Der
Beirat für Sozialhilfe, Sozial- und Seniorenangelegenheiten nimmt die
Ausführungen des Referates für Jugend, Soziales und Kultur zu den Anträgen der
Stadtratsfraktion der SPD und der Stadtratsfraktion BÜNDNIS‘90/DIE GRÜNEN,
einen Armutsbericht zu erstellen, zur Kenntnis.
Die Sozialverwaltung wird beauftragt, als Grundlage zur Umsetzung des nachhaltigen Entwicklungsziels Nr. 1 der Agenda 2030 (Armut beenden) einen Bericht zu erstellen, in dem neben der in der Stadt Fürth statistisch nachweisbaren Armut auch die bestehenden Maßnahmen sowie unter Berücksichtigung der von der Bundesregierung entwickelten und 2021 fortgeschriebenen Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auch die wichtigsten Rahmenbedingungen zu einer realistischen Verwirklichung des nachhaltigen Entwicklungsziels Nr.1 (Armut beenden) genannt werden, da es nicht einfach um punktuelle Maßnahmen, sondern um ein strategisches Ziel geht, zu dessen Umsetzung als messbare Indikatoren nachhaltige strukturelle Maßnahmen wie eine positive Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, die Sicherstellung der kommunalen Finanzen und die Anhebung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus erforderlich sind.
Mit Schreiben an Herrn Oberbürgermeister Dr. Jung vom 16.03.2022 stellte die Stadtratsfraktion BÜNDNIS‘90/DIE GRÜNEN für die Sitzung des BSS am 23.03.2022 den Antrag, den Armutsbericht der Stadt Fürth fortzuschreiben und aus der Fortschreibung so bald wie möglich messbare Ziele zur Bekämpfung der Armut in Fürth abzuleiten. Begründet wurde der Antrag damit, dass die Corona-Pandemie die Armutssituation eher noch zugespitzt als entspannt habe, was an den Berichten anderer Städte erkennbar sei.
Die Vermutung, dass die Corona-Pandemie die Armutssituation eher zugespitzt habe, trifft für das Gebiet der Stadt Fürth statistisch vorläufig nicht zu. Waren hier nach Einführung des SGB II bei 113.422 Einwohner/innen am 31.12.2005 noch 10.255 SGB-II-Empfänger/innen registriert worden (Bevölkerungsanteil 9,04 %), so waren es vor der Corona-Pandemie am 31.12.2019 bei 128.497 Einwohner/innen 8.411 SGB-II-Empfänger/innen (Bevölkerungsanteil 6,54 %). Dieser Stand konnte bislang auch während der Corona-Pandemie gehalten werden, da am 31.12.2020 bei 130.725 Einwohner/innen 8.230 SGB-II-Empfänger/innen (Bevölkerungsanteil 6,30 %) und am 31.10.2021 bei 131.235 Einwohner/innen 8.051 SGB-II-Empfänger/innen (Bevölkerungsanteil 6,14 %) gezählt wurden.
Gleichzeitig ist auch die Anzahl der Arbeitslosen - die in der Stadt Fürth zwischen 2005 und 2019 bei einem Anstieg der Bevölkerung von 113.422 auf 128.497 und damit um rund 15.000 Einwohner/innen von jahresdurchschnittlich 7.387 Personen 2005 auf jahresdurchschnittlich 3.644 Personen 2019 und damit um mehr als die Hälfte gesunken war - während der Corona-Pandemie mit jahresdurchschnittlich 4.354 Personen 2020 und jahresdurchschnittlich 4.253 Personen 2021 nicht sprunghaft gestiegen, da offensichtlich die von der Bunderegierung beschlossenen Sozialschutzpakete wie das höhere Kurzarbeitergeld sowohl Entlassungen weitgehend ausschließen als auch den Lebensstandard einigermaßen absichern und einen Massenabsturz in Armut verhindern konnten.
Bedeutsamer
als die Vermutung, dass die Corona-Pandemie die Armutssituation eher zugespitzt
habe, ist allerdings die im Antrag der Stadtratsfraktion BÜNDNIS‘90/DIE GRÜNEN
enthaltene Forderung, so bald wie möglich messbare Ziele zur Bekämpfung der
Armut in Fürth zu entwickeln, weil diese Ziele trotz der in den Jahren von 2005
bis 2014 vom Referat für Jugend, Soziales und Kultur veröffentlichten acht
Armutsberichte bislang in der Stadt Fürth nicht existieren und eine solche
Zielentwicklung schon in den Unterlagen zur Umsetzung des nachhaltigen Entwicklungsziels Nr.1 (Armut beenden)
der Agenda 2030 - die der 2019 in der Stadt Fürth zusammen mit einem
Nachhaltigkeitsbüro eingerichtete Nachhaltigkeitsbeirat zu seiner Sitzung am
20.10.2021 vorgelegt hatte - gefordert worden war.
Zur Orientierung sollte dabei die von
der Bunderegierung am 10. März 2021 weiterentwickelte und mit der Bewältigung
der Auswirkungen der Corona-Pandemie verknüpfte Deutsche
Nachhaltigkeitsstrategie herangezogen werden, mit der ein nachhaltiger
Wachstumspfad und ein Schub für Modernisierung durch Innovation ausgelöst
werden soll, zu dem am 12. Juni 2020 bereits ein mit 130 Mrd. € ausgestattetes
Krisen- und Konjunkturprogramm beschlossen wurde, das auch ein Zukunftspaket
über 50 Mrd. € zu einer Mobilitätswende, einer Energiewende und einem Erreichen
der Klimaziele, zu Investitionen in Digitalisierung, zur Förderung von Bildung,
Ausbildung und Forschung sowie zur Stärkung des Gesundheitswesens und des
Schutzes vor Pandemien umfasst.[1] Diese
Orientierung empfiehlt sich schon deshalb, weil die Kommunen
verfassungsrechtlich kaum eigene Gestaltungskompetenzen haben, sondern bis auf
wenige Ausnahmen nur für die Umsetzung des durch Gesetze und Verordnungen des
Bundes und der Länder vorgegebenen rechtlichen Rahmens zuständig sind,[2] weshalb
den Kommunen vor Ort ohne gesetzliche Festlegungen des Bundes, welche der im
September 2015 von den Vereinten Nationen beschlossenen und völkerrechtlich
nicht verbindlichen 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 in der
Bundesrepublik mit welchen Maßnahmen und Finanzmitteln verfolgt werden sollen,
schlichtweg die Rechtsgrundlagen und die erforderlichen Finanzzuschüsse für
eine Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 fehlen
werden.[3]
Zum
nachhaltigen Entwicklungsziel Nr. 1 (Armut beenden) äußerte die Bundesregierung
in einem freiwilligen Staatenbericht, der im Juni 2021 an das 2017 zur
Umsetzung der Agenda 2030 von den Vereinten Nationen in New York eingerichtete
Hochrangige Politische Forum (HLPF) geschickt worden war, dass in Deutschland das
Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich verankert sei und der Fokus der
Politik der Bundesregierung neben der verfassungsmäßig garantierten Sicherung
eines menschenwürdigen Existenzminimums in der Stärkung der finanziellen
Situation von Personen mit geringem Einkommen liege. Außerdem verfolge die
Bundesregierung bei der Bekämpfung der Armut in Deutschland einen präventiven
Ansatz mit dem Ziel, einen hohen Beschäftigungsstand bei auskömmlichen Löhnen
zu erreichen, weshalb
-
mit dem Qualifizierungschancengesetz
die Qualifikation der Beschäftigten durch Maßnahmen in den Betrieben den aus
dem Strukturwandel resultierenden neuen Anforderungen angepasst werden können,
bevor durch zu geringe Qualifikationen Arbeitslosigkeit entstehe;
-
mit der Einführung des gesetzlichen
Mindestlohns im Jahr 2015 und dessen kontinuierlicher Anpassung die
Einkommenssituation von rund vier Millionen Personen, darunter überproportional
weibliche Beschäftigte, im Niedriglohnsektor verbessert werden konnte;
-
mit einer Neugestaltung des Kinderzuschlags
durch das Starke-Familien-Gesetz in den Jahren 2019 und 2020 Familien mit
kleinen Kindern entlastet werden konnten;
-
mit der Anerkennung eines höheren
Bedarfs für Schulbedarf und für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben,
dem Wegfall des Eigenanteils beim gemeinschaftlichen Mittagessen in Schulen,
Kindertagesstätten und Kindertagespflege sowie einer Lernförderung unabhängig
von einer Versetzungsgefährdung das Bildungs- und Teilhabepaket 2019 verbessert
worden sei.[4]
Bereits einen Tag vor dem Antrag der Stadtratsfraktion BÜNDNIS‘90/DIE GRÜNEN hatte die Stadtratsfraktion der SPD mit Schreiben an Herrn Oberbürgermeister Dr. Jung vom 15.03.2022 und bezugnehmend auf die in der Sitzung des Nachhaltigkeitsbeirates am 20.10.2021 für eine Umsetzung des nachhaltigen Entwicklungsziels Nr.1 der Agenda 2030 (Armut beenden) vorgelegten Unterlagen und die darin enthaltene Forderung, einen Armutsbericht zu erstellen, in dem messbare Ziele und Zeiträume zur Verringerung der Armut in Fürth genannt werden, für die Sitzung des BSS am 23.03.2022 den Antrag gestellt, als Grundlage zur Umsetzung des nachhaltigen Entwicklungsziels Nr. 1 der Agenda 2030 (Armut beenden) einen Bericht durch die Sozialverwaltung erstellen zu lassen, in dem neben der in der Stadt Fürth statistisch nachweisbaren Armut auch die bestehenden Maßnahmen sowie unter Berücksichtigung der von der Bundesregierung entwickelten und 2021 fortgeschriebenen Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie die wichtigsten Rahmenbedingungen zu einer realistischen Verwirklichung des nachhaltigen Entwicklungsziels Nr.1 (Armut beenden) genannt werden, da es nicht einfach um punktuelle Maßnahmen, sondern um ein strategisches Ziel gehe, zu dessen Umsetzung als messbare Indikatoren nachhaltige strukturelle Maßnahmen wie eine positive Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, die Sicherstellung der kommunalen Finanzen und die Anhebung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus erforderlich sind, weil negative wirtschaftliche Entwicklungen und die damit verbundene konjunkturelle oder strukturelle Arbeitslosigkeit schon immer zu den Hauptursachen von Armut zählten.
Aus Sicht der
Sozialverwaltung wird die Erstellung eines solchen Berichtes nicht nur aus
personellen Gründen, sondern auch aufgrund der mit der
Corona-Pandemie und der am 24. Februar 2022 begonnenen, völkerrechtswidrigen
und dem nachhaltigen Entwicklungsziel Nr.16 (Frieden) der von den Vereinten
Nationen im September 2015 beschlossenen Agenda 2030 fundamental
widersprechenden militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine nicht
auszuschließenden wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen etwas Zeit in
Anspruch nehmen, da diese statistisch frühestens bis Ende 2022 sichtbar und bis
Mitte 2023 auch öffentlich zugänglich sein werden. Gleichwohl kann bei einem
Grundlagenbericht zur Umsetzung des nachhaltigen Entwicklungsziels Nr. 1 der
Agenda 2030 (Armut beenden) davon ausgegangen werden, dass dieser als messbare
Ziele ein hohes Beschäftigungsniveau, auskömmliche Erwerbseinkommen und eine
möglichst geringe Verbreitung existenzsichernder sozialer
Grundsicherungsleistungen enthalten wird. Die Verwendung weiterer messbarer
Zielindikatoren wie beispielsweise die Nettohaushaltseinkommensverteilung wird
für das Gebiet der Stadt Fürth im Gegensatz zur Bundes- und Landesebene oder zu
Gebietskörperschaften mit mehr als 500.000 Einwohner/innen nicht möglich oder
nur durch Haushaltsbefragungen ermittelbar sein, weil es für das Gebiet der
Stadt Fürth wegen der zu geringen Gebietsgröße keine eigenständigen Angaben des
Mikrozensus und auch keine Ergebnisse kommunaler Haushaltsbefragungen gibt, wie
sie beispielsweise in der Stadt Nürnberg trotz der Ausweisung als
eigenständiges Mikrozensusgebiet seit 1985 in regelmäßigen Abständen ergänzend
durchgeführt werden.
[1]
Vgl.: Die Bundesregierung (Hrsg.), Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie.
Weiterentwicklung 2021 – Kurzfassung, 36 Seiten, hier: S.8.
[2]
Dies betrifft zum Beispiel bei den Themen, die in den zur Sitzung des
Nachhaltigkeitsbeirats am 20.10.2021 vorgelegten Unterlagen angesprochen
wurden, vor allem die Regelungen zum SGB II und zum SGB XII, zur
Mietpreisbremse, zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus und zur Höhe des
gesetzlichen Mindestlohns. Eigeständig ist in diesen Bereichen die Stadt Fürth
lediglich auf dem Gebiet der Festlegung der angemessenen Kosten der Unterkunft
tätig, die nach dem SGB II und dem SGB XII wegen der bundes- und landesweit
höchst unterschiedlichen Mietkosten per Bundesgesetz den Kommunen zugewiesen
wurde und die vor Ort seit 2014 durch alle zwei Jahre stattfindende Erhebungen
zu einem qualifizierten Mietspiegel und zu den Kosten der Unterkunft gemäß den
Vorgaben des Bundessozialgerichts empirisch ermittelt werden. Zugleich sind in
der Bundesrepublik aufgrund der Tarifhoheit für eine über die Armutsvermeidung
hinausgehende Lebensstandardsicherung während der Erwerbsphase und im Alter
primär die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände zuständig.
[3]
In diesem Zusammenhang läuft beispielweise das im Dezember 2021 vom Stadtrat
verabschiedete kommunale Klimaschutzkonzept schon deshalb nicht ins Leere, weil
es an den Zielen und Maßnahmen des am 12. Juni 2020 von der Bundesregierung
beschlossenen und mit 130 Mrd. € ausgestatteten Krisen- und Konjunkturprogramms
inklusive Zukunftspaket orientiert ist.
[4]Vgl.: Die Bundesregierung (Hrsg.), Bericht zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, Freiwilliger Staatenbericht Deutschlands zur HLPF in New York 2021, Berlin 2021, S.32.
Finanzierung:
Finanzielle
Auswirkungen |
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Folgelasten |
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im |
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wenn
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