Der Ausschuss für Jugendhilfe und Jugendangelegenheiten nimmt den Fürther Situationsbericht zur Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen zur Kenntnis.
Der Ausschuss
beauftragt das Amt für Kinder, Jugendliche und Familie bis zum AJJ am
12.02.2025 ein Fachkonzept vorzulegen, wie die Jugendhilfe der
Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen wirksam begegnen kann. Zu den
Anforderungen, Inhalten und Maßgaben des Fachkonzeptes wird auf die
Ausführungen im Sachverhalt verwiesen.
Das Thema Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen ist in den Medien
aktuell hochpräsent: Immer jünger und immer brutaler – so die
Kurzzusammenfassung vieler Beiträge, die das Phänomen der Kinder- und
Jugendgewalt thematisieren. Auch die lokale Presse hat das Thema in der
jüngsten Vergangenheit mehrfach aufgegriffen.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung
hat Referat IV im Juni 2024 Fach- und Leitungskräfte der Fürther
Jugendhilfe nach Ihren Eindrücken und Beobachtungen befragt. Zweck der Erhebung
war es, einschätzen zu können, ob sich das in den Medien gezeichnete Bild von
der zunehmenden Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen so auch in
Fürth zeigt, um auf der Grundlage gegebenenfalls Handlungsbedarfe zu
identifizieren und geeignete Maßnahmen zu entwickeln.
Die
Ergebnisse und Befunde aus der Befragung sind in der Anlage 1
zusammengestellt und eingeordnet (Gewaltbereitschaft
bei Kindern und Jugendlichen: Was sind Ihre Eindrücke? Ergebnisse aus der
Befragung vom Juni 2024)
Ergebnisse
aus der Befragung (Auszug)
An problematischen Verhaltensweisen berichten die
Fachkräfte
·
einen
generell rauen bzw. respektlosen Umgangston der Kinder und Jugendlichen
untereinander, aber auch gegenüber Erwachsenen (Lehrkräften, Sozialarbeitern/‑innen)
·
geringe
Frustrationstoleranz und Impulskontrolle („kurze Zündschnur“)
·
fehlendes
Unrechtsbewusstsein und fehlende Empathiefähigkeit
Weiter wurde von aggressiven Praktiken und konkreten Vorfällen im Kita- und
Schulalltag berichtet, z.B.
·
Spaßgewalt
(„Gehfehler“): Dabei wird jemand von hinten zum Hinfallen gebracht.
·
„Abziehen“:
Dabei wird jemand gedrängt, kleinere oder auch größere Geldbeträge
herauszugeben.
·
Mobbing,
insbesondere in sozialen Medien (z.B. Ausschluss aus dem Klassen-Chat)
Quantitative Aussagen, die eine
Zunahme der Gewaltbereitschaft oder gar Brutalisierung bzw. Verjüngung der
Gewalt bestätigen, können seriöserweise aus der Befragung nicht abgeleitet
werden. Gleichwohl geht die überwiegende Mehrheit der befragten Fachkräfte von
einer quantitativen wie auch qualitativen Veränderung der Gewaltbereitschaft
aus, die als „besorgniserregend“ oder „alarmierend“ bezeichnet wird.
Diese Entwicklung deckt sich mit den
Statistiken zur Kinder- und Jugendkriminalität, die das Deutsche Jugendinstitut jährlich herausgibt, sowie dem Sicherheitsbericht
2023 des Polizeipräsidiums Mittelfranken (Quellennachweise siehe
Anlage 1).
Ursachen
für Gewaltbereitschaft
Gefragt nach den möglichen Ursachen
nennen die Befragten wiederkehrend drei Erklärungszusammenhänge: Medienkonsum, Corona und prekäre
Familienverhältnisse.
Beim exzessiven Medienkonsum vermuten
die Befragten nicht nur negative Auswirkungen von gewaltvollen bzw.
altersunangepassten Inhalten auf das eigene Verhalten, sondern noch einen
anderen Effekt: Während der Zeit des Daddelns finden keine „echten“ sozialen
Kontakte und Interaktionen statt, die die Entwicklung von sozialen Kompetenzen
fördern.
Die Ausbildung sozialer Kompetenzen
und das Erreichen von Entwicklungszielen hat aber nach Einschätzung der
Befragten im Zuge von Corona ohnehin schwer gelitten, so dass Kinder und Jugendliche
immer noch am Aufholen sind. Und die Pandemie hat zugleich die ganze Familie in
Mitleidenschaft gezogen, die in den Rückmeldungen zunehmend als
destabilisiertes bzw. dysfunktionales System aufscheint: angefangen von
fehlender Werteorientierung, fehlenden positiven Vorbildern bis hin zu völligem
Erziehungsversagen. Den Hintergrund dafür bilden die Überforderung der Eltern
angesichts von äußeren Krisen (Corona, Krieg, Klima etc.) und individuellen
Belastungen (Armut, Arbeitslosigkeit, Trennung/Scheidung, (Sucht-)Erkrankungen
u.a.). Eine Rückmeldung aus dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien trifft
schließlich die zusammenfassende Einschätzung, „dass sich viele Familien als
ganzes System wie in einem Burnout befinden, so dass die Kinder hier in (…)
prekären Verhältnissen aufwachsen.“
Emotionale Vernachlässigung, verbale
und physische Gewalt innerhalb der Familie sind grundsätzlich der Nährboden für die Gewaltbereitschaft
der Kinder. Hinzu kommt, dass Kinder sich am Verhalten der Eltern und/oder
(älteren) Geschwister orientieren und deren Verhaltensweisen und
Konfliktlösungsstrategien übernehmen – und sei es Gewalt.
Handlungsmöglichkeiten
der Jugendhilfe
Die vermuteten Ursachen und
Erklärungszusammenhänge geben bereits Hinweise, wo Maßnahmen der Jugendhilfe
sinnvollerweise ansetzen können. Auch schlagen die Befragten in ihren
Rückmeldungen konkrete Maßnahmen vor, die in einem Fachgespräch am 13.09.2024
unter Beteiligung der verschiedenen Fachstellen (Jugendsozialarbeit an Schulen,
Jugendarbeit, Bildungsbüro, KITA/GTS, Familienstützpunkte, Stadtjugendring
u.a.) diskutiert wurden. Das Ergebnis ist in Anlage 2 (Moderationstafel)
dokumentiert.
Maßnahmen, die geeignet sind, der
Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen wirksam zu begegnen, setzen
demnach vier Hebel an:
1.
Möglichst kooperativ und
vernetzt: die Maßnahmenentwicklung und ‑umsetzung erfolgt unter
Einbezug verschiedenster fachlicher Expertise (JgA, Schule, Polizei u.a.)
2.
Möglichst früh: Maßnahmen greifen möglichst früh
ein, d.h. bereits in der Familie durch familienunterstützende
Maßnahmen/familienbildende Angebote
3.
Möglichst konsequent: Klare Regeln, konsequente
Sanktionierung von Regelmissachtung und Gewalt, Null-Toleranz-Politik gegenüber
Gewalt
4.
Möglichst kompetenzorientiert: Maßnahmen/Angebote orientieren sich
an der Förderung von Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen (Sozialkompetenz,
Medienkompetenz, Sprachkompetenz, Konfliktlösungskompetenz etc.)
Weiteres
Vorgehen in der Jugendhilfe
Vor dem Hintergrund der Befragungsergebnisse,
der statistischen Zahlenlage zur Kinder- und Jugendkriminalität und der
Beratungsergebnisse vom 13.09.2024 schlägt Referat IV die Erstellung eines
Fachkonzeptes zur Prävention von
Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen vor.
Das Konzept soll vom Amt für Kinder,
Jugendliche und Familie erstellt werden und
·
… beinhaltet
handlungsfeldorientierte, aufeinander abgestimmte Maßnahmen und Angebote der
Jugendhilfe zur Prävention von Gewalt bei Kindern und Jugendlichen
·
… berücksichtigt
dabei die Ergebnisse aus der Befragung zur Gewaltbereitschaft vom Juni 2024
·
… berücksichtigt
außerdem die Ergebnisse aus der gemeinsamen Beratung durch Experten/‑innen
am 13.09.2024
·
… bezieht
zusätzlich weitere Fachexpertise aus den Bereichen Schule und Polizei mit ein
(z.B. durch Experteninterviews und/oder durch gemeinsame Fachgespräche)
·
… bezieht
die Erfahrungen aus der ABC-Kommission mit ein
·
… beziffert die für die Umsetzung notwendigen Ressourcen
(Personal- und Sachmittel). Dazu gehören auch Maßnahmen, die die Beschäftigten
in der Jugendhilfe bei der Bewältigung der schwierigen Aufgabe unterstützen
(z.B. Fortbildungen)
Referat IV ist sich
der Grenzen der kommunalen Jugendhilfe sehr wohl bewusst, da die beschriebenen
Gewaltphänomene auch gesellschaftliche Ursachen haben, die sich der
Eingriffsmöglichkeit der Jugendhilfe teils oder ganz entziehen. Gleichwohl hat
die Stadt die Verantwortung, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, Familien,
Kinder und Jugendliche dabei zu unterstützen, gut und sicher aufzuwachsen. Ein Fachkonzept zur Prävention von
Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Baustein
für die Wahrnehmung dieser Verantwortung.
Finanzierung:
Finanzielle Auswirkungen |
jährliche Folgelasten |
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x |
nein |
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ja |
Gesamtkosten |
€ |
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nein |
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ja |
€ |
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Veranschlagung im Haushalt
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nein |
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ja |
Hst. |
Budget-Nr. |
im |
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Vwhh |
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Vmhh |
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wenn nein,
Deckungsvorschlag: |
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