1. Der Ausschuss nimmt den aktuellen
Sachstandsbericht zu den rechtlichen Änderungen in der Kinder -und Jugendhilfe
zur Kenntnis.
2. Das Amt für Kinder, Jugendliche und Familien
wird zum Reformprozess regelmäßig berichten.
Im Jahr 2021 haben sich wichtige Gesetzesänderungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ergeben. Das Vormundschaftsrecht wurde in einigen Bereichen reformiert und tritt zum 01.01.2023 in Kraft. Die umfangreichsten Änderungen wurden in der Reform des SGB VIII in Gestalt des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) vorgenommen, welches am 10.06.2021 in Kraft trat. Nach einem jahrelangen Diskussions- und Beteiligungsprozess gelang es noch in der vergangenen Legislaturperiode des Bundestags zu einem konsensfähigen Gesetz zu kommen.
Zentrales Anliegen der Reform ist es, die Leistungen an Kinder und Jugendliche entsprechend den Leitgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention inklusiv unter der Verantwortung eines öffentlichen Leistungsträgers zusammenzuführen.
Die Auswirkungen auf die Bereiche des Amtes für Kinder Jugendliche und Familie werden im Folgenden vorgestellt:
1. Hilfe
aus einer Hand
Von weitreichender Bedeutung sind die vorgesehenen
Veränderungen für Kinder und Jugendlichen mit Behinderung.
Im Gesetz ist die sogenannte „Große Lösung“ verankert. Diese sieht eine einheitliche sachliche Zuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen vor (und zwar unabhängig von der jeweiligen Behinderungsform). Dieses Gesetz soll vollständig umgesetzt werden im Rahmen eines Stufenmodells bis zum Jahr 2028.
Dieser
Paradigmenwechsel durchdringt das gesamte SGB VIII und zieht sich wie ein roter
Faden durch. Von § 1, in dem die Erziehungsziele der Kinder und Jugendhilfe um
die gleichberechtigte Teilhabe ergänzt werden, bis hin zum § 80, bei dem die
gemeinsame Förderung von allen Kindern und Jugendlichen sowie die
Berücksichtigung spezifischer Bedürfnisse von jungen Menschen mit Behinderungen
als Maßstab für die Jugendhilfeplanung aufgenommen wurde.
Die erste Stufe des
Stufenmodells: Stärkung der Inklusion
Bei der ersten Stufe werden bereits die Ziele (siehe § 1)
und der Rahmen abgesteckt.
§ So wurde z.B. im § 7 der Behindertenbegriff
in Übereinstimmung mit der UN-Behindertenrechtskonvention angepasst und das
Merkmal der Wechselwirkung mit Umwelteinflüssen aufgenommen. Die Definition von
Menschen mit Behinderung wird somit erweitert um den Fokus auf die
umweltbedingten Barrieren, die eine gleichberechtigte Teilhabe an der
Gesellschaft erschweren oder verhindern.
§ Sowohl bei der Jugendarbeit (§ 11) als auch
bei der Kindertagesbetreuung (§ 22) wird ein deutlicher Akzent auf die Stärkung
der Inklusion gesetzt – wobei bei Letzterem die Kindertagespflege ausgenommen
wurde:
o
die
Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Angebote der Jugendarbeit für junge Menschen
mit Behinderung sollen sichergestellt
werden,
o
während
bei der Kindertagesbetreuung die Pflicht zur Berücksichtigung besonderer
Bedürfnisse hinzugekommen ist.
§ Bei der Qualitätsentwicklung in der Kinder-
und Jugendhilfe (§ 79a) sowie konkret bei den Qualitätsvereinbarungen mit
Leistungserbringern (§ 77) wird deutlich gemacht, dass zu den zu
berücksichtigenden Qualitätsmerkmalen sowohl die inklusive Ausrichtung der
Aufgabenwahrnehmung als auch die Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse
junger Menschen mit Behinderung gehören.
1.2 Die zweite Stufe: Verfahrenslotsen
Ab dem Jahr 2024 soll die Funktion eines Verfahrenslotsen eingeführt werden. Diese haben zwei Hauptaufgaben:
·
Beratung
von leistungsberechtigten jungen Menschen und ihren Familien zu den Leistungen
der Eingliederungshilfe und Begleitung durch das Verfahren.
·
Unterstützung
des örtlichen öffentlichen Trägers der Jugendhilfe bei der Zusammenführung der
Zuständigkeiten – hierbei ist noch die Verortung des Verfahrenslotsen zu
klären, wobei im Hinblick auf die dritte Umsetzungsstufe eine Verortung im
Jugendamt naheliegend erscheint.
1.3 Die dritte Stufe: sachliche Zuständigkeit der
Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder
Ab dem Jahr 2028 sollen dann Leistungen für junge Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen vorrangig vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährt werden. Es handelt sich bei diesem Themenbereich der SGB VIII-Reform gewiss um die größte Herausforderung, da viele Fragen dieses Systemwechsels noch zu bearbeiten sind und ein breiter Dialogprozess zwischen der Jugend- und Behindertenhilfe (Bezirk) hierbei notwendig sein wird.
Ab dem Jahr 01.01.2028 sind also demnach Leistungen für alle
jungen Menschen (auch mit jeder Art von Behinderung) vorrangig vom Träger der
öffentlichen Jugendhilfe zu erbringen („Hilfe aus einer Hand“). Ein weiteres
Bundesgesetz soll spätestens 2026 hierzu das Nähere (Art und Umfang der Hilfen,
Kostenbeteiligungen u.a.) regeln.
2.
Umfang des zu reformierenden Bereichs:
Das Jugendamt ist bisher zuständig für ca. 150
Eingliederungsfälle (junge Menschen mit seelischer Behinderung). Daran arbeiten
bisher 3 Mitarbeiter*innen des Bezirkssozialdienstes (2 VzÄ) und 1 Person in
der Wirtschaftlichen Jugendhilfe (1 VzÄ). Für diese Eingliederungshilfen werden
jährlich ca. 1,3 Millionen Euro ausgegeben.
Es wird erwartet, dass ca. 600 Fälle
aus der Zuständigkeit des Bezirks bis 01.01.2028 vom Jugendamt übernommen
werden müssen. Dafür werden erhebliche aber noch nicht bezifferbare zusätzliche
Personalressourcen, u. a. beim Bezirkssozialdienst, der Wirtschaftlichen
Jugendhilfe und im Overhead- und Backoffice-Bereich (Führung und Verwaltung)
erforderlich sein. Erst im Laufe der Umstrukturierung wird der Bedarf genau zu
bemessen sein.
Das gleiche trifft auf die (Sach-)Ausgaben für Eingliederungsleistungen zu.
3.
Zur Ergänzung hier noch die weiteren Komponenten der anstehenden Reform:
·
Schutzkonzepte im Pflegekinderwesen und in
Kindertageseinrichtungen
…dienen der Prävention, Intervention und Aufarbeitung
jeglicher Grenzüberschreitung, Gewalt und sexualisierten Übergriffen gegenüber
Kindern und Jugendlichen.
Das Jugendamt hat sie künftig in vielen zusätzlichen Bereichen zu
gewährleisten, wobei die notwendigen Standards einen erheblichen Zusatzaufwand
darstellen werden.
·
Junge Volljährige und „Careleaver“
Auch
hier sieht das KJSG verschiedene Erweiterungen vor (Verbindlichkeit der Hilfe,
Übergangsplanung, Nachbetreuung, Verbesserung der Regelungen zur
Kostenbeteiligung im Sinne der jungen Menschen etc., Erhöhung des
Verpflichtungsgrades der Norm für junge Volljährige, Aufnahme einer
ausdrücklichen „Coming-Back-Option“, verbindliche Übergangsplanung, Pflicht zur
Nachbetreuung mit div. zusätzlichen Aufgaben.
·
Änderungen bei der Kostenheranziehung durch
das KJSG
Enthalten einige Neuerungen zu
Gunsten der Hilfeempfänger:
- aus eigenem Einkommen nur noch 25 % anstatt 75 % als Kostenbeitrag
- Freibetrag von 150 € monatlich
- Kostenheranziehung aus Vermögen nur noch bei Maßnahmen nach § 19 SGB VIII.
·
Verfahren zur Personalbemessung:
In § 79 Abs. 3 heißt es: Zur
Planung und Bereitstellung einer bedarfsgerechten Personalausstattung ist ein
Verfahren zur Personalbemessung zu nutzen. In Teilbereichen des Jugendamtes
Fürth wurde das Verfahren PEB (INSO) bereits mit Erfolg eingeführt.
·
Ausweitung von Beratung und Beteiligung,
Stärkung von Rechten junger Menschen und Familien:
Beratungs- und
Beteiligungspflichten wurden deutlich erweitert und geschärft; die Beteiligung
„selbstorganisierter Zusammenschlüsse“ explizit vorgesehen.
Nach § 9a SGB VIII ist weiterhin die Einrichtung einer unabhängigen
Ombudsstelle zur Überprüfung der Tätigkeiten der Jugendhilfe (in Bayern bisher
nur in wenigen Modellstandorten realisiert) als Aufgabe für die nächsten Jahre
zu erwarten.
Fazit:
Bisher wurden in Bayern die Leistungen für junge Menschen mit Behinderungen von den Bezirken und von den Jugendämtern erbracht. Diese Zuständigkeitsunterscheidung führte in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Qualitäten und Ansätzen in der Hilfegewährung sowie zu Unschärfen in Zuständigkeitsfragen. Diese Unterscheidung wird über die neue Gesetzgebung im KJSG schrittweise verändert.
Ab Inkrafttreten des Gesetzes ist die
inklusive Ausgestaltung der Leistungen der Kinder und Jugendhilfe vorgesehen.
Als 2. Stufe werden ab 2024 Verfahrenslotsen in den Jugendämtern eingeführt,
die als verbindliche Ansprechpersonen für Eltern und junge Menschen das gesamte
Verfahren begleiten. Bis zum Jahr 2028 ist im aktuellen Gesetz eine Zusammenführung
unter dem Dach der Jugendhilfe vorgesehen. Voraussetzung für die Festlegungen
und Umsetzung ist dabei ein weiteres Gesetz zur Zusammenführung der
Leistungsbereiche (Art, Umfang, Personenkreis etc.). Dieses Gesetz muss lt.
Gesetzgeber erst bis 01.01.2027 beschlossen werden, damit die Zusammenführung
2028 vollzogen werden kann.
Die dargestellten Änderungen des KJSG werden zu einem erweiterten Qualifizierungsbedarf der Mitarbeitenden sowie zwingend auch zu einem erhöhten Stellenumfang führen.
Kosten:
Die unmittelbaren finanziellen Auswirkungen können aufgrund des noch nicht
vorliegenden Ausführungsgesetzes nicht benannt werden.
Finanzierung:
Finanzielle
Auswirkungen |
jährliche
Folgelasten |
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x |
nein |
|
ja |
Gesamtkosten |
€ |
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nein |
|
ja |
€ |
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Veranschlagung
im Haushalt |
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nein |
|
ja |
Hst.
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Budget-Nr. |
im |
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Vwhh |
|
Vmhh |
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wenn
nein, Deckungsvorschlag: |
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