Beschlussalternative
1:
Der Bau- und Werksauschuss empfiehlt/ der Stadtrat beschließt:
- Von den Ausführungen der Verwaltung wird Kenntnis genommen.
2.
Die Entwicklungen im Vollzug der
Zweckentfremdungssatzungen der Städte Nürnberg und Erlangen sind abzuwarten –
insbesondere vor dem Hintergrund der damit erzielten Ergebnisse hinsichtlich
der Entlastung des örtlichen Wohnungsmarktes.
Beschlussalternative 2:
Dem Vorschlag der Verwaltung wird nicht gefolgt. Der Bau- und Werksauschuss
empfiehlt/ der Stadtrat beschließt: Die Verwaltung wird beauftragt, eine
Zweckentfremdungssatzung analog der Satzung der Stadt Nürnberg zur
Beschlussfassung vorzulegen. Die für den Vollzug der Zweckentfremdungssatzung
erforderliche Personalausstattung muss vor Inkrafttreten der Satzung im dann
zuständigen Referat (welches noch festzulegen wäre) gewährleistet sein.
Der Bau- und Werkausschuss hat in seiner Sitzung am 09.10.2019 unter Bezug auf die von der Stadt Nürnberg im Mai 2019 erlassene Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum beschlossen, „dass die Verwaltung dem Stadtrat einen Vorschlag unterbreiten soll, wie man in Fürth der Zunahme von Angeboten wie ‚airbnb‘ begegnen kann, nachdem diese in Nürnberg verboten wurden“.
Das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 10.12.2007 wurde durch Gesetz vom 19.06.2014 geändert. Bau- und Werkausschuss sowie Stadtrat haben wiederholt über das Thema „Zweckentfremdung von Wohnraum“ beraten (Vorlagen SpA/562/2018, SpA/252/2014, SpA/283/2014, SpA/236/2013):
Seitens der politischen Gremien der Stadt Fürth sowie seitens des Rechtsreferates wurde vom Erlass einer Zweckentfremdungssatzung abgeraten
1.
Zweckentfremdungsverbot
Das Zweckentfremdungsgesetz ermöglicht einer Gemeinde für Gebiete, in denen die
ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen
Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Satzung mit einer Geltungsdauer von
höchstens fünf Jahren zu bestimmen, dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung
überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, wenn sie dem
Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in
angemessener Zeit abhelfen kann.
Bei Erlass einer
entsprechenden Satzung unterliegen alle Zweckentfremdungstatbestände
einem Genehmigungsvorbehalt, die Nichtgenehmigung („Verbot“) ist die Regel:
Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn der Wohnraum
1.
zu
mehr als 50 % der Gesamtfläche für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet
oder überlassen wird,
2.
baulich
derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht
mehr geeignet ist,
3.
mehr
als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung
genutzt wird,
4.
länger
als drei Monate leer steht oder
5.
beseitigt
wird.
Voraussetzung für den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung ist ein
Wohnraummangel. Ob entsprechender
Wohnraummangel vorliegt, haben die Gemeinden nach eigenem Ermessen zu
beurteilen. H. E. führt eine fehlende ausreichende Begründung einer
Satzung zu einem Ermessensfehlgebrauch des Normgebers und damit zu deren
Rechtswidrigkeit.
2. Wohnraummangellage in Fürth
Die Situation auf dem Fürther
Wohnungsmarkt wird seit Jahren als angespannt empfunden. Insbesondere die
Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum übersteigt hiernach regelmäßig das
vorhandene Angebot. Immer mehr Haushalte hätten Probleme, sich in Fürth
angemessen mit Wohnraum zu versorgen. Vor dem Hintergrund dieser Betrachtung
sind die sich seit Jahren verstärkenden Zuzugstendenzen aus dem Umfeld der
Stadt Fürth, insbesondere auch aus den ländlichen Räumen zu berücksichtigen.
Der Wohnungsmarkt im Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen – ergänzt um den
Bedarfsträger Herzogenaurach – ist aufgrund der engen verkehrlichen und
infrastrukturellen Verknüpfungen als ein zusammenhängender Wohnungsmarkt zu
betrachten.
Die Stadt Fürth ist in der Mieterschutzverordnung der Bayerischen
Staatsregierung vom 10.11.2015 als Gebiet aufgeführt, in dem die ausreichende
Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen im
Sinne von §§ 556d, 558 und 577a BGB besonders gefährdet ist.
Hinsichtlich der Situation auf dem Wohnungsmarkt darf ergänzend auf die Vorlage
der Verwaltung (SpA/654/2018) zum Antrag der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die
Grünen vom 15.11.2018 – Status Quo des Sozialen Wohnungsbaus in Fürth verwiesen
werden .
2.
Zweckentfremdung in Fürth (airbnb,
etc.)
Der aktuelle Wohnungsmarkt ist eher geprägt durch zunehmende Angebotsknappheit,
insbesondere bei als bezahlbar empfundenen Wohnraum. Nicht primär
Wohnungsleerstand und –Abbruch, sondern eher die zunehmende Vermietung von
Wohnraum als Ferienwohnungen oder „Handwerkerunterkünfte“ über Online-Portale
könnten ein Argument für eine Zweckentfremdungssatzung in Fürth darstellen.
Eine am 15.10.2019 für Fürth durchgeführte Recherche auf der viel zitierten
Internetplattform airbnb.de brachte – abhängig der Suchanfrage – sehr
unterschiedliche Ergebnisse zu Tage (Suchanfrage: alle Unterkünfte):
- Suchanfrage „Fürth“ – „mehr als 300 Unterkünfte“ :
Diese Anzahl ist h. E. darauf
zurückzuführen, dass anscheinend auch Unterkünfte in Nürnberg aufgelistet
werden (lt. Kartendarstellung bis zur
Bundesstraße 4R „Mittlerer Ring“, Nürnberg).
- Suchanfrage nach Postleitzahlen – 228 Unterkünfte:
PLZ |
90762 |
90763 |
90765 |
90766 |
90768 |
Summe |
Unterkünfte |
49 |
29 |
39 |
88 |
23 |
228 |
- Suchanfrage nach Kartendarstellung (vgl.
Anlage) – 78 Unterkünfte
Die Auswahl bei airbnb weist
erhebliche Abweichung auf, insbesondere aufgrund der – werbewirksamen –
räumlich weit gegriffenen Trefferanzeigen. Darüber hinaus werden hier auch
Einzelzimmer aufgeführt. Eine Differenzierung, ob es sich hier z. B. um
ehemalige Kinderzimmer, Gästezimmer oder ähnliches handelt, ist nicht möglich.
Die genaue Adresse einer angebotenen Übernachtungsmöglichkeit wird bei airbnb
erst nach Buchung bekannt gegeben. Die oft zitierten „mehr als 300 Wohnungen in
Fürth“ können vor diesem Hintergrund nicht zweifelsfrei bestätigt werden.
Bei der Tourist-Information
der Stadt Fürth besteht nach dortiger Aussage eine Liste von ca. 80 Vermietern,
die die Kontakte ausschließlich über die Tourist-Information herstellen, nicht
über Internet-Plattform.
Anfragen zur Umnutzung von
Wohnungen zum Zwecke der zeitweiligen Unterbringung von Handwerkern lassen
darauf schließen, dass hier ein mögliches Zweckentfremdungspotential besteht.
Durch Erlass einer Zweckentfremdungsverbotssatzung können diese Anträge – trotz
möglicher bauordnungs- bzw. bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit- negativ
verbeschieden werden.
Eine EDV-Auswertung der
Bauaufsicht über die Umnutzung von Wohnraum ergab für die letzten 5 Jahre
(2014-2019) folgendes Ergebnis:
Maßnahme / Vorhaben |
Az. |
WE |
Anträge (genehmigt) |
||
Nutzungsänderung einer Wohnung
in ein Hausmeisterbüro |
2014/…. |
1 |
Nutzungsänderung einer Wohnung
im OG in eine Rechtsanwaltskanzlei |
2015/…. |
1 |
Nutzungsänderung eines
Wohnhauses zu einer Sozialeinrichtung |
2016/… |
16 |
Nutzungsänderung EG und 1. OG
von 2 Läden und Wohnung in Beherbergungsstätte |
2016/… |
2 |
Nutzungsänderung von Wohnung in
Büro |
2016/… |
1 |
Nutzungsänderung einer Wohnung
zu Büro im Erdgeschoß |
2016/… |
1 |
Nutzungsänderung einer Wohnung
in eine Wohnung mit Büro |
2016/… |
1 |
Nutzungsänderung der ehemaligen
Hausmeisterwohnung im EG, als Büroräume, Besprechungszimmer, … |
2018/… |
1 |
ungenehmigte Bauten: |
||
Umnutzung einer Wohneinheit in
eine Arztpraxis ohne die hierfür erforderliche Genehmigung |
2015/… |
1 |
Nutzungsänderung von Wohnung und
Laden zu gewerblicher Zimmervermietung (Beherbergungsstätten ähnlicher
Betrieb) |
2019/… |
3 |
Nutzungsänderung von Wohnung zu
gewerblicher Vermietung (Beherbergungsstätten ähnlicher Betrieb) |
2019/… |
1 |
3.
Anmerkungen zum Erlass einer
Zweckentfremdungsverbotssatzung
Hinsichtlich des
Erlasses einer Zweckentfremdungsverbotssatzung ist ergänzend anzumerken:
-
Der
BayVGH mit Urteil vom 20.08.2019 (Az. 12 ZB 19.333) hat eine generelle und flächendeckende
Auskunftspflicht z. B. von Internet-Plattform-Betreibern (airbnb,
Handwerkerwohnen, etc.) gem. Art. 3 Abs. 1 Sätze 1,3,5 ZwEWG verneint.
-
Die
Gewinnung belastbarer Daten als Beurteilungsgrundlage über eine spezifische
Belastung des Wohnungsmarktes stellt sich sowohl dem Hintergrund der
Datenschutzbestimmungen als der
verfügbaren Daten als außerordentlich schwierig dar.
-
Ein
Zweckentfremdungsverbot erfordert eine aktive Ermittlungs- und
Überwachungstätigkeit, eine rein reaktive Handlungsweise als Reaktion auf
Anzeigen oder „Denunziationen“ entspräche nicht dem Rechtscharakter des
Zweckentfremdungsverbots
- Die Anwendung des – vordergründig einfach und
strukturiert wirkenden – Zweckentfremdungsgesetzes erfordert ein hohes Maß an
technischer und verwaltungsrechtlicher Kompetenz und muss einhergehen mit einem
entsprechenden Personaleinsatz. Insbesondere bei der Verfolgung von Verstößen
gegen das Zweckentfremdungsverbot werden intensive und konfliktträchtige
Sachverhaltsermittlungen, meist verbunden mit Mitteln des Verwaltungszwangs,
der Durchführung von Bußgeld- und Klageverfahren sowie Folgekontrollen
erforderlich.
4.
Zweckentfremdungssatzungen in den
Nachbarstädten
Nürnberg: Die Stadt
Nürnberg hat mit Stadtratsbeschluss vom 22.05.2019 den Erlass einer
Zweckentfremdungsverbotssatzung beschlossen Die Satzung wurde im Amtsblatt der
Stadt Nürnberg vom 27.05.2019 bekanntgemacht.
In der Beschlussvorlage der Stadt Nürnberg wird für Nürnberg im Jahr 2017 von
ca. 600 ganzen, dem Wohnungsmarkt für die Fremdenbeherbergung entzogen
(= zweckentfremdenden) Wohnungen ausgegangen, dies entspricht 0,22 % des
Wohnungsbestands 2017 (269.232 Wohnungen). Gleichwohl sei dies vor dem
Hintergrund der Anstrengung, 600 geförderte Wohnungen zu errichten von
Bedeutung- der hierfür erforderliche Mitteleinsatz wurde sich auf ca. 130 Mio.
€ belaufen (bei durchschnittlich 210.000 € je Wohneinheit.
In der Vorlage wird auch festgestellt, dass Zweckentfremdungen zur
Fremdenbeherbergung noch keine Massenerscheinung darstellten, jedoch davon
ausgegangen werde, dass dieses Segment weiterwachsen werden.
Die für den Vollzug erforderlichen Strukturen sind erst im Aufbau, Erfahrungen in der Vollzugspraxis bestehen noch nicht.
Erlangen: Der Stadtrat hat am 28.11.2019 (Vorlagennummer VI/232/2019 überraschenderweise entgegen den Empfehlungen der Verwaltung beschlossen „… den Satzungstext der Stadt Nürnberg zu übernehmen und zeitnah den Erlass einer Satzung vorzulegen. …“ .
Eine Begründung für den Erlass der Zweckentfremdungssatzung ist der Beschlussvorlage nicht zu entnehmen, zumal hier augenscheinlich stark unterschiedliche Wahrnehmungen des Sachverhalts bestehen.
Schwabach: Die Stadt Schwabach hat keine Zweckentfremdungssatzung, ein Bedarf wird von dort nicht gesehen.
Zirndorf: Der Stadtrat hat sich im Januar 2019 vor dem Hintergrund gegen den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung ausgesprochen.
5.
Empfehlung
Vor dem dargestellten Hintergrund wird empfohlen, die Entwicklungen im Vollzug der Zweckentfremdungssatzung der Stadt Nürnberg abzuwarten – insbesondere vor dem Hintergrund der damit erzielten Ergebnisse hinsichtlich der Entlastung des örtlichen Wohnungsmarktes.
Alternative: Sollte der Empfehlung der Verwaltung nicht gefolgt werden können, wird die Verwaltung beauftragt, eine Zweckentfremdungssatzung analog der Satzung der Stadt Nürnberg zur Beschlussfassung vorzulegen und hierfür vertiefende begründende Untersuchungen hinsichtlich einer Wohnraummangellage i. S. d. Art. 1 ZwEWG durchzuführen. Die für den Vollzug der Zweckentfremdungssatzung erforderliche Personalausstattung muss vor Inkrafttreten der Satzung im dann zuständigen Referat (welches noch festzulegen wäre) gewährleistet sein.
Finanzierung:
Finanzielle
Auswirkungen |
jährliche
Folgelasten |
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|
|
nein |
X |
ja |
Gesamtkosten |
€ |
|
nein |
X |
ja |
€ |
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Veranschlagung
im Haushalt |
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|
X |
nein |
|
ja |
Hst.
|
Budget-Nr. |
im |
|
Vwhh |
|
Vmhh |
|||||||
wenn
nein, Deckungsvorschlag: |
||||||||||||||||||
Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG)
Karte (Ausdruck airbnb)