Betreff
E-Scooter Verleihsysteme
Vorlage
SpA/0755/2019
Art
Beschlussvorlage - SB

Der Vortrag der Baureferentin diente zur Kenntnis.

 

Die Stadtverwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit den Anbietern von Elektrotretrollern (E-Scooter) örtlich passende Lösungen zu finden, die die Belange aller Verkehrsteilnehmer, insbesondere der Fußgänger und Radfahrer, der Anwohner und Gewerbetreibenden sowie des Stadtbilds angemessen berücksichtigt.

 

Dazu sind Vereinbarungen auf der Grundlage der Absichtserklärung von Deutschem Städtetag (DST) und Deutschem Städte- und Gemeindebund (DSTGB) mit E-Tretroller-Anbietern zu treffen. Die bisherigen Erfahrungen aus andern Städten sind einzubeziehen.

 

Dem Bau-und Werkausschuss ist über die Entwicklung wieder zu berichten. 


Hintergrund

Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) wurde im Bundesgesetzblatt Teil I, S. 756 ff. veröffentlicht und ist am 15. Juni 2019 in Kraft getreten. Seither sind Elektrokleinstfahrzeuge in Deutschland offiziell für den Straßenverkehr zugelassen. Diese Zulassung ermöglicht es, dass private E-Scooter Verleihsysteme in deutschen Städten angeboten werden können. Die Auswirkungen von E-Scooter Verleihsystemen können seit längerem bereits im Ausland, insbesondere in Großstädten, beobachtet werden. In Deutschland sind E-Scooter Verleihsysteme, nach der offiziellen Zulassung für den Straßenverkehr, innerhalb weniger Wochen in fast allen deutschen Großstädten angeboten worden. Die Markteinführung war vorerst in den Millionen- und Halbmillionenstädten zu beobachten, während sie nun auch in kleineren Großstädte vollzogen wird. Die Verwaltung der Stadt Fürth wurde bisher von zwei Anbietern kontaktiert. Dabei handelt es sich um die Anbieter TIER und VOI. VOI betreibt sein Verleihsystem seit Ende Juli in Nürnberg und wollte dies am 30.08.2019 auch in Fürth anbieten, konnte aber mit Verweis auf eine gute Abstimmung mit der Stadt zu einer Terminverschiebung bewegt werden. Am 16.09.2019 fand ein Abstimmungstermin zwischen der Stadt Fürth (eingeladen waren Rechtsamt, Straßenverkehrsamt, Tiefbauamt, Verkehrsplanung), Infra und den beiden Anbietern TIER und VOI statt. Dabei wurde eine weiterhin enge Abstimmung zwischen Stadt, Infra und den Anbietern vereinbart. Die Anbieter zeigten sich kooperationsbereit und offen für Anregungen. Zudem wurde mit den Anbietern vereinbart vor dem Betriebsbeginn erst weitere Abstimmungsgespräche mit Stadt und Infra abzuwarten um die Anregungen ins Betriebskonzept mit aufzunehmen. Genaue Termine für mögliche Betriebsbeginne wurden nicht vereinbart, die Anbieter zeigten sich aber aufgeschlossen gegenüber dem Vorschlag den Betrieb erst nach dem Winter aufzunehmen.

 

Das druckvolle Vorgehen auf einen schnellen Markteintritt generell ist der aktuellen Marktsituation und der Rechtslage geschuldet. Durch die Zulassung der E-Scooter für den Straßenverkehr ist ein neuer Markt mit diversen Anbietern entstanden. Dabei ist ein schneller Markteintritt von Vorteil. Derzeit operieren in Deutschland bereits fünf Anbieter, wobei voraussichtlich noch weitere hinzukommen werden. Die Marktentwicklung ist seriös nicht prognostizierbar und von daher ist auch nicht absehbar, wie viele weitere Anbieter in Fürth ein Verleihsystem betreiben wollen.

 

Erste Einschätzung zur rechtlichen Situation:

Die Rechtssituation ermöglicht es den E-Scooter-Anbietern eine schnelle Markteinführung vorzunehmen. So sieht die eKFV vor, dass für das Abstellen von Elektrokleinstfahrzeugen die Parkvorschriften von Fahrrädern gelten. Auf das Abstellen von Leih-E-Scootern wird in der eKFV nicht explizit verwiesen, somit sind die Rechtsprechungen zu Leihrädern hierzu die Rechtsgrundlage. Leihfahrräder sind in den bisherigen Urteilen (OVG Hamburg v. 19.06.2009: Zum Aufstellen von Mietfahrrädern ohne wegerechtliche Erlaubnis; BVerwG v. 03.06.1982: Zum Aufstellen von Mietfahrzeugen einer Kraftfahrzeugvermietungsfirma auf öffentlichen Straßen) analog zu privaten Fahrrädern als Gemeingebrauch eingestuft worden und somit gelten für das Abstellen dieselben Regeln wie für private Fahrräder, für die nach StVO keine expliziten Halteverbote bestehen, sofern sie niemanden behindern.

Ob sich zukünftige Rechtsprechungen an den bisherigen orientieren und das Abstellen von E-Scootern im Verleihsystem ebenfalls als Gemeingebrauch einstufen ist fraglich, da sich im Zuge der Digitalisierung die Voraussetzungen entscheidend verändert haben und im Zuge der Verhältnismäßigkeit andere Urteile möglich sind. Verschiedene Städte (Bremen, Leipzig; zudem geplant: Berlin, Düsseldorf) haben E-Scooter Sharing als Sondernutzung eingestuft. Bis dato haben die Anbieter dies akzeptiert und es sind keine Klagen dazu eingegangen. Ob die Einstufung als Sondernutzung möglichen Klagen standhalten würde ist ungewiss.

 

 

Nach aktuellem Rechtsstand liegt für Kommunen derzeit keine eindeutige gesetzliche Handhabe gegen das Ausbringen von E-Scootern im Verleihsystem vor. Änderungen im Bayerischen Straßen und Wegegesetz (BayStrWG) hinsichtlich der Definition von Sondernutzungen, ähnlich Teil 1, Art. 18a zum stationsbasierten Carsharing wären eine Option, die jedoch auf Länderebene zu treffen ist. Ebenfalls denkbar ist eine Anpassung von §29 der StVO zur übermäßigen Straßennutzung. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es lediglich ein kürzlich zwischen dem Deutschen Städtetag und verschiedenen Anbietern von E-Scooter Verleihsystemen beschlossene Absichtserklärung, auf die an sich als Kommune berufen kann, die jedoch keine Rechtsbindung hat.

 

Verkehrsplanerische Einschätzung

 

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es noch keine verfügbaren Daten (z. B. Haushaltsbefragungen), die eine quantitative Einordnung der mit E-Scootern im Verleihsystem zurückgelegten Wege zulassen. Dennoch können anhand der Tarifstruktur und des Betriebsgebietes erste Rückschlüsse gezogen werden. Im Folgenden wird sich dabei auf die Tarifstruktur und das geplante anfängliche Betriebsgebiet eines Anbieters für den in Fürth geplanten Betrieb bezogen.

   

Für eine verkehrsplanerische Einordnung ist es insbesondere relevant in welchem Umfang Wege mit anderen Verkehrsmittel ersetzt werden und wie viele Wege neu induziert werden. Bei einer Prüfung des zunächst ausgewählten Betriebsgebietes (Altstadt/Innenstadt; Stadtpark/Stadtgrenze; Nördliche Südstadt und Südliche Südstadt) wird deutlich, dass es sich um die Fürther Stadtteile mit der höchsten Bebauungsdichte und Urbanität handelt. Die durchschnittliche Wegelänge von Wegen innerhalb dieses Gebietes beträgt 1,9 km über alle Verkehrsmittel hinweg (Quelle: Daten der Mobilitätsbefragung KONTIV von 2004 bis 2018 von Socialdata). Betrachtet man den Modal Split des Betriebsgebietes mit dem von der Gesamtstadt, wird deutlich, dass dies die Gebiete mit dem geringsten MIV-Anteil am Modal Split bei gleichzeitig höchsten Anteil des Umweltverbundes sind, was sich auf die hohe Dichte und das gute Angebot zurückführen lässt.

 

Abbildung 1: Modal Split der Gesamtstadt gegenüber dem ersten geplanten Betriebsgebietes eines Anbieters

 

Die Ausdehnung des Betriebsgebietes sowohl in Nord-Süd als auch in Ost-West Richtung liegt unter 3 km. Aufgrund der geringen Größe des Betriebsgebietes und der Konzentration dessen auf die am wenigsten MIV-affinen Stadtteile ist bestenfalls nur mit einer marginalen Substitution von MIV Wegen durch die E-Scooter zu rechnen, stattdessen könnten vorwiegend Rad- und Fußwege ersetzt werden. Zudem ist das Gebührensystem eher auf eine Kurzzeitnutzung ausgelegt, was auch dazu führen dürfte, dass kurze Rad- und Fußwege ersetzt werden. Die Integration in die Tarifstruktur des ÖPNV ist noch ungeklärt. Außenbereiche, die aufgrund schlechter ÖV-Anbindung stärker profitieren könnten, werden nicht in das Betriebsgebiet mit aufgenommen. Aufgrund der Neuheit des Systems ist zudem zu erwarten, dass, insbesondere zu Beginn, zusätzliche Wege in Form von Freizeitvergnügen hinzukommen.

 

Insgesamt ist der Beitrag zur Bewältigung der verkehrsplanerischen Herausforderungen bei der Reduzierung der negativen Auswirkungen von Verkehr auf Mensch und Umwelt als gering einzustufen. Die ersten Erkenntnisse des Bundesumweltamtes weisen ebenfalls darauf hin, das E-Scooter im Verleihsystem in Innenstädten, wo ÖPNV-Netze gut ausgebaut und die kurzen Wege gut per Fuß und Fahrrad zurückzulegen sind, eher Nachteile für die Umwelt aufweisen, da eben jene Wege ersetzt werden und kaum MIV Wege. Gegenüber dem Fahrrad und Zufußgehen ist die Ökobilanz der E-Scooter deutlich schlechter.

Letztlich erhält man ein weiteres Verkehrsmittel, das mit den anderen Verkehrsmodi um öffentlich Raum konkurriert. Dies führt bei anderen Städten insbesondere beim Abstellen der Leih E-Scooter zu Problemen (Beschädigungen, Behinderungen, optische Beeinträchtigungen).  Wie effektiv das Vorgehen der Verleihdienste gegen unsachgemäß abgestellte E-Scooter (Foto am Ende jeder Fahrt, schnelles Entfernen durch den Anbieter) im Betrieb ist, kann noch nicht beurteilt werden.

 

 

Vorgehen der Stadt Fürth

 

Kurzfristiges Vorgehen:

Aufgrund der Rechtssituation wird angestrebt, mit den Anbietern vorerst Selbstverpflichtungserklärungen abzuschließen, die den Betrieb der Verleihsysteme regeln. Die Anbieter sind in ihrem eigenen Geschäftsinteresse daran interessiert, negative Presse zu vermeiden und eine gute Zusammenarbeit zu ermöglichen, die die Belange beider Seiten berücksichtigt. Über die Selbstverpflichtungserklärung und über eine gute Kommunikation soll versucht werden, die negativen Auswirkungen der E-Scooter Verleihdienste zu minimieren und positive Effekte (z. B. Integration mit dem ÖPNV) zu erzeugen.

Beim Abstimmungstermin am 16.09.2019 wurde an beide Anbieter bereits ein Entwurf einer Selbstverpflichtungserklärung übergeben.

 

 

Mittelfristige Planung:

Nach Inbetriebnahme des Verleihsystems wird erkennbar, wo die stärkste Nachfrage nach E-Scootern besteht. Die Ausbringung an den Knotenpunkten wird sich an der Nachfrage orientieren. Dabei ist zu erwarten, dass sich die Ausbringungsknotenpunkte und die Anzahl der Roller pro Knotenpunkt nach dem Projektstart noch entscheidend ändern werden. Sobald erst Nachfrageschwerpunkte identifiziert werden können, wird von der Verwaltung im Hinblick auf einen geregelteren Ablauf des Betriebes mit geringeren Behinderungen für andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere durch abgestellte E-Scooter, geprüft, ob dauerhaft Flächen für die Abstellung der E-Scooter bereitgestellt werden können. Dies kann durch temporäre Rollerständer ermöglicht werden, die beispielsweise auf Parkständen im direkten Umfeld des Nachfrageschwerpunktes installiert werden. Dabei ist nach Möglichkeit eine Kombination mit temporären Abstellmöglichkeiten für Fahrräder vorzusehen. Nach etwa 6 Wochen wird eine Bilanz der Nachfrage gezogen und entschieden ob dauerhafte Abstellmöglichkeiten geschaffen werden. Dieses Vorgehen wird für Fahrradständer in niederländischen Kommunen bereits erfolgreich angewendet. Bei Rollerständern ist dabei darauf zu achten, dass dennoch eine kostengünstige Demontage wieder möglich ist, da nicht absehbar ist, ob sich dieser neue Verkehrsmodus dauerhaft in Fürth etabliert.

Mit dem Vorgehen kann sukzessive eine an der Nachfrage ausgerichtete Infrastruktur für das Abstellen von Rollern geschaffen werden, so dass eine verbesserte Ordnung beim Abstellen erreicht wird. Ziel ist es dabei ausschließlich für die Hauptnachfrageschwerpunkte und Ausbringungspunkte geordnete Abstellmöglichkeiten zu schaffen, nicht für einzeln abgestellte E-Scooter. Da das Abstellen von Leih-Scootern normalerweise möglichst direkt dem Zielort erfolgt und die Nutzer in der Regel nicht bereit sind, zusätzliche Fußwege in Kauf zu nehmen, wäre dazu ein so dichtes Netz an Abstelleinrichtungen notwendig, das dem Stadtbild nicht zuträglich wäre, schwach ausgelastet wäre und Kosten binden würde.

Im Zuge einer bestmöglichen Integration der E-Scooter Verleihsysteme in den ÖPNV sind zu Beginn insbesondere Standorte an ÖPNV-Haltepunkten mit hoher Nachfrage mit Abstellmöglichkeiten zu versehen.

Die Verwaltung wird für die mittelfristig angeregte Planung die verkehrsrechtlichen Voraussetzungen – insbesondere hinsichtlich der Einstufung als Sondernutzung - prüfen, den Markt für Anbieter von Rollerständer und temporären Fahrradständern sondieren, Abstimmungsgespräche mit den Anbietern der E-Scooter Verleihsysteme führen und eine Kostenschätzung erstellen. Darauf aufbauend wird eine Beschlussvorlage zum mittelfristigen Vorgehen erstellt.

 


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

x

nein

 

ja

Gesamtkosten

     

x

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

 

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag: