Betreff
Vorlage zu den Anfragen von Herrn Stadtrat Schönweiß, DIE LINKE, vom 20.08.2019 - Prekäre Beschäftigung in Fürth
Vorlage
AWS/0086/2019
Art
Beschlussvorlage - SB

Zur Anfrage vom 20.08.2019 wurden seitens AWS folgende Stellen innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung angefragt: Amt für Stadtforschung und Statistik Nürnberg/Fürth, Agentur für Arbeit Fürth, Jobcenter Stadt Fürth, Stadt Fürth-Personalamt, Hauptzollamt Nürnberg, Wirtschaftsbeirat der Stadt Fürth, Arbeitnehmerbeirat der Stadt Fürth.

Eingangs ist zu erwähnen, dass verschiedene Stellen bei Ihren Stellungnahmen darauf hinweisen, dass der Begriff „prekäre Beschäftigung“ nicht näher definiert ist. Laut Amt für Statistik und Stadtforschung „werden darunter üblicherweise solche Beschäftigungsverhältnisse gefasst, die einen geringen Lohn und/oder keine soziale Absicherung beinhalten und/oder befristet sind. Aufgrund der Datenlage können im Folgenden nur Informationen zu Befristungen am Arbeitsort Fürth gegeben werden.“

Die Arbeitsagentur und das Jobcenter Fürth gehen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme davon aus, dass auch Teilzeit, geringfügige Beschäftigung etc. erfasst sind.

Der Arbeitnehmerbeirat versteht unter „Prekäre Beschäftigung“ befristete und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse.

Der Wirtschaftsbeirat ist der Ansicht, dass ein Großteil der Fragestellungen nur von den jeweiligen Fachdienststellen bzw. Verbänden beantwortet werden kann. Eine seriöse Beantwortung sei von dortiger Seite nicht möglich.

Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Stellungnahmen zum Fragenkomplex im Nachfolgenden die Stellungnahmen zu den einzelnen Detailfragen:

 

1. Welche Wirtschaftsbereiche sind hiervon betroffen?

Amt für Statistik und Stadtforschung (siehe auch Anlagen):

Insgesamt zeigt Tabelle 1 im Anhang, dass die geringfügig entlohnte Beschäftigung von März 2018 bis zum März 2019 (aktueller Datenstand) um 2,8 Prozent angestiegen ist. Im gleichen Zeitraum ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung um 1,3 Prozent angestiegen (Tabelle 2).

Mit 32,7 Prozent ist der höchste Anstieg in den Wirtschaftsabteilungen Herstellung von Vorleistungsgütern, insbesondere von chemischen Erzeugnissen und Kunststoffwaren (ohne Güter der Metall- und Elektroindustrie) zu verzeichnen. Dieser Wirtschaftsabschnitt beinhaltet mit 0,6 Prozent, neben der Landwirtschaft, dem Bergbau etc. und der Arbeitnehmerüberlassung, jedoch den geringsten Anteil geringfügiger Beschäftigung. Am häufigsten werden Beschäftigte im Wirtschaftsabschnitt Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kfz (17,2 Prozent) geringfügig entlohnt. Zudem ist der Anteil geringfügig entlohnter Beschäftigung im Gastgewerbe, in den Wirtschaftsabschnitten Immobilien, freiberufliche wissenschaftliche und technische Dienstleistungen, in den Sonstigen Wirtschaftlichen Dienstleistungen (ohne Arbeitnehmerüberlassung) und in den Abschnitten Sonstige Dienstleistungen, Private Haushalte mit rund 13 Prozent im Vergleich am höchsten. Zusammenfassend zeigt die Tabelle 1, dass geringfügige Beschäftigung in erster Linie ein Phänomen des Dienstleistungsbereichs (Abschnitte G bis U) ist: Über 90 Prozent der geringfügig Beschäftigten in Fürth ist in diesem Bereich tätig.

Einen Überblick über die zeitliche Entwicklung der (geringfügig) sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Fürth gibt zudem die Tabelle 4 im Anhang.

 

Arbeitnehmerbeirat:

Nach unserem Kenntnisstand sind fast alle Wirtschaftsbereiche betroffen, freilich in

unterschiedlichem Ausmaß. Beim früheren staatlichen Unternehmen Deutsche Bahn kommt prekäre Beschäftigung nach unserer Kenntnis nicht vor. Bei der früher staatlichen Deutschen Post sind befristete Beschäftigungsverhältnisse sowohl mit als auch ohne Sachgrund leider häufig anzutreffen. In recht geringem Umfang sind auch geringfügig Beschäftigte anzutreffen. Bei staatlichen oder städtischen Dienststellen ist befristete Beschäftigung weit verbreitet. Geringfügige Beschäftigung ist eher die Ausnahme.

Die prekären Beschäftigungsverhältnisse nehmen nach unseren Informationen bei „privaten“

Unternehmen wohl zu. Erinnert sei hier an die weiterhin expandierenden Billigbäckerfilialen. Wir vermuten hier auch viele befristete Arbeitsverhältnisse. Weitere gängige Beispiele sind das Baugewerbe mit seinen vielen Subunternehmern, die Gastronomie und die Zustell- und

Lieferdienste. Hier spielt die als Scheinselbständigkeit getarnte Selbstausbeutung eine traurige Rolle.

 

 

 

 

2. Wie ist die Stellungnahme der Arbeitgebervertretung und der Arbeitnehmervertretung hierzu?

 

Arbeitnehmerbeirat:

 

Prekäre Beschäftigung kommt in Firmen, die betriebsrätlich betreut werden, gewerkschaftlich gut organisiert und an Tarifverträge gebunden sind, in geringerem Umfang vor. Hier ist die öffentliche Hand gefordert, mit der Setzung von Mindeststandards oder Vergabegrenzen der Zunahme prekärer Beschäftigung Einhalt zu gebieten. Das freie Spiel der Kräfte allein wird prekäre Beschäftigung eher fördern als abbauen. Es müssen bindende Regularien geschaffen werden, die prekäre Beschäftigung so verteuern und behindern, dass sie sich unternehmerisch nicht mehr lohnen.

In Zeiten eines beginnenden Abschwungs ist es wichtig, schon den Anfängen zu wehren und das Entstehen weiterer prekärer Beschäftigung unter dem Vorwand der Arbeitsplatzsicherung zu verhindern. Auch große örtliche Unternehmen wie z.B. ATOS strukturieren um!

 

3. Was kann die Stadt unternehmen, um die prekäre Beschäftigung abzubauen?

Arbeitnehmerbeirat:

Die Stadt kann aus unserer Sicht vieles unternehmen um prekäre Beschäftigung abzubauen. Vor allem aber sollte sie eine Vorbildfunktion übernehmen und diese auch publik machen.

Im Einzelnen sollte sie aus unserer Sicht:

Weiterhin selbst auf geringfügige Beschäftigung verzichten, befristete Beschäftigung weiter abbauen, bei der Auftragsvergabe Einfluss nehmen, indem sie nur Anbieter berücksichtigt, die auf prekäre Beschäftigung verzichten. Dies sollte schon bei der Ausschreibung deutlich gemacht werden und vielleicht über ein städtisches Zertifikat wie „Dieser Fürther Betrieb beschäftigt vorbildlich“ politisch Einfluss nehmen.

 

4. Wie viele befristete Arbeitsverträge sind mit der Stadt Fürth abgeschlossen?

 

Stadt Fürth - Personalamt:

 

134

 

Arbeitnehmerbeirat:

 

Stand und Entwicklung der befristeten Arbeitsverhältnisse (mit der Stadt Fürth):

Die Zahlen beziehen sich jeweils auf den 01.01.

2017: 5,87 %

2018: 5,94 %

2019: 5,34 ´%.

Die sachgrundlosen Befristungen sanken von 91 zum 1.1.2018 auf 71 zum 1.1.2019.

 

 

5. Gibt es bei der Stadt Fürth prekär Beschäftigte?

 

Stadt Fürth - Personalamt:

 

Nein

 

 

 

 

 

6. Wie hoch ist in Fürth die Zahl der Aufstocker?

 

Amt für Statistik und Stadtforschung:

 

Im Folgenden werden unter „Aufstockern" erwerbsfähige erwerbstätige Leistungsbezieher verstanden, die neben der Grundsicherung nach dem SGB II ein Einkommen aus Beschäftigung erzielen. Ihre Zahl belief sich im März 2019 in Fürth auf 1.603 Personen (Tabelle 3). Dies entspricht einem Anteil von etwa 26 Prozent an allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Der größte Teil dieser Personen war abhängig beschäftigt, mehr als die Hälfte sozialversicherungspflichtig. Von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren 494 (rund 58 Prozent) geringfügig beschäftigt.

 

Arbeitsagentur und Jobcenter Fürth:

 

Zu Frage 6. können wir melden, dass wir aktuell 1.504 Ergänzer, d. h. erwerbstätige, erwerbsfähige Leistungsberechtigte haben, und damit 11,9 % weniger als im Vorjahr.

Davon

-              659 bis 450 €,

-              298 über 450 € bis 850 €,

-              263 über 850 € bis 1200 € und

-              284 über 1.200 €

 

Falls tatsächlich Aufstocker gemeint sein sollten, d. h. erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit nicht ausreichendem Alg-1-Bezug, so sind dies in der Stadt Fürth aktuell 111 erwerbsfähige Leistungsberechtigte ELB.

 

 

7. Wie viele Menschen sind in Fürth bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt?

 

Amt für Statistik und Stadtforschung:

 

Aus Tabelle 2 wird ersichtlich, dass im März 2019 537 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bei Zeitarbeitsfirmen tätig waren, was einem Anteil von 1, 1 Prozent an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entspricht. Gegenüber dem Vorjahresmonat bedeutet dies einen Rückgang um 168 Beschäftigte, bzw. 23,8 Prozent.

 

Arbeitsagentur und Jobcenter Fürth:

 

Wir haben im März 2019 in der Stadt Fürth rund 49.000 svB.

Davon arbeiten ca. 600 oder 1,1% bei Zeitarbeitsfirmen.

Der Bundesdurchschnitt bewegt sich im Bereich von 2,5 bis 3,0%.

 

 

8. Wie viele Verstöße hat der Zoll in Fürth wg. Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz festgestellt?

 

Hauptzollamt Nürnberg:

 

Eine Auswertung des zollinternen IT-Verwaltungssystems nach Verstößen gegen das Min­destlohngesetz speziell im Bereich der Stadt Fürth ist beim Hauptzollamt Nürnberg nicht möglich.

Insofern bedaure ich es, Ihnen diesbezüglich keine konkreten Aussagen zuliefern zu können.

Hinsichtlich der allgemeinen bundesweiten Fallzahlen im Bereich der Mindestlohnverstöße darf ich Sie auf entsprechende Publikationen auf der Internetseite der Zollverwaltung

(www.zoll.de) verweisen.

9. und 10. Gibt es weitere unter Tarif Beschäftigte in Fürth?

                 Gibt es weitere unter dem Mindestlohn Beschäftigte in Fürth?

 

 

Amt für Statistik und Stadtforschung:

 

Diese Frage kann mangels Datengrundlage nicht beantwortet werden. Da Tarifverträge sehr unterschiedlich ausgestaltet sind und sich zwischen Branchen und Betrieben unterscheiden, ist eine allgemeine Aussage zur untertariflichen Beschäftigung nicht möglich. Generell ist die Übergangsfrist für Tarifverträge, die den Mindestlohn unterschreiten, abgelaufen und es sollte entsprechend keine Beschäftigten mehr geben, die innerhalb eines Tarifvertrages weniger als den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Es gibt aber nach wie vor Ausnahmen vom Mindestlohn. So gilt er nicht für:

             Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung,

             Auszubildende - unabhängig von ihrem Alter - im Rahmen der Berufsausbildung,

             Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung nach Beendigung der Arbeitslosigkeit,

             Praktikanten, wenn das Praktikum verpflichtend im Rahmen einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung stattfindet,

             Praktikanten, wenn das Praktikum freiwillig bis zu einer Dauer von drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder Aufnahme eines Studiums dient,

             Jugendliche, die an einer Einstiegsqualifizierung als Vorbereitung zu einer Berufsausbildung oder an einer anderen Berufsbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz teilnehmen

             Ehrenamtlich Tätige.

 

Bei StA liegen keine Daten vor, ob und inwiefern der Mindestlohn darüber hinaus in Fürth unterschritten wird. Möglicherweise könnte auch hier die Zollbehörde die benötigten Informationen bereitstellen.

 

 

Stadt Fürth - Personalamt:

 

Bei der Stadt Fürth nein.

 

 

11. bis 13.

Werden bei der Vergabe an Subunternehmen dort die Einhaltung der Tariflöhne und        Arbeitsbedingungen kontrolliert?

Wie ist dies speziell im Baugewerbe?

Wie hoch ist der Anteil von Menschen mit Behinderung unter den prekär Beschäftigten?

 

Zu diesen Fragestellungen konnte von keiner Stelle Auskunft gegeben werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14. Wie viel Freiberufler und Selbstständige gibt es in Fürth, die so wenig verdienen, dass sie auch unter prekären Verhältnissen leben müssen?

 

Amt für Statistik und Stadtforschung:

 

Diese Frage kann mangels Datengrundlage nicht beantwortet werden. Es ist aber denkbar, dass eine Annäherung mit Blick auf die Zahl der erwerbsfähigen erwerbstätigen Leistungsberechtigten, die nicht abhängig beschäftigt sind, erreicht werden kann (Tabelle 3). Als „nicht abhängig erwerbstätig" gelten Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, welches auf vertraglicher Basis mit einem Arbeitgeber geschlossen wird. Hierzu zählen Selbstständige ebenso wie mithelfende Familienangehörige. Im März 2019 belief sich die Anzahl dieser nicht abhängig erwerbstätigen erwerbsfähigen Leistungsbezieher in Fürth auf 107 Personen.

 

 

Arbeitsagentur und Jobcenter Fürth:

 

Aktuell sind bei uns 120 selbständig tätige ELB im Leistungsbezug, das sind 2,6% mehr als im Vorjahr.

 


Finanzierung:

 

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

X

nein

 

ja

Gesamtkosten

     

 

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

 

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag:

 


Tabelle 1 - Geringfügig entlohnte Beschäftigte

Tabelle 2 - Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte

Tabelle 3 - Erwerbstätige erwerbsfähige Leistungsberechtigte

Tabelle 4 - Sozialversicherungspfl. geringfügig Entlohnte