Die Mitglieder des Baubeirats nehmen die Ausführungen zur Kenntnis und stimmen der Vorlage im Bau- und Werkausschuss zu. Demnach soll den Bau- und Werkausschuss und dem Stadtrat folgendes Vorgehen vorgeschlagen werden:
1. Der Bau- und Werkausschuss nimmt die Ausführungen des Baureferates zur Kenntnis.
2. Der Bau- und Werkausschuss empfiehlt/ der Stadtrat beschließt die Änderung des Bebauungsplanes.
3. Die Verwaltung wird beauftragt, den Änderungsbeschluss ortsüblich bekanntzumachen und die Änderung im vereinfachten Verfahren gem. § 13 Baugesetzbuch (BauGB) durchzuführen.
4. Der Bau- und Werkausschuss empfiehlt/ der Stadtrat beschließt den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB für den Geltungsbereich der 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 100.
Anlass
Aktuell häufen sich Absichten von Bauherren und Bauträgergesellschaften, die hochwertigen Grundstücke in der Villenkolonie (Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 100) mit Mehrfamilienhäusern nachzuverdichten, die einen hohen Flächenanteil der Grundstücke für den Bau von Haupt- und Nebenanlagen inklusive Stellplätze in Anspruch nehmen. Aufgrund der üblicherweise möglichst auskömmlich angestrebten Wirtschaftlichkeit möchten die Bauherren und Investoren die im Bebauungsplan festgesetzten 15% bzw. 20% zur Bebauung nutzbare Grundfläche des Grundstücks nicht einhalten.
Planinhalte des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. 100
Das Plangebiet umfasst ca. 24 ha und befindet sich im Stadtteil Dambach. Der seit 12.07.1997 rechtsverbindliche Bebauungsplan Nr. 100 „Dambacher Villenkolonie“ verfolgt das Ziel „die Eigenart der Siedlung zu erhalten, die durch die großzügigen Grundstücksgrößen, relativ geringe bauliche Ausnutzung, parkartig angelegte Freiflächen mit altem (Groß-) Baumbestand […] definiert ist“.
Der Bebauungsplan soll „einer aus stadtentwicklungsplanerischer Sicht unerwünschten, stadtteiluntypischen baulichen Verdichtung und evtl. weiteren negativen Auswirkungen auf die vorhandene Infrastruktur entgegenwirken“.
Der Geltungsbereich ist im Bebauungsplan in die Bereiche A und B aufgeteilt. Gemäß textlichen Festsetzungen Nr 3 Grundstücksgrößen und Nr. 4 Ortsgestaltung ist zum Schutz des städtebaulich bedeutsamen Ortsteiles eine Mindestgrundstücksgröße von ≥ 700 m² im Bereich A und eine Mindestgrundstücksgröße von ≥ 1.200 m² im Bereich B festgesetzt. Die bebaubare Grundstücksfläche ist im Bereich A auf max. 20% und im Bereich B auf max. 15%, bezogen auf die jeweilige Größe des Baugrundstücks, begrenzt. Im Bestand wird die festgesetzte, für eine Bebauung nutzbare Grundstücksfläche, weitgehend eingehalten.
Planerfordernis
Die textliche Festsetzung Nr. 4 Ortsgestaltung entspricht nicht den Voraussetzungen einer
Festsetzung der in § 19 Baunutzungsverordnung (BauNVO) geregelten
Grundflächenzahl GRZ. Hier besteht ein beachtliches Risiko, dass der VGH die
Festsetzung Nr. 4 und evtl. auch den Bebauungsplan für unwirksam erklären
könnte.
Daher ist die Änderung des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. 100 für die Sicherung der Planungsziele – die Eigenart der Siedlung zu erhalten – und die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung in der Villenkolonie im Sinne der durch den Stadtrat der Stadt Fürth beschlossenen Zielrichtung erforderlich. Zu berücksichtigen sind sowohl die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, als auch Klimaschutz und Klimaanpassung sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild (§ 1 Abs. 5 BauGB). Eine geordnete städtebauliche Entwicklung kann nur über ein Bauleitplanverfahren sichergestellt werden, das die Belange des Umweltschutzes (einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere die Auswirkungen auf Pflanzen, Fläche, Luft und Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt), die Belange des Denkmalschutzes und die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 6 BauGB) hinreichend würdigt.
Vergleich
zum Bebauungsplan Nr. 339 „Areal zwischen Kutzer- und Espanstraße“ (Abk.
Kutzerstraße);
(Sitzungsvorlage SpA/1174/2024)
Am
27.11.2024 wurde durch den Stadtrat die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses
des Bebauungsplans Nr. 339 beschlossen. Die planungsrechtliche Zulässigkeit von
Bauvorhaben in diesem Teil des Stadtgebietes wird künftig durch § 34 BauGB bzw.
in Verbindung mit den Festsetzungen der beiden Baulinienpläne Nr. 206 und 207
geregelt.
Vor dem Hintergrund des aktuell gefassten Beschlusses sollen an dieser Stelle die Unterschiede zum vorliegenden Fall dargestellt werden.
Das Areal zwischen Kutzer- und Espanstraße und die Dambacher Villenkolonie weisen unterschiedliche städtebauliche Merkmale auf, die sich in ihrer Geschichte, Architektur und städtebaulichen Strukturen widerspiegeln.
1. Historischer Hintergrund und Entstehung
Das Quartier um die Kutzerstraße liegt im Stadtteil Espan in Fürth und entwickelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts zum Villenviertel. In den 1960er und 1970er Jahren wurde durch Veränderungen im Wohnungsbau stark verändert. Heute ist es ein gemischtes Wohngebiet, das sowohl ältere Villen als auch moderne bzw. funktionale Wohnhäuser umfasst.
Die Dambacher Villenkolonie hingegen wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und spiegelt den Wohlstand der Bewohner und die bürgerliche Kultur dieser Zeit wider. Sie entstand als geplante Wohnsiedlung für wohlhabende Bürger. Sie ist durch ihre großzügigen Villen und Gärten charakterisiert.
2. Architektur und Bebauung
Durch die Transformation im 20. Jahrhundert weist das Quartier Kutzerstraße einen gemischten Charakter aus historischen und modernen Architekturen auf. Die moderne Architektur in der Kutzerstraße ist eher schlicht und funktional, mit einem Fokus auf effiziente Raumnutzung.
Die Villenkolonie ist von individuell gestalteten Villen u.a. aus dem Jugendstil geprägt. Die Häuser sind oft von großen Gärten umgeben und das Gebiet hat eine lockere und parkähnliche Bebauung.
3. Städtebauliche Struktur
Das Quartier Kutzerstraße hat aufgrund der vielfältigen Bebauungen eine sehr heterogene Siedlungsstruktur. Die Grundstücke sind zwischen 300 m² und 1.800 m² groß. Viele Grundstücke wurden geteilt und verkleinert, dadurch wurde die Bebauungsdichte erhöht.
Die Villenkolonie ist locker bebaut. Die Grundstücke sind zwischen 600 m² und 7.800 m² groß. Die Infrastruktur ist für eine Siedlung mit einer niedrigen Wohndichte ausgelegt.
4. Grünflächen und Freiraumgestaltung
Neben den privaten Gärten sind die Grünflächen im Quartier Kutzerstraße eher begrenzt und dienen hauptsächlich der Erholung und Freizeitgestaltung der Bewohner.
Die Villenkolonie ist durch eine Vielzahl privater Gärten und Alleen im Straßenraum geprägt, die ein grünes und parkähnliches Ortsbild schaffen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Areal zwischen der Kutzer- und Espanstraße einerseits und die Dambacher Villenkolonie andererseits zwei sehr unterschiedliche städtebauliche Strukturen aufweisen. Die Kutzerstraße ist ein altes Villenviertel, welches mit funktionalen Wohnhäusern nachverdichtet wurde. Die Transformation der Siedlungsstruktur hat dort bereits vor Jahrzenten stattgefunden. Die Villenkolonie hingegen ist eine repräsentative, locker bebaute und grüne Villensiedlung, die aufgrund dieser Struktur und der stadtgeschichtlichen Bedeutung eine hohe Schutzwürdigkeit besitzt. Die Transformation der Siedlungsstruktur und die Nachverdichtung könnten mit dem Verkauf eines großen Grundstücks jederzeit beginnen.
Folgen ohne Änderung des Bebauungsplans inkl. rechtssichere Festsetzung
der GRZ
Im Fall der möglicherweise nach einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage und inzidenten Kontrolle des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. 100 eintretenden Unwirksamkeit der Festsetzung Nr. 4 müsste die Verwaltung das Maß der baulichen Nutzung der Bauvorhaben im Geltungsbereich des B-Plans nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilen.
Die vorhandene
Kubaturen der Großvillen und der Mehrfamilienhäuser – beispielsweise
Lindenstraße 6 und 8 (16 x 16m), Uhlandstraße 11 (27 x 19m), Berolzheimerstraße
30 - 32 (26 x 10m), Schwedenstraße 15 und 17 (16 x 13m) - sind für das Gebiet
prägend und können als Referenzobjekte für kleinere Grundstücke herangezogen
werden. Der Rahmen für das Einfügen nach § 34 BauGB würde sich demnach
vergrößern, sodass eine Versiegelung durch die Hauptanlage von über 40%
zulässig wäre. Das Plangebiet würde sich nach und nach zu einem entsprechend
verdichteten Wohngebiet entwickeln. Der ursprüngliche Charakter des Quartiers
könnte verloren gehen.
Nach § 34 BauGB würden die
absoluten Größen von Grundflächen (Länge und Breite) des Gebäudes und ihr
Verhältnis zur umgebenden Freifläche beurteilt.
Der Umfang der befestigten Flächen tritt gegenüber dem Maß der baulichen Nutzung des Gebäudes in den Hintergrund, da die befestigten Freiflächen „trotz ihres Einflusses auf die Grundflächenzahl optisch nicht in dem Maße in Erscheinung treten wie Gebäude und somit nicht in dem Maße mit durch Gebäuden bebauten Flächen vergleichbar sind“ (VGH München, Beschluss vom 14.02.2018 - 1 CS 17.2496, Rn. 18).). Nach dieser Entscheidung des VGH hätten Stellplätze, Wege oder andere befestigte Flächen, die sonst zur GRZ II zählen, keinen Einfluss auf das Verhältnis zwischen überbauter Fläche und Freifläche, was zur Folge haben könnte, dass sich das Vorhaben bezogen auf das Maß der baulichen Nutzung zwar in die Umgebung einfügt, die Freiflächen allerdings nahezu vollständig versiegelt sein dürften, wodurch die Durchgrünung des Areals verloren ginge.
Ein steigender Versiegelungsgrad ist naturgemäß schlechter mit dem Prinzip der Schwammstadt sowie einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu vereinbaren. Auch das Klimaanpassungsgesetzt sieht vor, dass Versickerungs-, Speicher- und Verdunstungsflächen so weit wie möglich erhalten werden und das Ziel der Klimaanpassung durch die Träger öffentlicher Belange berücksichtigt werden muss. Die Tatsache, dass hier in relativ zentraler Lage erhebliche Anteile der Flächen schwach versiegelt sind, ist bemerkenswert und dieser Zustand ist aus der Gesamtheit der genannten Gründe erhaltenswert.
Weiter ist
festzuhalten, dass das Straßennetz für eine deutliche Nachverdichtung durch
Mehrfamilienhäuser nicht ausgelegt ist. Die vorhandenen Straßen haben eine
Fahrbahnbreite von 4,5 m – 5,5 m. Eine Verbreiterung der Straßen wäre nur mit
großen Eingriffen in die vorhandene Grünstruktur möglich, aller Voraussicht
nach würde dies einen Konflikt mit den Bestandsbäumen auslösen. Gleichzeitig wäre
dies mit erheblichen Kosten für die Stadt Fürth verbunden.
In der in
der Anlage 3 ersichtlichen Tabelle werden die Vor- und Nachteile der
Beurteilung bzw. Überprüfung der Zulässigkeit des Maßes der baulichen Nutzung
von Vorhaben anhand des § 34 BauGB beschrieben.
Änderung des Bebauungsplans Nr. 100
Die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung im Bebauungsplan bietet im Vergleich zur Regelung nach § 34 BauGB eine höhere Rechtsicherheit und bessere Steuerungsmöglichkeiten bei der städtebaulichen Entwicklung. Gleichzeitig können die Festsetzungen im Bebauungsplan das Genehmigungsverfahren vereinfachen und die Transparenz für alle Beteiligten erhöhen.
Um die Eigenart und den Charakter der Dambacher Villenkolonie zu erhalten, ist ein Bebauungsplan unerlässlich. Er soll
-
der Sicherung der großzügigen Grundstücksgrößen
und der geringen bauliche Ausnutzung,
- dem Schutz des alten Baumbestandes und der parkartig angelegten Freiflächen,
-
einer besseren Steuerung der Stadtentwicklung,
die eine unerwünschten baulichen Verdichtung entgegenwirkt,
- dem Schutz der vorhandenen Infrastruktur vor einer Überlastung und
-
dem Erhalt des Ortsbildes
dienen.
- Städtebauliche Zielsetzung
In der
Änderung des Bebauungsplans sollen folgende Planungsziele ergänzt werden:
-
Steuerung und Fortführung der ortstypischen und
lockeren, villenartigen Bebauung durch Einführung einer adäquaten, an der
bisherigen Form orientierten, jedoch rechtssicheren Festsetzung zum Maß der
baulichen Nutzung
-
Bewahrung der bestehenden Wohnqualität und
Grünstruktur
-
Sicherung der denkmalgeschützten Substanz
- Festsetzungsmöglichkeiten
-
Maß der baulichen Nutzung:
o Differenzierte
Festsetzung der GRZ von 0,15 bis 0,25 nach Bereichen/ Lage
o Mindestgrundstücksgröße
o Anzahl
der Wohneinheiten
o Baugrenzen
- Festsetzungen
zu Nachhaltigkeit/ Schwammstadt
-
Grünordnungsplan
o Erhalt
von Bäumen
o Festsetzungen
zu Anpflanzungen
Die vom Stadtrat am
09.12.2020 beschlossenen Festsetzungen zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit
in der Bauleitplanung (Checkliste/Werkzeugkasten) werden im Laufe des
Verfahrens berücksichtigt.
Die
Änderung des Bebauungsplans soll nach § 13 BauGB im vereinfachten Verfahren
erfolgen. Die Grundzüge der Planung werden durch die Änderung nicht berührt. Im
vereinfachten Verfahren kann von der frühzeitigen Beteiligung der
Öffentlichkeit und der Behörde (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1), von der
Umweltprüfung, vom Umweltbericht sowie von der zusammenfassenden Erklärung
abgesehen werden.
Veränderungssperre
Zur Sicherung der städtebaulichen Zielsetzung soll
gleichzeitig mit dem Änderungsbeschluss eine Veränderungssperre mit dem in der
Anlage 4 ersichtlichen Inhalt gem. § 14 i.V.m. § 16 BauGB beschlossen werden.
Dadurch besteht während deren Geltungsdauer die Möglichkeit, Bauvorhaben
abzulehnen, die auf eine Verdichtung des Gebietes abzielen und durch deren
Verwirklichung die Planungsziele gefährdet
werden würden, da die als schützenswert betrachteten und das Gebiet prägenden
Aspekte wie die besonders aufgelockerte Bebauung und die hohe Durchgrünung
dabei verloren gingen.
Bearbeitungszeit und Einordnung in die
Prioritäten des Stadtplanungsamtes
Die
Durchführung des Änderungsverfahrens kann wie die Bearbeitung anderer
B-Planverfahren auch erst nach erneuter Vorlage der Prioritätenliste im
Stadtrat und Beschluss des Stadtrats erfolgen, frühestens 2026 ff je nach
Priorität.
Finanzierung:
Finanzielle Auswirkungen |
jährliche Folgelasten |
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|
|
nein |
x |
ja |
Gesamtkosten |
Dzt. noch nicht bezifferbar € |
x |
nein |
|
ja |
€ |
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Veranschlagung im Haushalt |
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|
x |
nein |
ja |
Hst. |
Budget-Nr. 61000 |
im |
x |
Vwhh |
|
Vmhh |
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wenn nein, Deckungsvorschlag: wird zum Haushalt 2026
angemeldet |
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- Anlage
1: Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 100 1.Ä
- Anlage
2: Aktuell rechtsverbindlicher Bebauungsplan Nr. 100 „Dambacher Villenkolonie“
- Anlage
3: Vor- und Nachteile § 34
- Anlage
4: Satzung Veränderungssperre