Betreff
Rückblick Flüchtlingsandrang 2014 bis 2017 und Sonderauswertung SVR-Integrationsbarometer zur Integration in Bayern 2018
Vorlage
SzA/185/2019
Art
Beschlussvorlage - AL

Der Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorengelegenheiten nimmt die Ausarbeitung des Referates IV zum Thema Stadt Fürth – Flüchtlingsandrang 2014/2015, Migrationsängste und leitbildorientierte Integrationspolitik auf kommunaler Ebene und die Ausführungen der Verwaltung zur Sonderauswertung des SVR-Integrationsbarometers zur Integration in Bayern 2018 zur Kenntnis.


Die als Anlage beigefügte Ausarbeitung des Referates für Soziales, Jugend und Kultur zum Thema Stadt Fürth - Flüchtlingsandrang 2014/2015, Migrationsängste und leitbildorientierte Integrationspolitik auf kommunaler Ebene beschreibt die Bewältigung des Flüchtlingsandrangs 2014 bis 2017 und knüpft dabei in der Einleitung an zwei Aussagen an, die in dem 2017 erschienenen Buch des Migrationsforschers Klaus J. Bade, Migration, Flucht, Integration, Kritische Politikbegleitung von der „Gastarbeiterfrage“ bis zur „Flüchtlingskrise“, Erinnerungen und Beiträge auf S.101 und auf Seite 102f. zu finden sind und einer kritischen Würdigung unterzogen werden.

 

Nach der Einleitung wird im zweiten Abschnitt der Ausarbeitung verdeutlicht, dass gemessen an den im Datenreport 2016 des Statistischen Bundesamtes und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung über die Lebenssituation von Migranten/innen und deren Nachkommen in der Bundesrepublik Deutschland zu findenden Daten (schulische und berufsqualifizierende Abschlüsse, Erwerbsquote und Erwerbstätigenquote, Nettogehälter von Vollzeitbeschäftigten, Armutsgefährdungsquoten, Median der Haushaltsäquivalenzeinkommen, Wohnsituation und Miethöhen) von einer „berechtigten Sorge“ (Bade, S.101) der klassischen einheimischen Bevölkerung, gegenüber Migrant/innen auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt oder gar im gesamtgesellschaftlichen Gefüge ins Hintertreffen zu geraten, nicht die Rede sein kann. Diese Sorge ist und war, wie auch der Rückblick auf die Zuwanderungsprozesse von Ausländern vor dem Ersten Weltkrieg, von Flüchtlingen, Vertriebenen und Umsiedlern nach dem Zweiten Weltkrieg und von „Gastarbeitern“ in den 1960er und 1970er Jahren zeigt, vielmehr rein imaginär.

 

Im dritten Abschnitt der Ausarbeitung wird dann gezeigt, dass der von Klaus J. Bade in seinem 2017 erschienenen Buch auf S.102f. gesamtpolitisch noch vermisste ideelle, soziale und kulturelle Grundkonsens in der Einwanderungsgesellschaft, der nicht traditions-, sondern verfassungsorientiert sein sollte und so auch den nötigen Zusammenhalt stiften könne, auf der örtlichen kommunalen Ebene zur Bewältigung des im Rahmen des Königsteiner Schlüssels auf die Stadt Fürth entfallenden Flüchtlingsandrangs 2014/15 realisiert wurde, indem

 

-       alle Aktivitäten auf eine staats- und völkerrechtlich fundierte Grundlage (Art.1 GG i.V.m. Art 16 GG und Genfer Flüchtlingskonvention) gestellt wurden,

-       eine systematische Steuerung der Verwaltungsaktivitäten und des bürgerschaftlichen Engagements organisiert wurde,

-       sich parallel gegen alle nationalsozialistisch gesteuerten fremdenfeindlichen Aktionen gewandt wurde (Unterstützung des Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus und Unterstützung von Gegendemonstrationen),

-       wichtige Erkenntnisse der Migrationsforschung zu Fragen der Integration rezipiert wurden,

-       schließlich ein plakatives politisches Leitbild (Fürth weltoffen, solidarisch, sozial) geschaffen und kommunale Leitsätze zur Integration entwickelt wurden, wobei die Leitsätze zur Integration nicht nur für Flüchtlinge und andere Migrant/innen, sondern für alle Einwohner/innen der Stadt Fürth unabhängig von deren Herkunft gelten sollen.

 

Im vierten Abschnitt der Ausarbeitung wird schließlich eine Zusammenfassung der im zweiten und dritten Abschnitt genannten Details mit weiteren Erläuterungen vorgenommen. Dabei wird auch darauf verwiesen, dass die soziale Welt in der Bundesrepublik Deutschland nach allen vorliegenden Daten klar strukturiert ist und an erster Stelle die einheimische Bevölkerung, an zweiter Stelle Migranten/innen mit deutscher Staatsangehörigkeit, an dritter Stelle Migranten/innen mit ausländischer Staatsangehörigkeit stehen und danach an vierter Stelle mit größerem Abstand Asylbewerber/innen und Flüchtlinge folgen, die beispielsweise nach Erkenntnissen der Bundesanstalt für Arbeit eine Beschäftigungsquote von 70 %, die bei anderen Zuwanderern bereits nach drei Jahren erreicht wird, erst nach 15 Jahren erreichen und zu den am schlechtesten bezahlten Gruppen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gehören.

 

Die im Durchschnitt primäre Stellung der einheimischen Bevölkerung rührt im Grunde daher, dass in Deutschland schulische und berufliche Abschlüsse ein formal wichtiges und zugleich strukturierendes Prinzip für den Grad der Erwerbsbeteiligung, die Höhe der Einkommen und den sozialen Status bilden. Im Vergleich zu Primär-Migranten/innen verfügt die einheimische Bevölkerung unabhängig vom ökonomischen Kapital außerdem im Durchschnitt über ein über die schulischen und beruflichen Abschlüsse hinausgehendes, bedeutsame traditionelle und aktuelle Umgangsformen, Werte und Normen umfassendes kulturelles Kapital und nicht zuletzt über ein größeres soziales Kapital (Bekannte, Freunde, Beziehungen), da ihre Mitglieder in der Regel seit Geburt in Deutschland aufgewachsen sind. Das gleiche gilt für die partiellen Ausnahmen bei deutschen Migranten/innen der zweiten Generation (höhere persönliche Nettoge-hälter im Bereich der mittleren Qualifikation) und bei ausländischen Migranten/innen der zweiten Generation (höhere persönliche Nettogehälter im Bereich der niedrigen und mittleren Qualifikation), die in ebenfalls Deutschland aufgewachsen sind und deshalb im Vergleich zu Primär-Migranten/innen auch über ein über die schulischen und beruflichen Abschlüsse hinausgehendes kulturelles Kapital und über ein bereits im Inland erworbenes soziales Kapital (Bekannte, Freunde, Beziehungen) verfügen.

 

Neben den vom Stadtrat am 29.03.2017 beschlossenen kommunalen Leitsätzen zur Integration, die für alle Bewohner/innen der Stadt Fürth unabhängig von deren Herkunft gelten, wird in der Zusammenfassung auch darauf hingewiesen, dass durch die Einbeziehung von neuzugewanderten Kindern und Jugendlichen aus EU-Staaten in die Übergangs- und Integrationsklassen sowie die im August 2016 eingeführte kommunale Koordinierung von Bildungsangeboten für Neuzugewanderte die Konsequenzen aus der in der EU bestehenden Freizügigkeit für Arbeitnehmer/innen und Selbstständige gezogen und Maßnahmen zu einer systematischen Integration von EU-Bürger/innen durchgeführt werden, die der von der Migrationsforschung als Folge einer fehlenden oder unzureichenden Integration angesehenen Herausbildung ethnischer Kolonien entgegenwirken sollen.

 

Der unter https://www.stmi.bayern.de/assets/stmi/direktzu/studie_integration_in_bayern.pdf zu findende und vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration nach einer Sonderauswertung des SVR-Integrationsbarometers 2018 erstellte Bericht zur Integration in Bayern, zeigt, dass die Integration insgesamt positiv verläuft, da die meisten Befragten in Bayern das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund als genauso gut oder sogar besser bewerten als im übrigen Deutschland, und die sozialen, kulturellen und identifikatorischen Integrationsindikatoren positiv ausgeprägt sind, teilweise positiver als im übrigen Bundesgebiet. So erleben Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern beispielweise weniger Diskriminierungen und identifizieren sich stärker mit ihrem Wohnort (Zusammenfassung, S.34).

 

Der besondere Wert des Berichtes liegt weniger in den objektiven Daten (S.10 bis 18), die im Großen und Ganzen den Daten des vom Statistischen Bundesamt und vom Wissenschaftszen-trum Berlin für Sozialforschung herausgegebenen Datenreports 2016 entsprechen, sondern in den Ergebnissen der subjektiven Bewertungen der Menschen zu den Indikatoren interkulturelle Kontakte und Diskriminierungserfahrungen, Sprache und gesellschaftliche Normen, Gefühl der Zugehörigkeit zu Deutschland und zum Herkunftsland (S.18-31), da diese die subjektive Seite der Integration beleuchten.

 

So fühlen sich beispielsweise in Bayern 28,0 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund wegen ihrer Herkunft diskriminiert und auch in der Gruppe der Menschen ohne Migrationshintergrund gaben 6,8 % an, dass sie aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werden. Wie im Bericht vermerkt, erleben die Befragten in Bayern – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – damit aber etwas weniger Diskriminierung als im übrigen Bundesgebiet mit 35,7 % bzw. 9,9 % (S.23). Bei muslimischen Zuwanderinnen und Zuwanderern deutet nach Einschätzung des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration allerdings einiges darauf hin, dass erlebte Benachteiligungen eng mit der Religionszugehörigkeit verknüpft sind, da sich in Bayern 43,9 % der Befragten muslimischen Glaubens wegen ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert fühlen und 22,9 % der Befragten die erfahrene Benachteiligung als „eher stark“ oder „sehr stark“ bewerten (S.24f.).

 


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

 

nein

 

ja

Gesamtkosten

     

 

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

 

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag:

 


-1- Ausarbeitung Stadt Fürth – Flüchtlingsandrang 2014/2015, Migrationsängste und leitbildorientierte Integrationspolitik auf kommunaler Ebene (PDF, 49 Seiten)