Betreff
Vorlage zur Anfrage der CSU-Stadtratsfraktion vom 22.04.2023 - Konsequenzen bei Verwaltungsentscheidungen im Bereich erneuerbare Energien und Klimaschutz
Vorlage
OA/0578/2023
Art
Beschlussvorlage - AB

Entfällt, da Kenntnisnahme


Zu den Fragestellungen wird wie folgt Stellung genommen:

 

I. Rechtlicher Rahmen

 

Die überragende Bedeutung der erneuerbaren Energien ist gesetzlich verankert. Mit Wirkung zum 29. Juli 2022 trat die neue Fassung von § 2 des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG 2023) in Kraft):

 

1Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. 2Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. 3Satz 2 ist nicht gegenüber Belangen der Landes- und Bündnisverteidigung anzuwenden.

 

Zum 1. Januar 2023 trat flankierend eine neue Fassung des Bayerischen Klimaschutzgesetzes (BayKlimaG) in Kraft. Art. 2 Abs. 5 Satz 2 BayKlimaG stärkt die Bedeutung der erneuerbaren Energien nun auch im Landesrecht:

 

Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit.

 

Auch die Europäische Union hat zusätzliche gezielte Dringlichkeitsmaßnahmen verfügt. Mit Wirkung zum 30. Dezember 2022 hat der Rat der Europäischen Union eine Dringlichkeitsverordnung zur schnelleren Genehmigung erneuerbarer Energien erlassen (Verordnung (EU) 2022/2577 des Rates vom 22. Dezember 2022 zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien). Deren Art. 3 Abs. 1 schreibt nun ebenfalls das überwiegende öffentliche Interesse an der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Anlagen und Einrichtungen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, sowie an ihrem Netzanschluss, am betreffenden Netz selbst und an Speicheranlagen fest.

 

Sowohl der bundesgesetzliche als auch der landesgesetzliche Rahmen verpflichten somit die bayerischen Behörden, der besonderen Bedeutung des Klimaschutzes – wann immer und soweit wie möglich – Rechnung zu tragen.

 

Dementsprechend ist in § 13 Abs. 1 Satz 1 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) das sogenannte Berücksichtigungsgebot verankert:

 

Die Träger öffentlicher Aufgaben haben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen.

 

II. Konsequenzen hinsichtlich erneuerbarer Energien

 

Die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes sind bei allem behördlichen Handeln zu berücksichtigen, soweit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Entscheidungsspielräume bestehen. Das kann in Form einer Abwägung, Beurteilung oder Ermessensausübung erfolgen.

 

Darüber hinaus ist der Bedeutung von Energiewende und Klimaschutz auch bei unbestimmten und auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen sowie Verhältnismäßigkeitserwägungen Rechnung zu tragen.

 

Daneben ist dem überragenden öffentlichen Interesse an erneuerbaren Energien und der Berücksichtigung des Klimaschutzes auch im nicht rechtlich normierten Bereich Rechnung zu tragen, z.B. bei der Priorisierung der Bearbeitung in Genehmigungsverfahren, der Arbeitsorganisation oder im Rahmen des Personaleinsatzes.

 

Erneuerbare Energien liegen nach § 2 Satz 1 EEG 2023 bzw. nach Art. 2 Abs. 5 Satz 2 BayKlimaG im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Damit sind Belange der erneuerbaren Energien bei Entscheidungsspielräumen mit einem deutlich höheren Gewicht als andere Belange zu berücksichtigen.

 

Art. 20a GG verleiht auch dem Klimaschutz Verfassungsrang. Öffentliche Interessen können somit den erneuerbaren Energien nur dann entgegenstehen, wenn sie, wie etwa der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, mit einem vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind oder einen gleichwertigen Rang besitzen.

Für die Stromerzeugung sollen die erneuerbaren Energien durch § 2 Satz 2 EEG 2023 zudem als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden, bis die Stromerzeugung nahezu treibhausgasneutral ist.

 

Zwar folgt hieraus nicht, dass sich die Belange der erneuerbaren Energien stets und automatisch gegenüber anderen durchsetzen, jedoch kann das besondere Gewicht der erneuerbaren Energien bei Abwägung mit anderen relevanten Belangen wie u.a. Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild, Denkmalschutz oder im Forst-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Bau- oder Straßenrecht nach der Gesetzesbegründung nur in Ausnahmefällen überwunden werden (vgl. BT-Drs. 20/1630, S. 159).

Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, muss die Behörde dies gesondert begründen und dokumentieren. In der Begründung muss deutlich werden, warum z.B. die ebenfalls verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG geschützten natürlichen Lebensgrundlagen das überragende öffentliche Interesse an den erneuerbaren Energien und deren Beitrag zur öffentlichen Sicherheit überwiegen.

Umgekehrt kann die zuständige Behörde für den Vorrang der erneuerbaren Energien in Abwägungs- und Ermessensentscheidungen auf die gesetzgeberischen Wertungen in § 2 EEG und Art. 2 Abs. 5 Satz 2 BayKlimaG verweisen. Der Hinweis auf diese gesetzgeberischen Wertungen entbindet allerdings nicht von der Pflicht, unterlegene Belange zu ermitteln, zu bewerten und Gründe für ihr Unterlegen mitzuteilen.

 

Auszunutzen sind jegliche Entscheidungsspielräume im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, um Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien zulassen zu können. Beispielsweise ist zu prüfen, ob und wie den mit diesen Anlagen in Konflikt stehenden Belangen (Natur-, Arten-, Wasserschutz etc.) durch geeignete Nebenbestimmungen in der behördlichen Entscheidung Rechnung getragen werden kann.

 

a)    Photovoltaik und Baumschutzverordnung

Für den Vollzug der Baumschutzverordnung bedeutet dies konkret, dass sich die bisherige, an der ständigen Rechtsprechung orientierte Vollzugspraxis ändern wird. Bislang wurde -obwohl bereits in der Vergangenheit vor den genannten Gesetzesänderungen anerkannt war, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im öffentlichen Interesse liegt- dem Baumschutz überwiegend der Vorrang eingeräumt.

 

Diese Tendenz ist nun umgekehrt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für Photovoltaik-Vorhaben in allen Fällen Baumfällungen oder -rückschnitte genehmigt werden.

 

Baumschutz dient ebenfalls dem Klimaschutz und im innerstädtischen Bereich vor allem auch der Klimawandelanpassung. Damit die Bürgerinnen und Bürger auch künftig weiterhin in Innenstädten unter gesundheitsverträglichen Bedingungen leben können, ist eine Durchgrünung von besonderer Bedeutung (Mikroklima, Verschattung, Abkühlung durch Verdunstung, Sauerstoffproduktion, etc.).

 

Daher wird im Einzelfall geprüft und der Verlust der Wohlfahrtswirkungen der zur Fällung oder zum Rückschnitt beantragten Bäume der geplanten Photovoltaik-Anlage gegenübergestellt. U.a. der Standort, die Art und Größe des Baumes, sein Erhaltungszustand und auch die Leistung der Photovoltaikanlage sowie der Umfang evtl. Leistungseinbußen durch Verschattung sind Gegenstand der Abwägung.

 

 

b)   Photovoltaik und Artenschutz

Zur Beschleunigung des Windkraftausbaus sind artenschutzrechtliche Sonderregelungen und unter bestimmten Voraussetzungen Erleichterungen zu artenschutzrechtlichen Ausgleichspflichten erlassen worden. In Bezug auf die Errichtung von Photovoltaikanlagen gibt es entsprechende Erleichterungen (bisher) nicht.

 

Die untere Naturschutzbehörde trifft beim Vollzug des Artenschutzrechts keine Ermessensentscheidungen. Wenn der gesetzliche Tatbestand erfüllt ist und ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand vorliegt, kann dieser über vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) vermieden werden. Hier handelt es sich um gesetzlich formulierte und durch detaillierte Verwaltungsvorschriften definierte Sachverhalte. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Spielräume in Detailfragen fließt zwar die überragende öffentliche Bedeutung der erneuerbaren Energien ein, jedoch kann nicht z.B. auf die gesetzlich geforderten CEF-Maßnahmen verzichtet oder von den Vorgaben abgewichen werden.

 

Kann ein Verbotstatbestand nicht vermieden werden, ist eine Ausnahmegenehmigung oder Befreiung bei der höheren Naturschutzbehörde (Regierung von Mittelfranken) zu beantragen. Zum Rechtsvollzug der staatlichen Mittelbehörde können bislang keine Aussagen getroffen werden.

 

 

Da der rechtliche Vollzug durch die Rechtsvorschriften, Gesetzesbegründungen, Rechtsprechung und Kommentare sowie die individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls bedingt ist, erachtet die Verwaltung ergänzende politische Beschlüsse als nicht erforderlich.

 

 


Finanzierung:

Finanzielle Auswirkungen

jährliche Folgelasten

 

x

nein

 

ja

Gesamtkosten

     

x

nein

 

ja

     

Veranschlagung im Haushalt

 

 

nein

 

ja

Hst.      

Budget-Nr.      

im

 

Vwhh

 

Vmhh

wenn nein, Deckungsvorschlag: