Von den Ausführungen der Verwaltung wird Kenntnis genommen.
Der Bau- und Werkausschuss hat sich am 10.02.2021 gegen 3 Stimmen für Beschlussalternative 2 entschieden.
Beschlussalternative
1:
Der Stadtrat beschließt:
Eine Notwendigkeit zum Erlass einer Zweckentfremdungssatzung
besteht nicht.
Beschlussalternative 2:
Der Bau-und Werksausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:
Aufgrund der vorgelegten Daten wird die Notwendigkeit einer
Zweckentfremdungssatzung gesehen. Die für den Vollzug der Zweckentfremdungssatzung
erforderliche Personalausstattung muss zeitnah im dann zuständigen Referat
(welches noch festzulegen wäre) geschaffen werden. Da eine
Zweckentfremdungssatzung erst mit der Bereitstellung des entsprechenden
Personals umsetzbar ist, soll die Zeit bis zu den Haushaltsberatungen für 2022
genutzt werden, um weitere Entwicklungen zu beobachten und das Thema im Herbst
dem Stadtrat bzw. den entsprechenden Gremien erneut vorzulegen.
Die Stadtratsfraktion DIE LINKE hat mit Schreiben vom
02.12.2020 beantragt, der Bau- und Werksauschuss möge dem Stadtrat die
Einführung einer Zweckentfremdungssatzung i. S. d. Bayer.
Zweckentfremdungsgesetzes ZwEWG empfehlen. Hierzu solle entweder die bereits
erarbeitete Satzung der Verwaltung oder die Nürnberger Satzung verwendet
werden. Hinsichtlich der Begründung sowie zum Antrag selbst darf auf das
Schreiben (Antrag) vom 02.12.2020 verwiesen werden.
Bau- und Werksauschuss sowie Stadtrat haben wiederholt unter den Aspekten „Kurzzeitvermietung“, „Zweckentfremdungssatzung“, „Leerstandsverbotssatzung“ über das Thema „Zweckentfremdung von Wohnraum“ beraten (Vorlagen SpA/0766/2019, SpA/562/2018, SpA/252/2014, SpA/283/2014, SpA/236/2013).
Vor den Hintergrund des o. a. Antrags wird hier – unter Bezug auf die Referenzvorlagen - die Zweckentfremdungsthematik zusammenfassend erläutert:
1.
Bayerisches Zweckentfremdungsgesetz
(ZwEWG) / Zweckentfremdungssatzung
Durch die
Zweckentfremdungssatzung werden die gesetzlich verankerten Regelungstatbestände
auf kommunaler Ebene in Kraft gesetzt:
Zweckentfremdungsverbot
Das Zweckentfremdungsgesetz ermöglicht einer Gemeinde für Gebiete, in denen
die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen
besonders gefährdet ist, durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen, dass Wohnraum
nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden
darf, wenn sie dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln
und in angemessener Zeit abhelfen kann.
Bei Erlass einer
entsprechenden Satzung unterliegen alle Zweckentfremdungstatbestände
einem Genehmigungsvorbehalt, die Nichtgenehmigung („Verbot“) ist die Regel:
Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn der Wohnraum
1.
zu
mehr als 50 % der Gesamtfläche für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet
oder überlassen wird,
2.
baulich
derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht
mehr geeignet ist,
3.
mehr
als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung
genutzt wird,
4.
länger
als drei Monate leer steht oder
5.
beseitigt
wird.
Voraussetzung für den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung ist ein
Wohnraummangel. Ob entsprechender Wohnraummangel
vorliegt, haben die Gemeinden nach eigenem Ermessen zu beurteilen.
Genehmigung, Ausgleichszahlung
Da die Zweckentfremdung in den Gemeinden, die eine entsprechende Satzung
erlassen haben, grundsätzlich verhindert werden soll, ist das Verbot der
Zweckentfremdung dort der Regelfall.
Gem. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bilden lediglich vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen, die das Interesse an der Erhaltung des Wohnraums überwiegen, eine Ausnahme vom Verbot der Zweckentfremdung.
Schutzwürdige private Interessen
überwiegen vor allem dann, wenn
- der
Mieter oder Verfügungsberechtigte ohne Nutzung der Räume zu bestimmten Zwecken
in seiner bestehenden wirtschaftlichen Existenz unausweichlich bedroht ist. Die
Möglichkeit einer Erzielung einer höheren Rendite rechtfertigt eine Genehmigung
nicht.
- Gewerbe
oder Büroflächen nur vorübergehend in Wohnraum umgewidmet worden sind und nun
wiederum zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken genutzt werden sollen,
Im Übrigen kann eine Genehmigung
zur Zweckentfremdung erteilt werden, wenn entweder – neu geschaffener! – Wohnraum mit vergleichbaren Anforderungen und
Konditionen bereitgestellt wird oder aber eine Ausgleichszahlung erfolgt (Art.
2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZwEWG).
Mit der Ausgleichszahlung sollen die durch die Zweckentfremdung bedingten
Mehraufwendungen der Allgemeinheit für die Schaffung neuen Wohnraums
kompensiert und so ein Ausgleich für den Wohnraumverlust geschaffen werden.
Die Ausgleichsbeträge sind
zweckgebunden für die Schaffung neuen Wohnraums zu verwenden. Grundsätzlich
bestünde damit für den Zweckentfremder die Möglichkeit, sich „freizukaufen“ und
das Finanzierungs- und Herstellungsrisiko des Ersatzwohnraums auf die Gemeinde
zu verlagern.
Anordnungen
Gem. Art 3 Abs. 2 ZwEWG kann die Gemeinde anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird. Klagen gegen Verwaltungsakte zum Vollzug dieses Gesetzes haben keine aufschiebende Wirkung (Art 3 Abs. 2 ZwEWG).
Auskunftspflicht
Die Auskunftspflicht erstreckt
sich neben den dinglich Verfügungsberechtigten nun auch auf Verwalter und
Besitzer i.S. d. Telemediengesetzes. Zu offenbaren sind auch Tatsachen, die
geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit
herbeizuführen. Verwendet werden dürfen diese Auskünfte im Rahmen eines
Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens gegen den Auskunftspflichtigen oder
eine Person nach § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung jedoch nur mit der
Zustimmung des Auskunftspflichtigen.
Der BayVGH hat jedoch mit Urteil vom 20.08.2019 (Az. 12 ZB 19.333) eine
generelle und flächendeckende Auskunftspflicht z. B. von
Internet-Plattform-Betreibern (airbnb, Handwerkerwohnen, etc.) gem. Art. 3 Abs.
1 Sätze 1,3,5 ZwEWG verneint, die bundesrechtliche Regelung des § 14 Abs. 2
Telemediengesetz gestatte dem Diensteanbieter eine Auskunft ausdrücklich nur im
Einzelfall.
Bußgelder
Gem. Art 4 Satz 1 ZwEWG kann derjenige, der Wohnraum ohne die erforderliche Genehmigung für andere als Wohnzwecke verwendet oder überlässt mit einer Geldbuße bis 500.000 € belegt werden. Grundsätzlich jedoch sind bei der Bemessung eines Bußgeldes gem. § 17 OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft, seine wirtschaftlichen Verhältnisse und auch der Vorteil, den er aus der Ordnungswidrigkeit zieht zu berücksichtigen.
- Situation in der Stadt Fürth
Die Situation auf dem Fürther Wohnungsmarkt wird seit Jahren als angespannt empfunden. Insbesondere die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum übersteigt hiernach regelmäßig das vorhandene Angebot. Immer mehr Haushalte hätten Probleme, sich in Fürth angemessen mit Wohnraum zu versorgen. Vor dem Hintergrund dieser Betrachtung sind die sich seit Jahren verstärkenden Zuzugstendenzen aus dem Umfeld der Stadt Fürth, insbesondere auch aus den ländlichen Räumen zu berücksichtigen.
Der Wohnungsmarkt im Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen – ergänzt um den Bedarfsträger Herzogenaurach – ist aufgrund der engen verkehrlichen und infrastrukturellen Verknüpfungen als ein zusammenhängender Wohnungsmarkt zu betrachten.
Die Stadt Fürth ist in der Mieterschutzverordnung der Bayerischen Staatsregierung vom 16. Juli 2019 als Gebiet aufgeführt, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen im Sinne von §§ 556d, 558 und 577a BGB besonders gefährdet ist. Die Mieterschutzverordnung tritt mit Ablauf des 31.12.2021 außer Kraft.
Die Stadt Nürnberg hat im Mai 2019, die Stadt Erlangen im Februar 2020 eine Zweckentfremdungssatzung erlassen. Keine Zweckentfremdungssatzung besteht in den nahen Kommunen Herzogenaurach, Schwabach, Zirndorf und Stein.
Hinsichtlich der Angebotslage auf airbnb erfolgten folgende Abfragen:
Abfrage am 14.09.2020 für den Zeitraum 05.11. – 12.11.2020
Abfrage am 14.12.2020 für den Zeitraum 01.03. – 31.03.2021
Abfrage am 08.01.2021 für den
Zeitraum 18.01. – 30.01.2021
Der räumliche Geltungsbereich der Abfragen musste händisch auf der
Kartendarstellung der airbnb-Auswahlseite ausgewählt werden, da bei der
Suchvorgabe „Fürth“ auch das Umfeld der Stadt Fürth (Nürnberg, Zirndorf, …) mit
berücksichtigt würde.
Die Ergebnisse der Abfrage stellen sich wie folgt dar (Kategorisierung nach
airbnb):
In der Auswertung fällt auf, dass die Anzahl der Aufenthaltsmöglichkeiten (Alle
Aufenthalte) oft von der Summe der Einzelangebote abweicht, dies könnte ggf.
auf Mehrfachnennungen bzw. Mehrfachkategorisierungen zurückzuführen sein.
Auffällig ist h. E. ebenfalls, dass trotz Corona-Krise mit ihren unterschiedlichen
Lock-Down-Phasen ein relativ statischer Anteil an Aufenthaltsmöglichkeiten
vorgehalten wird – eine Aussage darüber, ob es sich hierbei um klassische
Zweckentfremdungen i. S. d. Zweckentfremdungsrechts handelt, kann hieraus
jedoch nicht abgeleitet werden.
Die Aufenthalte (Angebote)
untergliedern sich in folgende Immobilientypen (Filter airbnb), wobei Zuordnung
und zahlenmäßiger Nachweis teilweise ebenfalls zu hinterfragen wären: So könnte
ein Appartement aufgrund seiner Lage und der Intention des Vermieters
beispielsweise ebenfalls unter „Villa“ oder „Gästehaus“ oder „Haus“ gelistet
werden.
Seitens der Bauaufsicht sind folgende Zweckentfremdungen bekannt bzw.
bearbeitet (Anträge auf Nutzungsänderung):
Die Auswertung musste durch BaF aus ca.1.500 Datensätze für den betreffenden Zeitraum manuell erstellt werden, da eine automatische Auswertung derzeit noch nicht möglich ist.
- Erfahrungen in den Nachbarstädten Erlangen / Nürnberg
Nürnberg:
Personal: Sachgebietsleitung QE4, 1 VZÄ (Jurist)
Sachbearbeitung QE 3, 2 VZÄ
zzgl.
Städt. Ermittlungsdienst
Verortung: Zweckentfremdungsstelle
als Stabsstelle beim Wirtschaftsreferat;
Zentraler städt.
Ermittlungsdienst als Querschnittsaufgabe „Zentrale Dienste“ im Referat für
Finanzen, Personal und IT.
Umfang: Reaktion auf Anzeigen bzw. Anträge,
Aktive Ermittlungen und Verfolgung von Verstößen kann aufgrund der
Personalressourcen nicht erfolgen.
Fallzahlen: Stand 10/2020
100 Anträge auf Zweckentfremdung
580 Vorgänge sind noch nicht bearbeitet
ca. 110 WE reaktiviert
Problemlagen:
Erhebungsdienst ist fachfremde Querschnittseinheit;
Erhebungen bzw. Nachforschungen müssten zielorientiert in am frühen Morgen oder
am Abend erfolgen, um Ergebnisse zu erhalten;
Mangelnde Kontrolldichte
Hoher Arbeitsdruck, Konflikte mit Anwälten und Betroffenen;
Erlangen:
Personal: QE3, 1,5VZÄ (geplant)
zzgl. Zuarbeit
(Sachbearbeitung) durch Bauaufsicht
Verortung: Derzeit zentrale Stelle im Baureferat
Umfang: Reaktion auf Anzeigen bzw. Anträge, Aktive Ermittlungen und Verfolgung von Verstößen kann aufgrund der Personalressourcen nicht erfolgen
Fallzahlen: Stand 10/2020
39 Anträge auf Nutzungsänderung, davon 13 abgeschlossen;
30 Anträge auf Abbruch, davon 12 abgeschlossen;
20 Leerstandsanzeigen, davon 0 abgeschlossen;
2 Anträge auf Negativattest, beide abgeschlossen;
3 WE reaktiviert
Beide Städte
verweisen auf hohen Bearbeitungs- und Ermittlungsaufwand. Außendiensttermine
sind nur zu zweit möglich, mit dem vorhandenen Personal wird dem Bedarf zeitnah
nicht nachgekommen.
In München ist die Bearbeitung von Zweckentfremdungsangelegenheiten im
Sozialreferat, in Hamburg beim Ordnungs-, Umwelt- und Verbraucherschutzamt
angesiedelt, in Köln beim Referat für Soziales, Integration und Umwelt.
Ressourcen Stadt Fürth
Der Vollzug einer Zweckentfremdungssatzung ohne zusätzliches Personal
erscheint nicht möglich. Aufgrund des hohen Ermittlungs- und
Bearbeitungsaufwands sind h. H. Stellenschaffungen erforderlich. Der Personal-
und Organisationsauschuss hat 2018 einen entsprechenden Antrag der
Stadtratsgruppe Die Linke abgelehnt.
Die erforderlichen Mindest-Personalressourcen werden – vorbehaltlich einer
fachlichen Prüfung durch das Amt für Organisation und Digitalisierung (OrgA) –
wie folgt eingeschätzt/empfohlen:
Sachgebiets-/Abteilungsleitung: QE 3/4 1 VZÄ
Sachbearbeitung inkl. Außendienst QE 3 4 VZÄ
Eine Zuständigkeit für Bearbeitung und Vollzug des Zweckentfremdungsrechts mit seinen Schwerpunkten Genehmigung, Auflagenkontrolle, Verfolgung, und Ermittlung innerhalb der Stadtverwaltung ist h. E. noch zu definieren.
Vor dem Hintergrund der allgemeinen angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt (Mieterschutzverordnung) sowie der Tatsache, dass die Nachbarstädte Nürnberg und Erlangen eine Zweckentfremdungssatzung erlassen haben wäre der Erlass einer Zweckentfremdungssatzung durch die Stadt Fürth denkbar, auch aus präventiven Charakter, um eine Verlagerung von Zweckentfremdungsbedarfen aus den Nachbarstädten nach Fürth zu vermeiden.
Aufgrund des
hohen Personalbedarfs und der Erfahrungen der Nachbarkommunen ist aber nicht
kurzfristig mit einem spürbaren Erfolg zu rechnen. Aktuell findet ein durch den
Bayer. Städtetag – per Videokonferenz – organisierter Erfahrungsaustausch
statt, auch Vertreter der Stadt Fürth haben daran teilgenommen. Die
Erkenntnisse sind in die Vorlage eingeflossen. Ein weiteres Treffen soll im
Sommer 2021 stattfinden.
Da eine Zweckentfremdungssatzung erst mit der Bereitstellung des entsprechenden
Personals umsetzbar ist, könnte die Zeit bis zu den Haushaltsberatungen für
2022 genutzt werden, um weitere Entwicklungen zu beobachten und das Thema im
Herbst dem Stadtrat bzw. den entsprechenden Gremien erneut vorzulegen.
Finanzierung:
Finanzielle
Auswirkungen |
jährliche
Folgelasten |
|||||||||||||||||
|
|
nein |
|
ja |
Gesamtkosten |
Ggf. Personalkosten € |
|
nein |
|
ja |
Ggf. Personalkosten € |
|||||||
Veranschlagung
im Haushalt |
||||||||||||||||||
|
X |
nein |
|
ja |
Hst.
|
Budget-Nr. |
im |
|
Vwhh |
|
Vmhh |
|||||||
wenn
nein, Deckungsvorschlag: |
||||||||||||||||||
Airbnb-Abfrage am 14.09.2020 für den Zeitraum 05.11. – 12.11.2020
Airbnb-Abfrage am 14.12.2020 für den Zeitraum 01.03. – 31.03.2021
Airbnb-Abfrage am 08.01.2021 für den Zeitraum 18.01. – 30.01.2021
Zweckentfremdungsgesetz ZwEWG