Der Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten nimmt die vom Referat für Soziales, Jugend und Kultur im Rahmen der Armutsdiskussion vorgelegte Zusammenfassung der IAB-Bilanz Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende, Strukturen – Prozesse – Wirkungen, Bielefeld 2013 zur Kenntnis.
Im Rahmen der
Armutsdiskussion wurde von Referat IV/Stab-Planung eine Zusammenfassung der 379
Seiten umfassenden Bilanz des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung
(IAB) der Bundesagentur für Arbeit, Acht Jahre Grundsicherung für
Arbeitssuchende, Strukturen - Prozesse – Wirkungen, Bielefeld 2013 erstellt,
die dem Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten hiermit zur
Kenntnis gegeben wird und der Beschlussvorlage als Anlage (PDF, 27 Seiten)
beigefügt ist.
Die Zusammenfassung
gliedert sich nach einer Vorbemerkung in Anlehnung an die IAB-Bilanz Acht
Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende in folgende Abschnitte:
1.
Struktur,
Dynamik und materielle Lage der Leistungsberechtigten
a)
Strukturdaten
zu Bedarfsgemeinschaften und Leistungsberechtigten 2012
b)
Entwicklung
des Bestandes in den Jahren 2005 bis 2011
c)
Entwicklung
und Ursachen von Zu- und Abgängen in der Grundsicherung
d) Die materielle Lage der Leistungsberechtigten
2.
Aktivierung
und Betreuung
a)
Konzessionsbereitschaft
und Aktivierungsansätze
b)
Sanktionen
und ihre Folgen
c)
Beratung
und Vermittlung in der Praxis
d) Aktivierung und Lebensbewältigung
3.
Instrumente
und ihre Wirkungen
a)
Maßnahmen
zur Verbesserun der Eingliederungschancen
b)
Beschäftigungsförderung
auf dem ersten Arbeitsmarkt
c)
Beschäftigung
schaffende Maßnahmen
d) Maßnahme-Sequenzen im SGB II
4.
Personen
mit spezifischen Problemlagen am Arbeitsmarkt
a)
Jugendliche
und junge Erwachsene im SGB II
b)
Frauen
im SGB II
c)
Ältere
Personen im SGB II
d) Berufliche Rehabilitanden und Schwerbehinderte im SGB II
5.
Wie
veränderte das SGB II den Arbeitsmarkt?
a)
Arbeitsmarktentwicklung
2009 bis 2012
b)
(Reform-)Effekte
auf dem Arbeitsmarkt
c)
Atypische
Beschäftigung und Niedriglohnbeschäftigung
d) Übergänge in Beschäftigung
6.
Abschließendes
Fazit durch das IAB
Abgesehen von
zahlreichen Details in der Zusammenfassung bestehen die
wichtigen Inhalte und Erkenntnisse in folgenden vier Punkten:
1.
Wenngleich
die Wirkungen der vom Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung vom
09.02.2010 vor dem Hintergrund eines aus Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit dem
Sozialstaatsgebot nach Art.20 Abs.1 GG abgeleiteten Grundrechts auf
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eingeforderten und vom
Gesetzgeber 2011 durch eine Neuberechnung der Regelsätze, die Bindung der
Fortschreibung der Regelsätze an die Preis- und Lohnentwicklung und die
Einführung eines Bildungs- und Teilhabepakets beschlossenen Neuregelung des SGB
II bei der IAB-Studie weitgehend unberücksichtigt blieben, da das verwendete
Datenmaterial nur bis maximal Mitte 2012 reicht, dürfte sich die materielle Lage von SGB-II- und
SGB-XII-Empfänger/innen seit der Neuregelung 2011 verbessert haben, wie dies bereits auf Seite 26 der in
der Stadt Fürth vom Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten
in der Sitzung am 13.02.2014 behandelten Fortschreibung des örtlichen
Armutsberichtes für die Jahre 2011 und 2012 festgestellt wurde. Dieser Trend
hat sich 2013 und 2014 fortgesetzt, da der monatliche Eckregelsatz im Jahr 2013
von 374 € auf 382 € (+2,14 %) und im Jahr 2014 auf 391 € (+2,36 %) erhöht wurde.
Wäre der monatliche Eckregelsatz weiterhin nach den Rentenanpassungen
fortgeschrieben worden, hätten die Anpassungen im Jahr 2013 nur 0,25 % und im
Jahr 2014 nur 1,67 % betragen. Außerdem wurden in der Stadt Fürth zum
01.07.2014 die Mietobergrenzen erhöht, die gegenüber der letzten Anhebung zum
01.04.2006 beispielsweise für einen Ein-Personen-Haushalt von 300 € auf 348 €
im Monat (+16,1 %) und für einen Zwei-Personen-Haushalt von 365 € auf 431 € im
Monat (+18,1 %) stiegen.
Trotz
der verfassungskonformen Ausgestaltung der Leistungen und der damit
eingetretenen Verbesserungen dürfte es aber bei den Befunden des IAB geblieben
sein, dass partielle Versorgungsdefizite bei der
Winterbekleidung, durch feuchte Böden und Wände und durch Verzug bei der
Zahlung der Miete auftreten, es den Leistungsberechtigten nur in relativ
geringem Umfang gelingt, einen festen Betrag im Monat zu sparen und Rücklagen
für Ersatzbeschaffungen zu bilden, und sich außerdem ein größerer Teil
der Kinder im SGB II keine einwöchige Urlaubsreise im Jahr leisten kann. Die Aussagen
des IAB zur Lebenslage von Kindern und Familien sind schon deshalb
von Relevanz, weil Kinder, und darunter vor allem Kinder von
Alleinerziehenden, im Vergleich zur Gesamtheit und zu anderen Altersgruppen
überproportional stark Leistungen nach dem SGB II beziehen.
2.
Während
sich bei dem im SGB II seit 2005 vorgegebenen Ziel der Existenzsicherung durch
die vom Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung vom 09,02.2010 und
die 2011 vom Gesetzgeber vollzogene Neuregelung durchaus
Verbesserungen abzeichnen, sind die Erkenntnisse des IAB in Bezug auf das
gesetzliche Ziel, die Bedürftigkeit durch Vermittlung in Arbeit zu überwinden,
eher ernüchternd, weil erwerbsfähige
SGB-II-Empfänger/innen zu etwa 70 % mindestens ein Vermittlungshemmnis (z.B. fehlender Schul- und Berufsabschluss,
mangelnde Sprachkenntnisse, gesundheitliche Beeinträchtigungen Alter,
unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten) aufweisen und sich die
Erwerbsformen seit 1991 erheblich verändert haben.
Verfügten
1991 von 37,056 Millionen Erwerbstätigen noch 71,5 % über die Standarderwerbsformen selbstständiger
Arbeitgeber (4,4 %) und unbefristete Beschäftigung mit mehr als 31
Wochenstunden (67,1 %), waren 2011 von 39,869 Millionen Erwerbstätigen nur noch
57,7 % in den Standarderwerbsformen selbstständiger
Arbeitgeber (4,7 %) und unbefristete Beschäftigung mit mehr als 31
Wochenstunden (52,9 %) tätig. Gleichzeitig war der Anteil atypischer Erwerbsformen wie Teilzeitbeschäftigung
mit weniger als 31 Wochenstunden, geringfügige Beschäftigung, befristete
Beschäftigung mit mehr als 31 Wochenstunden, Leiharbeit mit mehr als 31
Wochenstunden und Ein-Personen-Selbstständige von 21,5 % im Jahr 1991 auf 29,7
% im Jahr 2011 gestiegen (vgl. auch die als Anlage beigefügte Zusammenfassung, S.24f.).
Vor
diesem Hintergrund liegt die Chance für SGB-II-Empfänger/innen, einen
Arbeitsplatz zu finden, ohne Vermittlungshemmnisse lediglich bei 23,4 % und reduziert sich
mit jedem Vermittlungshemmnis um die Hälfte bis sie bei vier und mehr
Vermittlungshemmnissen gegen Null tendiert. Außerdem führen die weit
verbreitenden Vermittlungshemmnisse dazu, dass für SGB-II-Empfänger/innen
überproportional nur atypische Beschäftigungen in Frage kommen,
die entweder instabil (befristet) oder nicht bedarfsdeckend sind (geringfügige
Beschäftigung), womit wiederum das Problem des ergänzenden Leistungsbezugs bei
Erwerbstätigkeit zusammenhängt, von dem knapp 30 % aller erwerbsfähigen
Leistungsberechtigten im SGB II betroffen waren.
Zur
Verbesserung der Chancen auf eine Arbeitsmarktintegration sah das SGB II von
Anfang an eine Reihe von Eingliederungsmaßnahmen vor (z.B.
Vermittlungsgutscheine, Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber,
Arbeitsgelegenheiten nach der Mehraufwandsvariante unter den Voraussetzungen
der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses sowie Arbeitsgelegenheiten
nach der Entgeltvariante auch in erwerbswirtschaftlichen
Beschäftigungsfeldern), die vom IAB auf ihre Wirksamkeit untersucht wurden.
Dabei stellte das IAB fest, dass vor allem betriebliche Maßnahmen und
vollqualifizierende Ausbildungsverhältnisse zu einer dauerhaften Integration in den
Arbeitsmarkt führten, wie sie in den Arbeitsmarkt- und Eingliederungsprogrammen des
Jobcenter Fürth/Stadt seit 2011 im Rahmen der begrenzten Eingliederungsmittel
des Bundes auch schwerpunktmäßig befürwortet und praktiziert wurden.
3.
Durch
die Beschreibung des IAB im Abschnitt über die Arbeitsmarktentwicklung 2009 bis
2012, dass die Langzeitarbeitslosigkeit von 1,72 Millionen Personen im
Jahr 2007 auf jeweils etwa 1 Million Personen in den Jahren 2010 bis 2012
zurückging, dieser Rückgang aber weniger auf einen Abbau des Bestandes an
Langzeitarbeitslosen zurückzuführen, sondern ein Ergebnis rückläufiger Zugänge
an Langzeitarbeitslosen war, wird auch deutlich, dass die Arbeitsmarktreformen wohl in erster Linie im Bereich des SGB III Beschäftigungswirkungen entfalteten, weil sich Arbeitslose dort seit
der Reform sofort nach Eingang einer Kündigung bei den Arbeitsagenturen melden
müssen, die Leistungsdauer des Arbeitslosengeldes I in der Regel auf ein Jahr
begrenzt ist und anschließend bei Bedürftigkeit die Überweisung in den
Rechtskreis des SGB II oder bei Nichtbedürftigkeit wegen zu hoher Einkommen und
Vermögen der Verweis auf die Privatvorsorge erfolgt. Außerdem stehen die nach
Kündigungen im SGB III auftauchenden Arbeitslosen aufgrund ihrer
vorangegangenen Erwerbstätigkeit viel näher am Arbeitsmarkt als
Langzeitarbeitslose nach dem SGB II, was die Vermittlung erleichtert.
Da
der Anteil der Arbeitslosen im SGB II an allen Arbeitslosen im Jahr 2009
erstmals seit Einführung der Grundsicherung im Jahr 2005 gesunken war, aber
durch die konjunkturelle Erholung in den Jahren 2011 und 2012 wieder auf knapp
70 Prozent aller Arbeitslosen stieg, erklärt das IAB in der Studie Acht Jahre
Grundsicherung für Arbeitssuchende auch, dass der steigende Anteil eher
arbeitsmarktferner Personen an den Arbeitslosen andeutet, dass es in
Zukunft noch schwieriger werden dürfte, die Profile der Arbeitslosen
mit den Anforderungen der Betriebe in Einklang zu bringen, und vor allem die
Gruppe der Langzeitarbeitslosen die größten Probleme bei der
Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt habe. Insofern stellen die drei
Anträge des Jobcenters Fürth/Stadt auf Fördermittel aus Bundes- und
Landesprogrammen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit wichtige Schritte
dar, um die Eingliederungschancen von Langzeitarbeitslosen auch vor Ort zu
erhöhen.
4.
Während
zur Bekämpfung der bestehenden und nicht unerheblichen Langzeitarbeitslosigkeit
durch Förderprogramme des Bundes und der Länder seit 2014 Maßnahmen initiiert
wurden, spielen allgemeine und spezifische Maßnahmen zur prophylaktischen
Reduzierung der Arbeitsmarkt- und Existenzsicherungsrisiken für die
demografisch nachrückende Generation der Kinder in der öffentlichen Diskussion
noch keine größere Rolle, wobei der Trend, dass die Anforderungen des Arbeitsmarktes seit den 1980er Jahren permanent
gestiegen sind und in Zukunft durch
die Wissens- und Informationsgesellschaft noch weiter steigen werden,
eigentlich nicht zu übersehen ist.
Entgegengewirkt kann den in Zukunft weiter
steigenden Anforderungen des Arbeitsmarktes nur durch eine Anhebung
des Bildungs- und Qualifikationsniveaus, weil nicht oder zu gering qualifizierte
Kinder in Zukunft ebenso schwer eine existenzsichernde Arbeit oder
Erwerbstätigkeit finden werden, wie dies bereits heute bei nicht oder zu gering
qualifizierten Erwachsenen aller Altersgruppen der Fall ist.
Mit dem Projekt TANDEM gibt es zwar in
der Stadt Fürth einen Ansatz, die Arbeitsmarkt- und Existenzsicherungsrisiken
auch prophylaktisch für die nachrückende Generation der Kinder zu reduzieren.
Hier sollte aber einmal über zusätzliche und alle relevanten Bereiche
umfassende Maßnahmen, Abstimmungs- und Organisationsschritte nachgedacht
werden, da wir in der Stadt Fürth nicht nur 42 Familien und 81 Kinder
haben, die aktuell von TANDEM betreut werden, sondern Ende 2014 insgesamt 2.678
unter 15-Jährige hatten, die im SGB II festhingen und zu rund 70 %
in Haushalten lebten, wo die Erwachsenen nicht oder zu gering qualifiziert
waren und deshalb Probleme hatten, existenzsichernde oder überhaupt Arbeit zu
finden. Außerdem müssten sich auch Bund und Länder noch viel stärker mit Fragen
der prophylaktischen Reduzierung der Arbeitsmarkt- und
Existenzsicherungsrisiken für die demografisch nachrückende Generation der
Kinder befassen, ihre Politik entsprechend ausrichten und vielleicht auch
begleitende flächendeckende Förder- und Unterstützungsprogramme auflegen, da
Maßnahmen zur prophylaktischen Reduzierung der Arbeitsmarkt- und
Existenzsicherungsrisiken für die demografisch nachrückende Generation der
Kinder nicht nur einzelne Kommunen, sondern die gesamte Bundesrepublik Deutschland
betreffen.
Zahlreiche weitere
Details zu den Strukturen, Prozessen und Wirkungen des SGB II können der als Anlage beigefügten
Zusammenfassung der IAB-Bilanz Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende (PDF,
27 Seiten) entnommen werden.
Zur Beschlussfassung wird vorgeschlagen, die Zusammenfassung zur Kenntnis zu nehmen.
Finanzierung:
Finanzielle
Auswirkungen |
jährliche
Folgelasten |
|||||||||||||||||
|
x |
nein |
|
ja |
Gesamtkosten |
€ |
|
nein |
|
ja |
€ |
|||||||
Veranschlagung
im Haushalt |
||||||||||||||||||
|
x |
nein |
|
ja |
Hst.
|
Budget-Nr. |
im |
|
Vwhh |
|
Vmhh |
|||||||
wenn
nein, Deckungsvorschlag: |
||||||||||||||||||
Zusammenfassung der IAB-Bilanz Acht Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende, Strukturen – Prozesse – Wirkungen, Bielefeld 2013 durch Ref.IV/Stab-Pl (PDF, 27 Seiten)