Betreff
Pflege in Fürth: Sachstand, Bedarfsentwicklung und Vorsorgemaßnahmen
Vorlage
SzA/0315/2024
Art
Beschlussvorlage - AL

Der Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten nimmt die Darstellung der aktuellen Pflegesituation und die erwartete Pflegebedarfsentwicklung im Stadtgebiet Fürth zur Kenntnis und befürwortet die von der Stadtverwaltung vorgesehenen Vorsorgemaßnahmen.


Das Sozialreferat betrachtet es als eine seiner zentralen Aufgaben, Herausforderungen in der kommunalen Daseinsvorsorge rechtzeitig zu erkennen, zu beobachten und im Rahmen seiner Zuständigkeit und seiner Möglichkeiten Lösungen und wirksame Maßnahmen zu entwickeln. Daher bearbeitet die Sozialverwaltung das Thema Pflege schon seit Längerem und hat in diesem Zusammenhang Initiativen in Gremien eingebracht (vgl. SzA/0276/2023 vom 08.03.24 in der Anlage).

Aufgrund dringlicher akuter Herausforderungen (Unterbringung Geflüchteter, Reorganisation des Sozialamtes u.a.) in Kombination mit Personalmangel konnten die vorgesehenen Maßnahmen jedoch nicht nach Zeitplan durchgeführt bzw. in Angriff genommen werden. Das Sozialreferat ist sich jedoch der möglichen Auswirkungen der Verzögerungen bewusst und will daher noch in 2024 nächste Schritte einleiten. Siehe dazu Abschnitt 3/Vorsorgemaßnahmen im Bereich Pflege.

 

 

1. Aktuelle Versorgungslage im Bereich Pflege im Stadtgebiet Fürth

Hinsichtlich des gegenwärtigen Angebots an vollstationären Pflegeplätzen, Tagespflegeplätzen, anderen Wohnformen (Betreutes Wohnen, Wohnprojekte usw.) sowie eingestreute Kurzzeitpflegeplätze mit Stand vom Januar 2024 wird auf die anliegende Übersicht verwiesen.

Ohne tagesaktuell mit den Betreibern der Einrichtungen abgeglichen zu haben, stehen im Stadtgebiet Fürth nachfolgend genannte Kapazitäten in Seniorenheimen, Tagespflegeeinrichtungen, Wohnangeboten etc. zur Verfügung:

·                Vollstationäre Pflege: 1.426 Plätze

·                Tagespflege: 118 Plätze

·                Kurzzeitpflege: Anzahl der Plätze kann nicht genau beziffert werden. Einrichtungen geben zwar an, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, Plätze „einzustreuen“, wie häufig das gelingt, kann kurzfristig nicht eruiert werden.

·                Zusatz: Betreutes Wohnen (Zimmer/Wohnungen): 476 (Wohnungsgröße nicht bekannt: es kann sich um Wohnungen für eine Person, zwei Personen oder ggf. um Wohngruppen handeln)

Bei den dargestellten Angaben handelt es sich um die maximal in den Einrichtungen zur Verfügung stehenden Plätze. In Anbetracht des Mangels an qualifiziertem Personal, Vorgaben hinsichtlich der Zimmergrößen oder aktuelle Instandsetzungs-/Sanierungsmaßnahmen ist mit Gewissheit davon auszugehen, dass die tatsächlich für eine Belegung zur Verfügung stehende Anzahl an Plätzen, insbesondere betreffend die vollstationäre Pflege, niedriger liegt.

Im Bereich der Innenstadt und der Südstadt ist eine gewisse Ballung von Einrichtungen erkennbar, die z.T. mit den langjährigen Standorten der Träger bzw. jüngeren städtebaulichen Entwicklungen in Verbindung steht. Ebenfalls ist festzustellen, dass – mit der Ausnahme Burgfarrnbach – in den Außenorten so gut wie keine Angebote zur Verfügung stehen.

 

2. Zukünftiger Pflegebedarf (Pflegebedarfsermittlung)

Kreisfreie Städte und Landkreise sind nach Art. 71 (ambulante Dienste), Art. 72 (teilstationäre Einrichtungen) und Art. 73 (vollstationäre Einrichtungen) des AGSGB des Freistaats Bayern zuständige Aufgabenträger nach Art. 69 AGSGB und damit verpflichtet, den längerfristigen Bedarf an Pflegeinrichtungen festzustellen. Die Stadt Fürth kam dieser Aufgabe durch eine Auftragsvergabe an das Institut Modus (Bamberg) zu einer Pflegebedarfsermittlung zum Stand 31.12.2016 und einer Pflegebedarfsprognose bis 2035 nach.

Die vom Institut Modus erstellte Pflegebedarfsprognose beruhte auf einer Bevölkerungs-prognose des Statistischen Amtes für Nürnberg und Fürth bis zum Jahr 2035, nach der die örtliche Bevölkerung

     in der für den ambulanten Pflegebereich relevanten Altersgruppe der über 65-Jährigen von 23.417 Personen im Jahr 2016 auf 27.737 Personen im Jahr 2025 (+18,45 %) und auf 32.240 Personen im Jahr 2035 (+37,64 %) steigen,

     in der für den teilstationären Pflegebereich (Kurzzeit- und Tagespflege) relevanten Altersgruppe der über 75-Jährigen von 11.966 Personen im Jahr 2016 auf 13.683 Personen im Jahr 2025 (+14,35 %) und auf 15.807 Personen im Jahr 2035 (+32,10 %) zunehmen

     und in der für den vollstationären Pflegebereich relevanten Altersgruppe der über 80-Jährigen von 6.347 Personen im Jahr 2016 auf 8.958 Personen im Jahr 2025 (+41,58 %) und auf 9.465 Personen im Jahr 2035 (+49,60 %) wachsen wird.

Dass der Pflegebedarf im ambulanten Bereich in den Jahren 2025 bis 2035 besonders stark ansteigen wird, hängt vor allem damit zusammen, dass alle Angehörigen der in der Bundesrepublik Deutschland geburtenstarken Jahrgänge 1958 bis 1967 („Baby-Boomer“ mit jeweils über 900.000 bzw. in den Jahren 1963 und 1964 sogar über 1 Million Lebendgeborenen) bis zum Jahr 2035 zur Altersgruppe der über 65-Jährigen gehören werden, die der Pflegebedarfsberechnung für den ambulanten Bereich zugrunde gelegt wurde.

 

Ähnliches gilt für den starken Anstieg des Pflegebedarfs im vollstationären Bereich in den Jahren bis 2025 und den weiteren abgeflachten Anstieg bis 2035, weil die noch geburtenstärkeren Jahrgänge 1934 bis 1942 und damit ein Großteil der auf einer noch geburtenstärkeren Elterngeneration (Geburtenjahrgänge vor 1914) beruhenden Elterngeneration der „Baby-Boomer“ ab 2022 komplett zur Altersgruppe der über 80-Jährigen gehören werden, die der Pflegebedarfsberechnung für den vollstationären Bereich zugrunde gelegt wurde.

 

 

Vollstationäre Pflegeplätze:

Tatsächlich hat sich der Bestand an vollstationären Pflegeplätzen zum 31.12.2016 zum Stand Januar 2024 nur unwesentlich auf 1.426 Plätze (+80 Plätze) erhöht. Unter Einbezug der Tatsache, dass unter den gegenwärtigen Voraussetzungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass die ermittelte Anzahl an vollstationären Pflegeplätzen überhaupt zur Verfügung steht sowie der Erkenntnis, dass gegenwärtig im Stadtgebiet – bis auf das ehemalige Stiftungsaltenheim – keine Erweiterungen bzw. Neubauten im Bereich der vollstationären Pflege in Aussicht stehen, wird der für das Jahr 2025 prognostizierte, minimale Pflegebedarf von 1.563 nicht gewährleistet sein. Rückmeldungen aus den Einrichtungen sowie durch den Pflegestützpunkt bestätigen, dass schon gegenwärtig die Nachfrage nach vollstationärer Pflege weit höher ist als das zur Verfügung stehende Angebot.

Tagespflege:

Bei den zur Verfügung stehenden Plätzen zur Tagespflege besteht ein über dem prognostiziertem Pflegebedarf liegendes Platzangebot. Auch hierzu liegen dem Referat IV bestätigende Meldungen aus Einrichtungen und dem Pflegestützpunkt vor.

Kurzzeitpflege:

Auch hier ist die Nachfrage weit höher als das Angebot. Kurzzeitpflege ist unter den aktuellen Finanzierungsbedingungen der Einrichtungen nicht hinreichend betriebswirtschaftlich abzubilden und organisatorisch mit Herausforderungen verbunden. Wie sich der Bestand an Kurzzeitpflegeplätzen seit 2016 entwickelte, ist nicht konkret feststellbar, da zwischenzeitlich nur noch „eingestreut“ wird. Infolge von Personalproblemen ist davon auszugehen, dass gegenwärtig weniger als 41 Kurzzeitpflegeplätze im Stadtgebiet zur Verfügung stehen.

Zusatz: Betreutes Wohnen (Wohnungen/Zimmer):

Weder war mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen die Wohnungsgröße und damit die Anzahl der Plätze im Betreuten Wohnen zu ermitteln noch die an den unterschiedlichen Standorten zur Verfügung stehenden Leistungen. Es sei darauf hingewiesen, dass es sich bei Betreutem Wohnen nicht um eine im Kontext von Pflegebedarfsprognosen einzubeziehende Größe handelt. Für Fragestellungen im Kontext der Schaffung von Kapazitäten entlang von Pflegebedarf spielen Erkenntnisse zum betreuten Wohnen nur eine geringe bis keine Rolle, da es sich rechtlich lediglich um einen eigenen Haushalt handelt, in der ein älterer Mensch lebt, der nicht bzw. nur in geringem Umfang pflegebedürftig ist und der ein vertraglich geregeltes Leistungsangebot in Anspruch nimmt.

 

3. Vorsorgemaßnahmen des Sozialreferats im Bereich Pflege

Nach der Übergabe des ehemaligen städtischen Altenpflegeheims an den Paritätischen Wohlfahrtsverband im Jahr 2022 ist die Stadt Fürth im Bereich Pflege operativ nur noch in zwei Bereichen aktiv: Gewährung einer begrenzenten Anzahl an jährlichen Zuschüssen (z.B. in der ambulanten Pflege) sowie durch den Betrieb des Pflegestützpunktes, der kompetente Fachberatung in allen Fragen rund um die Pflege von Betroffenen sowie An- und Zugehörigen leistet.

Um den Anforderungen und der Verantwortung für das Thema Pflege und die kommunale Daseinsvorsorge trotz weiterhin eng bemessener finanzieller und personeller Ressourcen gerecht zu werden, hat Referat IV entschieden, zunächst zwei Maßnahmen zu priorisieren und umzusetzen:

a)        Pflegestrukturplanung

Daseinsvorsorge braucht Daten. Daher gilt es zunächst, eine solide Pflegestrukturplanung zu etablieren, die Aufschluss gibt über die aktuelle Pflegesituation und den zukünftigem Pflegebedarf – aufgeschlüsselt nach Pflegesektoren bzw. Pflegeformen (vollstationär, Tagespflege, Kurzeitpflege, Betreutes Wohnen u.a.).

Eine zentrale Rolle bei der Pflegestrukturplanung kommt der neu zu besetzenden Sozialplanungsstelle im Referat IV zu. Die Stelle wird unter Anwendung moderner sozialempirischer Instrumente und unter Einbezug verfügbarer Datenbanken (z.B. pflegebedarf2050.bayern.de) eine valide Datengrundlage schaffen, die zweierlei ermöglicht: Erstens, eine granulare Pflegebedarfsprognose, die über die Aussagekraft des Modus-Gutachtens weit hinausgeht. Und zweitens, eine Grundlage zur Entscheidung über Maßnahmen zur Förderung bedarfsgerechter Pflegestrukturen in Fürth einschließlich der Grundlage für Entscheidungen über die Beantragung von Fördermitteln des Landes oder des Bundes.

b)        Bündnis für Pflege

Angesichts des eingeschränkten Handlungsspielraums der Stadtverwaltung setzt Referat IV auf die enge Zusammenarbeit mit den Akteuren der Pflegelandschaft, um gemeinsam im Verbund Verbesserungen in der Pflegeversorgung voranzubringen.

Der Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten hat in seiner Sitzung am 22.03.2023 bereits die Einrichtung eines Fürther Bündnisses für Pflege beschlossen. Ziel ist dabei, die gute Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf in Fürth zu unterstützen: Das neue Bündnis soll die Vernetzung der Pflegeakteure fördern, Ressourcen bündeln und Pflegeinnovationen fördern, um die Pflegelandschaft in Fürth insgesamt quantitativ und qualitativ weiterzuentwickeln. Zur Einrichtung einer Geschäftsstelle plant Referat IV Fördermittel über die Förderrichtlinie Gute Pflege in Bayern (Landesamt für Pflege) zu beantragen.

Offizieller Kick-off des neuen Bündnisses ist gelegentlich einer Fachveranstaltung des Pflegestützpunktes am 13.11.2024, die sich an professionelle Akteure der Fürther Pflege-landschaft wendet.

 


Finanzierung:

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

 

nein

x

ja

Gesamtkosten

     

 

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

 

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag:

 


Vorlage SzA-0276-2023 vom 08.03.23

Pflegeeinrichtungen im Stadtgebiet Fürth 2024 - Januar 2024