Der Vortrag der Referentin diente zur Kennntnis.
Die Auflassung des Fahrradschutzstreifens zugunsten von Parkplätzen wird abgelehnt.
Die Planungen zur leichteren Nutzung der stadtverträglichen Verkehrsmittel sind voranzutreiben (z. B. Fahrradabstellanlagen an umliegenden Haltestellen, Einrichtung eines Carsharing-Standortes im Bereich des Grundigparks, Ausbau des Weges zum Haltepunkt „Alte Veste“ mit Beschilderung und Beleuchtung).
Zudem wird die Verwaltung beauftragt zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, den Kauf von Wohnungen und Stellplätzen miteinander verbindlich zu koppeln, so dass die zu errichtenden Stellplätze auch von den späteren Wohnungseigentümern genutzt werden..
Im BWA am 19.09.2018 (TOP 3, SP-Nr. 140/218) wurde an die Verwaltung folgender Prüfauftrag erteilt:
Welche Folgen hätte es, wenn der
Fahrradschutzstreifen auf der der Wohnbebauung zugewandten Seite der Straße Am
Europakanal aufgelassen würde?
Was sind die Vorteile, was die Nachteile?
Dabei ist insbesondere auch der Aspekt der möglichen Rückerstattung von
Fördermitteln zu beachten.
Ausgangslage
Verkehrsbedeutung für den
Die Straße Am Europakanal hat eine Verkehrsbelastung von etwa 5.800 Fahrzeugen/24h auf. In der nachmittäglichen Spitzenstunde etwa 530 Kfz/h.
An Straßen in diesem Belastungsbereich sind gemäß den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 2006) Schutzstreifen empfohlen.
Im Zuge des abgeschlossenen Vorhabens Sanierung der „Graf-Stauffenberg-Brücke“ wurden 2015 Schutzstreifen für den Radverkehr in der Straße Am Europakanal von der Graf-Stauffenberg-Brücke bis zum Grundigpark und weiter in südöstlicher Richtung bis zur Fuggerstraße angelegt.
Die Schutzstreifen in südöstliche Richtung wurde im Rahmen des
Umleitungskonzeptes für die Sanierung der Graf-Stauffenberg-Brücke erstellt und
mit Zuschüssen aus dem GVFG finanziert. Die Schutzstreifen parallel zum Kanal
in nordwestliche Richtung wurden mit Bundeszuwendungen aus dem Klimaschutzprogramm
finanziert, mit dem u.a. Lückenschlüsse in Radverkehrsanlagen gefördert werden
können. Diese Zuschüsse beliefen sich auf 40% der förderfähigen Kosten.
Als Voraussetzung für die Anlage der Schutzstreifen wurde die zulässige
Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h auf übliche 50 km/h reduziert.
Inzwischen werden die Schutzstreifen von Radfahrern
gut angenommen. Entlang der Straße Am Europakanal wurden südlich der
Forsthausbrücke am 24.07.2018 insgesamt 415 Radfahrer gezählt. Im Vergleich zu
den Jahren vor Einrichtung der Schutzstreifen hat sich der Radverkehr dort mehr
als verdoppelt (ca. 220 %). Die Jahresmittelwerte, errechnet mit Hilfe von
normierten Jahresganglinien aus den „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA 2010) zeigt die nachfolgende Abbildung.
Selbst in den naturgemäß nachfrageschwächeren Wintermonaten sind 2018 mehr
Radfahrer dort unterwegs als 2012 und 2016 im Jahresmittel. Die Werte erreichen
sogar annähernd die der Spitzenmonate 2012.
Abb. 1: Entwicklung Radverkehr seit 2012
Fahrbahnbreite, Befahrbarkeit
Die Straße Am Europakanal weist eine Fahrbahnbreit von ca. 7,30 m auf. Somit ist der Begegnungsfall Lkw/Lkw, Lkw/Pkw/Rad und Rad/Pkw/Pkw/Rad möglich. Die Seitenräume weisen Breiten zwischen 1,80 m und 2,50 m auf. Auf der Seite des Grundigparks befinden sich auch die Leuchten, die den verfügbaren Raum punktuell einschränken.
Mit den heutigen Querschnittsmaßen ist ein sicheres und durchgängiges Befahren und Begehen für alle Verkehrsteilnehmergruppen (Fußgänger, Rad, Pkw, LKW, ggf. zukünftig Busse) möglich.
Abb. 2: Querschnittsgestaltung der Straße Am
Europakanal (Bestand)
Parkstände
vollständig auf der Fahrbahn
Durch eine
Entfernung des Schutzstreifens (Parken ist dort verboten) und Parken reduziert sich die verfügbare
Fahrbahnbreite auf nur noch 5,30 m. Eine Begegnung Lkw/Lkw ist somit nicht mehr
möglich. Auch das gleichzeitige Begegnen eines LKW mit Pkw und Rad sowie von
zwei Rädern und zwei Pkw wäre nicht mehr möglich. Da diese Situation auf Grund
der Kurvenlage und der Länge so nicht vorhersehbar ist, durch die parkenden
Fahrzeugen zudem kein Ausweichen möglich wäre, kann es dann zu gefährlichen
Situationen kommen. Ein Ausweichen auf den Gehweg gefährdet dort verkehrende
Passanten und würde diesen auch dauerhaft schädigen.
Abb. 3: Querschnittsgestaltung der Straße Am
Europakanal (Parken auf der Fahrbahn, Auflassung Schutzstreifen)
Parkstände
teilweise auf der Fahrbahn, teilweise auf dem Gehweg
Auch in diesem
Fall müsste der Schutzstreifen entfernt werden. Damit wäre ein begegnen Lkw/Lkw
möglich. Die verbleibende Seitenraumbreite würde für Fußgänger aber so stark
eingeschränkt (teilweise unter 80 cm,) dass ein Passieren nicht mehr möglich
ist.
Abb. 4: Querschnittsgestaltung der Straße Am
Europakanal (halbseitiges Gehwegparken, Auflassung Schutzstreifen)
Sicht
Die Zufahrt zum
Grundigpark befindet sich aus nordöstlicher Richtung im Bereich einer
langegezogenen Rechtskurve. Dadurch und durch die vorhandene Mauer wird die
Sicht einschränkt.
Die Zufahrt zum Wohngebiet Grundigpark ist ein Knotenpunkt. Aus Gründen der Verkehrssicherheit müssen Sichtfelder „von ständigen Sichthindernissen, parkenden Kraftfahrzeugen und sichtbehindernden Bewuchs freigehalten werden“ (RASt 06, 6.3.93) Parken ist dort somit nicht möglich.
•
Abb. 5: Sichtfelder im
Einmündungsbereich Grundigpark / Am Europakanal Abb.
6: Straßenverlauf im Bereich der
Einmündung Grundigpark
Erschließung
Durchgängige, sichere und attraktive Fuß- und Radverkehrsanlagen sind eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung dieser stadtverträglichen Verkehrsmittel. Nicht nur für die Nutzer längs der Straße Am Europakanal, sondern auch für die Bewohner des Grundigparks sind solche Anlagen für die Erreichbarkeit von Einrichtungen des täglichen Bedarfs (z. B. Haltestellen) oder zu Freizeitzwecken zu Fuß oder mit dem Rad wichtig
Kosten
Die Entfernung der Schutzstreifen ist erforderlich, da auf Schutzstreifen nicht geparkt werden darf (Anl. 23. Lfd. Nr. 22 zu § 42 StVO) . Das Demarkieren der Schutzstreifen verursacht Kosten. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Fördermittel ganz oder teilweise zurückgefordert werden, da die Anlage ihren ursprünglich zugedachten Zweck nicht mehr erfüllen kann.
Außenwirkung
Die Stadt Fürth möchte in den Kreis der fahrradfreundlichen Kommunen (AGFK) aufgenommen werden. Zudem wird seitens der Verwaltung der politischer Wunsch absolut unterstützt, den Radverkehrsanteil deutlich zu erhöhen. Eine Aufgabe der Verkehrsanlage würde beiden Zielen widersprechen und auch eine äußerst problematische Außenwirkung haben.
Zudem würde bei Verwirklichung dieses Ansinnens weitere Wünsche in ähnlicher Weise auf den Plan rufen, so dass durch diesen „Domino-Effekt“ die jahrelange mühsame Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur zunichte gemacht würde.
Vorhandene Pkw-Abstellmöglichkeiten und
deren Nutzung
Auf Grund des Prüfauftrags wurde der vermeintlich hohe Parkdruck und dessen Ursachen näher untersucht.
Im Grundigpark
stehen insgesamt 241 Stellplätze zur
Verfügung, davon
43 Parkständelätze auf öffentlichem Grund;
54 Stellplätze als privater Carport/ Garage/ Stellplatz am Haus,
144 als Tiefgaragenstellplätze.
Bei derzeit 204 zugelassenen Fahrzeugen ergeben sich somit pro Kfz ca., 1,2 Stellplätze.
Damit diese
Rechnung aufgeht, müssen die privaten Stellplätze aber auch genutzt werden.
Abb. 7: Gegenüberstellung: zugelassene Kfz und
vorhandene Stellplätze
Demnach wären
ausreichend Abstellmöglichkeiten im Gebiet vorhanden. Bei einer Begehung in den
Abendstunden wurde jedoch festgestellt, dass ein Großteil der Stellplätze in
der Tiefgarage nicht genutzt wurden, während der öffentliche Raum auch an den
Stellen, an denen nicht geparkt werden darf (u. a. wegen Feuerwehr, Müllabfuhr,
An- und Abfahrt zu den Stellplätzen) Fahrzeug abgestellt waren.
Auf der eigenen Website des Wohngebietes „Grundigpark“ (siehe Anlage) wird diese Beobachtung bestätigt. Dort werden die Bewohner aufgerufen, ihre angemieteten bzw. privaten Stellplätze zu nutzen, anstatt den Straßenraum zuzuparken. („Bewohner die einen Stellplatz zur Verfügung haben (Eigentum oder Miete) werden gebeten diesen zu nutzen und nicht an der Zufahrtsstraße vor den Grundigparkhäusern zu parken“; aus: www.unser-grundigpark.de)
Alternativen
Statt eine funktionierende und durchgängig nutzbare Radverkehrsanlage zu zerstören und damit zudem massive Probleme bei der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der Straße Am Europakanal hervorzurufen, sollten andere Maßnahmen zur Reduzierung des Parkdrucks in die Betrachtung einbezogen werden.
Der Grundigpark
ist über die Bushaltestelle Eschenau (Linie 178) und den Haltepunkt Alte Veste
der Rangaubahn (R11) an den städtischen ÖPNV und SPNV angebunden. Die
Zugangswege insbesondere zur Rangaubahn sind jedoch nicht so attraktiv, wie sie
sein könnten: Hierzu bedarf es eines Ausbau der Wege (Oberfläche,
Beschilderung, Beleuchtung), Die Anschlüsse im Wohngebiet Grundigpark sind
hierfür planerisch und baulich vorgesehen. Der Zugang zur Rangaubahn (HP „Alte Veste“;
Fürth Hbf – Cadolzburg) ist ca. 300 m entfernt (Luftlinie ca. 220 m), sofern
die Wegeverbindung aus dem Wohnquartier heraus zugänglich ist. Er liegt also in
optimaler Entfernung für Radfahrer und Fußgänger. Die Fahrtzeit bis Fürth Hbf
beträgt mit dem Zug lediglich 7 Minuten.
Abb. 8: Luftbild: Entfernungen und Wegverbindungen zum
HP „Alte Veste“
Die nächste
Bus-Haltestelle (Dambach/FÜ Eschenau) ist ca. 600 m entfernt und kann entweder
zu Fuß oder mit dem Fahrrad über die durchgängigen Schutzstreifen an der Straße
Am Europakanal gut erreicht werden.
Künftig wird die Haltestelle mit Fahrradabstellanlagen ausgestattet (vgl. BWA-Beschluss).
Eine weitere
Möglichkeit wäre, bei Aufbau eines Car-Sharing-Systems den Grundigpark
frühzeitig als möglichen Standort mit einzubeziehen.
Weiterhin sollte insbesondere bei künftigen Projekten geprüft werden, ob die Verwaltung rechtsverbindlich festlegen kann, dass beim Erwerb einer Wohnung zwingend der dazugehörige Stellplatz miterworben werden muss.
Fazit
Die Prüfung durch
die Verwaltung kommt zu einem eindeutigen Ergebnis:
Aus Gründen der
Verkehrssicherheit, der Qualität des Verkehrsablaufs, der Kosten und der
Außenwirkung ist eine Demarkierung von Schutzstreifen zugunsten von Parkständen
abzulehnen.
Stattdessen sind die
Möglichkeiten zur Beeinflussung der Verkehrsmitteölwahl durch attraktive
Fußwege und Radverkehrsanlagen und damit auch einen erleichterten Zugang zum
ÖPNV auszuschöpfen. Zudem ist darauf hinzuwirken, dass die errichteten
Stellplätze auch von den Eigentümern und Mietern genutzt werden.
Finanzierung:
Finanzielle
Auswirkungen |
jährliche
Folgelasten |
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Gesamtkosten |
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nein |
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ja |
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Veranschlagung
im Haushalt |
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nein |
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ja |
Hst.
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Budget-Nr. |
im |
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Vwhh |
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Vmhh |
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wenn
nein, Deckungsvorschlag: |
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Grundigpark_Europakanal_Querschnitt_Bestand_20181029.pdf
Grundigpark_Europakanal_Querschnitt_Strassenparken_20181029.pdf
Grundigpark_Europakanal_Querschnitt_Gehwegparken_20181029.pdf
Grundigpark_Sichtfelder_20181029.pdf
Diagramm_Stellplätze_20181029.pdf
website_unser-grundigpark.de_Wildes Parken.pdf
Radverkehr 2012-2018_20181029.pdf
Luftbild mit Wegen_Grundigpark_20181030.pdf