Gewässer und für wild abfließendes Wasser im intensiven Austausch und Mitwirkung verschiedener Fachbereiche aufgestellt werden. Maßnahmensteckbriefe sind zu erstellen.

 

Bei der Erarbeitung sind diverse Stellen zu beteiligen. Neben den Vertretungen der Fachbereiche auch politische Gremien/Vertretungen, Wirtschaft und Gewerbe, die Land- und Forstwirtschaft sowie Bürger*innen und die allgemeine Öffentlichkeit. Ein Konzept zur Kommunikation und Information soll helfen, Dritte zur Umsetzung von Maßnahmen zu motivieren.

 

7.    Quellen:

BEN - Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit der Bayerischen Architektenkammer (2022): Vortrag und Unterlagen zum Thema Klimawandelanpassung und Starkregen vom 17.07.2022

LUBW - Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (2016): Leitfaden Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg

Prognos (2021): Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland

Regina Stark (o.J.): Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg; Link: https://reginastark.starkregengefahr.de

Stadtentwässerungsbetriebe Köln (o. J.): Starkregen und Sturzfluten; Link www.steb-koeln.de

 


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

 

nein

x

ja

Gesamtkosten

250.000-400.000

x

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

x

nein

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag:

Beantragung von überplanmäßigen Mitteln, eine teilweise Deckung ist über gewährte Fördermittel möglich